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Es gibt 7 Nummer in «Im Zwiegespräch mit dem Herrn» deren Stichwort lautet Treue.

Wer könnte genau sagen, wie man die erste Entscheidung zur Hingabe trifft, wann sich diese erste Anwandlung einstellt, dieser – sagen wir es noch einmal – Mangel an Logik? Ich habe meine Erfahrung, und jeder von euch hat die seine. Es ist eine Hingabe, die man jeden Augenblick erneuern muss, jeden Tag, und bisweilen oftmals am Tag, wenn vielleicht die kindliche Unschuld der ersten Zeit verlorengegangen ist. Denn wir sind an Christus herangetreten und haben gespürt, wie sein Herz sehr fest schlägt; wir haben seine Wonnen verkostet, die darin bestehen, »bei den Menschenkindern zu sein«3. Deswegen wissen wir, was die Liebe Gottes wert ist.

Ja, man muss die Hingabe erneuern. Man muss wiederholt sagen: Herr, ich liebe Dich! Und man muss es aus ganzer Seele sagen. Auch wenn der sinnliche Teil nicht mittut, wollen wir Ihm mit der Wärme der Gnade und mit unserem Willen sagen: Mein Jesus, König des Universums, wir lieben Dich.

Ich möchte bei diesem Mangel an Logik verweilen, den man im Verlauf dieser zweiundvierzig Jahre unserer Geschichte sieht. Wir sind Herodes begegnet, der diese große göttliche Wirklichkeit unseres Lebens – es ist keine Einbildung –, die uns völlig umgewandelt hat, töten wollte. Auch das Werk ist mehr als einmal auf seinem Weg Herodes begegnet. Bleiben wir trotzdem ruhig! Nicht wegen einer Nichtigkeit haben wir so vieles verlassen. Die Magier taten dasselbe. Sie haben sogar ihren Wohnsitz verlassen, wo sie vielleicht Macht besaßen und als sehr bedeutende Persönlichkeiten geachtet waren. Wir haben unsere persönlichen Interessen nicht wegen einer Nichtigkeit preisgegeben. Jetzt wissen wir ganz klar, dass das göttliche Motiv, das uns beunruhigt und aus unserer Gemächlichkeit herausgerissen hat, ein Motiv dafür ist, dass die Mühe sich lohnt. Es lohnt sich! Es spricht dafür, dass wir treu sind. Es spricht dafür, so viel Liebe zu haben, so dass in unserem Leben die Angst keinen Platz hat.

Meine Kinder, wollt ihr mit mir zusammen dem Herrn sagen, Er möge nicht auf meine Unzulänglichkeit und mein Elend schauen, sondern auf den Glauben, den Er mir gegeben hat? Nie habe ich gezweifelt! Und auch das kommt von Dir, Herr, denn es ist dem Menschen eigen, dass er schwankt.

Vierundvierzig Jahre! Meine Kinder, ich erinnere mich jetzt an das kleine Bild mit dem Portrait des heiligen Josef von Calasanz, das ich neben meinem Bett aufhängen ließ. Ich sehe den Heiligen nach Rom kommen; ich sehe, wie er hier bleibt, wie er misshandelt wird. Darin bin ich ihm ähnlich. Ich sehe ihn als Heiligen, worin ich ihm nicht ähnlich bin, und das bis in ein verehrungswürdiges Greisenalter.

Seid treu, Kinder meiner Seele, seid treu! Ihr seid die Kontinuität. Wie bei den Staffelläufen wird der Augenblick kommen – wann Gott will, wo Gott will, wie Gott will –, in dem ihr weiterlaufen und den Stab von einem zum anderen weitergeben müsst, denn ich werde nicht mehr können. Ihr werdet dafür sorgen, dass der gute Geist, den ich vom Herrn empfangen habe, nicht verlorengeht, dass die eigentümlichen und konkreten Merkmale unserer Berufung ohne Abstriche erhalten bleiben. Ihr werdet diese unsere Lebensweise, die göttlich und menschlich ist, an die nächste Generation weitergeben, und diese wiederum an die nächste.

Herr, ich bitte Dich um so vieles für meine Söhne und für meine Töchter … Ich bitte Dich um ihre Beharrlichkeit, um ihre Treue, um ihre Loyalität! Wir werden treu sein, wenn wir loyal sind. Schau über unsere Niederlagen hinweg, Herr. Keiner soll sich in Sicherheit wiegen, wenn er nicht kämpft, denn – so sagt das Sprichwort – der Hase hüpft hervor, wo man es am wenigsten vermutet. Und alle Sprichwörter sind voller Weisheit.

Versteht einander, entschuldigt einander, liebt einander. Wisst euch stets in Gottes Händen, getragen von seiner Güte, unter dem Schirm Mariens, unter der Schutzherrschaft des heiligen Josef und behütet von den Schutzengeln. Fühlt euch nie allein, sondern stets getragen. Dann werdet ihr immer standhaft bleiben: die Füße auf dem Boden und das Herz dort oben, um imstande zu sein, euch für das Gute zu entscheiden.

So werden wir immer die Lehre ohne Irrtum weitergeben, auch jetzt, da viele das nicht tun. Herr, wir lieben die Kirche, denn Du bist ihr Haupt; wir lieben den Papst, denn Er muss Dein Stellvertreter sein. Wir leiden mit der Kirche wie das Volk Israel in jenen Jahren in der Wüste. Der Vergleich stammt aus diesem Sommer. Warum so viele Leiden, Herr? Vielleicht damit wir Dir ähnlicher werden, damit wir verständnisvoller werden und mehr erfüllt sind von Deiner Liebe.

Bethlehem ist die Hingabe; Nazareth die Arbeit; das Apostolat ist das öffentliche Leben. Hunger und Durst. Verständnis im Umgang mit den Sündern. Und am Kreuz streckt Er mit der Geste des Priesters die Hände aus, damit wir alle am Holz Platz finden. Es ist unmöglich – außer vom Kreuz aus – die ganze Menschheit zu lieben; und wir lieben alle Seelen und weisen niemanden ab.

Man sieht, dass der Herr uns ein großes Herz geben möchte … Schaut, wie Er uns hilft, wie Er für uns sorgt, wie klar es ist, dass wir sein pusillus grex 2 sind, welche Stärke Er uns gibt, damit wir die Richtung weisen und den Kurs korrigieren; wie Er uns dazu antreibt, den einen oder anderen Stein dahin und dorthin zu werfen, damit die Herde sich nicht zerstreut; wie Er uns mit seinem liebevollen Pfiff in der Frömmigkeit beisteht.

Danke, Herr, denn ohne wirkliche Liebe hätte die Hingabe keinen Sinn. Die Seele mit Christus erfüllt – so müssen wir immer leben, und so wird unser Herz imstande sein, alle Dinge der Erde gereinigt aufzugreifen. Und so wird aus diesem Herzen, das Dein vielgeliebtes und erbarmungsreiches Herz widerspiegeln wird, Licht hervortreten, Salz, Feuer, das alles verzehrt.

Wenden wir uns an Maria, die Königin des Opus Dei. Bedenkt, dass diese Mutter glücklicherweise nicht stirbt. Sie kennt unsere Unzulänglichkeit. Für sie sind wir immer kleine Kinder, die in ihrem Schoß ausruhen können.

Meine Töchter und Söhne, wir alle haben in der Seele ein Auf und Ab. Es gibt Momente, in denen der Herr uns die menschliche Begeisterung nimmt: Wir fühlen uns müde, es scheint, als wollte der Pessimismus die Seele einschläfern, und wir spüren, dass uns etwas die Sehkraft nehmen will, so dass wir nur die Schatten des Bildes wahrnehmen. Dann ist die Stunde gekommen, mit Aufrichtigkeit zu sprechen und sich wie ein Kind an der Hand führen zu lassen.

Deswegen gibt es regelmäßig das vertrauensvolle brüderliche Gespräch. Deswegen gibt es die Beichte, die ihr, weil ihr guten Geist habt, immer bei einem Priester des Werkes ablegt, wenn ihr könnt. Wenn ihr zu reagieren sucht, werden die hellen Stellen des Bildes sofort wieder sichtbar, und wir werden verstehen, dass jene Schatten zur Vorsehung gehören, denn ohne sie würde dem Bild unseres Lebens das Relief fehlen. »Wer im Schutz des Höchsten wohnt und ruht im Schatten des Allmächtigen, der spricht zu Gott: Mein Hort bist Du und meine Burg; mein Gott, dem ich vertraue. Denn Er rettet ihn aus der Schlinge des Jägers und aus allem Verderben. Er beschirmt ihn mit seinen Flügeln, unter seinen Schwingen gewährt Er ihm Zuflucht. Schild und Schutz ist dir seine Treue.«15

Ich bitte Jesus auf die Fürsprache seiner heiligen Mutter und des heiligen Josef, unseres Vaters und Herrn, den ich so sehr liebe, dass ihr mich versteht. Immer, aber noch viel mehr in diesen Augenblicken, wäre es Verrat, nicht wachsam zu sein, Konzessionen zu machen, die kleinste Untreue zuzulassen. Wenn es so viele unloyale Menschen gibt, sind wir um so mehr verpflichtet, unserer Liebesbindung treu zu bleiben. Macht euch nichts daraus, wenn es euch vorkommt, dass ihr andere Motive verloren habt, die euch früher halfen voranzukommen, und dass euch jetzt nur mehr dieses eine bleibt: die Loyalität Gott gegenüber.

Loyalität! Treue! Rechtschaffenheit! Im Großen und im Kleinen, wo es um wenig geht und wo es um viel geht. Kämpfen wollen, auch wenn es manchmal scheint, als könnten wir nicht wollen. Wenn der Moment der Schwäche kommt, so öffnet die Seele ganz weit und lasst euch sanft führen: heute steige ich zwei Stufen hoch, morgen vier … tags darauf vielleicht keine, weil uns die Kräfte verlassen haben. Aber wir wollen wollen. Wir haben wenigstens den Wunsch zu wünschen. Meine Kinder, das heißt schon kämpfen.

Sollte einer nicht entschlossen sein, seinen Verpflichtungen beharrlich nachzukommen, fest im Glauben zu bleiben und tadellos in seinem Verhalten, so würde ich ihm raten, er soll aufhören zu heucheln, er soll weggehen und uns in Ruhe auf unserem Weg ziehen lassen. In meiner Heimat sagt man: Entweder ordentlich oder gar nicht. Entweder die Pflichten erfüllen, wie es sich für einen Christen gehört, oder den Platz verlassen, an dem man nichts tut.

Unsere übernatürliche Aufgabe ist es, Gott wahrhaft zu lieben, denn dafür hat Er uns ein Herz gegeben und es ganz für sich beansprucht. Wir können uns nicht verstellen: Ich weiß, dass keines meiner Kinder das tun wird. Trotzdem bestehe ich darauf: Wenn ihr nicht betrachtet, was ich euch sage, wenn ihr euch nicht bemüht, aufmerksam zu sein, dann werdet ihr die Zeit verlieren und der Kirche und dem Werk großen Schaden zufügen. Der Herr wartet immer auf unsere Antwort, Töchter und Söhne meiner Seele, und dabei rechnet Er damit, dass wir zerbrechlich sind und jeder Erbärmlichkeit fähig. Deshalb hilft Er uns immer: »Weil er auf mich vertraut hat, rette ich ihn; ich schütze ihn, weil er meinen Namen kennt«16, sagt der Psalm.

Herr, Du bist froh, wenn wir uns mit unserem Aussatz an Dich wenden, mit unserer Schwäche, mit unserem Schmerz und mit unserer Reue; wenn wir Dir unsere Wunden zeigen, damit Du sie heilst, damit Du die Hässlichkeit unseres Lebens zum Verschwinden bringst. Sei gepriesen!

Mach, dass alle meine Kinder verstehen, dass wir die Pflicht haben, Dir Genugtuung zu leisten, auch wenn wir aus trockenem Lehm sind, manchmal zerbrechen und es notwendig ist, dass uns die anderen stützen. Hilf uns, unseren Liebespflichten treu zu bleiben, denn Du bist die Stärke, auf die unsere Schwäche angewiesen ist, besonders wenn man der Grausamkeit der Feinde in der Schlacht ausgesetzt ist.

Ich fasse den Vorsatz, aufs neue fünf Marienheiligtümer in Buße und Danksagung zu besuchen, wenn Du endlich Abhilfe schaffst – damit beginnst, Abhilfe zu schaffen. Ich weiß schon, dass Du als erstes willst, dass wir uns an Deine Mutter wenden – »Ecce Mater tua!«24 – und an unsere Mutter. Ich werde es im Geist der Liebe, der Dankbarkeit und der Wiedergutmachung tun, ohne Aufsehen.

Gib, dass wir hart gegen uns selbst sind und verständnisvoll gegenüber den anderen. Gib, dass wir nicht müde werden, die gute Glaubenslehre in das Herz der Seelen zu säen, »opportune, importune«25, jederzeit, mit unseren Gedanken, die uns in Deine Gegenwart versetzen, mit unseren brennenden Wünschen, mit unserem stürmischen Wort, mit unserem Leben als Deine Kinder.

Gib, dass wir allen bewusst machen, dass es die herrliche, wunderbare Möglichkeit gibt, mit Dir Umgang zu pflegen, ohne Gefühlsduselei. Das, was Du uns gibst – suche ich es mit Freuden? Herr, sei gepriesen! Wenn Du nicht willst, dann gib uns diesen Trost nicht, aber wir können nicht denken, dass es schlecht ist, ihn zu wünschen. Es ist gut, wie wenn wir den Geschmack einer Frucht begehren, einer Nahrung. Kinder, es gehört zu Gottes Wirkweise, dass Er diesen Ansporn gibt.

Gib, dass uns die göttlichen Tröstungen nicht fehlen und wir – wenn Du willst, dass wir ihrer entbehren – begreifen, dass Du uns wie Erwachsene behandelst, statt uns wie einem Neugeborenen Milch zu geben oder einen Brei wie dem Kleinkind, das gerade die ersten Zähne bekommen hat. Gewähre uns die Gelassenheit, die daher kommt, dass wir verstehen, dass Du uns feste Nahrung gibst, weil wir uns schon allein zurechtfinden können. Aber ich bitte Dich, dass Du uns gnädig eine Fingerspitze voll Honig gewährst, denn diese Zeit ist so leidvoll für alle.

Ich bitte Dich durch die Vermittlung Mariens und nehme meinen Vater und Herrn, den heiligen Josef, als Fürsprecher, ich rufe zu allen Engeln und Heiligen und zu den Seelen, die in Deiner Glorie sind und sich Deiner Anschauung erfreuen, sie mögen für uns eintreten, damit Du uns die Gaben des Heiligen Geistes sendest.

Ich bitte Dich auch, uns begreifen zu lassen, dass Du es bist, der im Sakrament des Altares zu uns kommt, und dass Du, mein Gott, nicht weggehst, wenn sich die eucharistischen Gestalten auflösen: Du bleibst! Dann beginnt in uns das Wirken des Trösters. Und niemals ist eine Person allein: da sind die Drei, der einzige Gott. Dieser Leib und diese Seele, dieses arme Geschöpf, dieser arme Mensch, der ich bin, soll sich immer dessen bewusst sein, dass er gleichsam ein Tabernakel ist, in dem die Heiligste Dreifaltigkeit wohnt.

Meine Töchter und Söhne, sprecht mit mir: Ich glaube an Gott Vater, ich glaube an Gott Sohn, ich glaube an Gott Heiliger Geist, ich glaube an die Heiligste Dreifaltigkeit. Und mit der Hilfe meiner Mutter, der heiligen Maria, werde ich kämpfen, um so voller Liebe zu sein, dass ich in dieser Wüste zu einer großen Oase werde, in der Gott Erquickung finden kann. »Cor contritum et humiliatum, Deus, non despicies!«26 Der Herr lässt die bußfertigen und demütigen Herzen nicht im Stich.

Mir, der ich so vieles erlebt habe, kommt es wie ein Traum vor, wenn ich diese herrliche Wirklichkeit unseres Opus Dei betrachte und mich von der Loyalität meiner Kinder gegenüber Gott, der Kirche und dem Werk überzeuge. Es ist logisch, dass manchmal jemand auf der Strecke bleibt. Wir geben zwar allen die richtige Nahrung, aber trotz der größten Sorgfalt bei der diätetischen Auswahl der Speisen wird nicht alles verarbeitet. Das heißt nicht, dass sie schlechte Menschen sind. Diese Armen kommen später mit riesigen Tränen in den Augen, aber dann ist es zu spät.

Dieses Unglück kann uns allen zustoßen, meine Töchter und Söhne, auch mir. Solange ich auf Erden bin, bin auch ich imstande, eine große Dummheit zu begehen. Mit der Gnade Gottes und euren Gebeten, mit dem bisschen Anstrengung, das ich aufbringe, wird es mir aber nie zustoßen.

Es gibt niemanden, der vor dieser Gefahr gefeit wäre. Aber wenn wir darüber sprechen, passiert nichts. Unterlasst es nie zu sprechen, wenn euch etwas zustößt, von dem ihr lieber hättet, dass niemand davon etwas erführe. Erzählt es sofort. Besser schon im Vorfeld, und wenn nicht, dann nachher. Aber sprecht. Vergesst nicht, dass die größte Sünde der Stolz ist. Er verblendet am meisten. Es gibt einen alten asketischen Merksatz, der lautet: Unzucht verbirgt sich, Stolz verrät sich.

Ich werde nie müde werden, euch auf die Bedeutung der Demut hinzuweisen, denn der Feind der Liebe ist immer der Stolz. Er ist die übelste Leidenschaft. Er ist jener Geist der grundlosen Begründungen, der sich im Innersten unserer Seele verborgen hält und uns einredet, wir hätten recht, während die anderen im Irrtum wären. Dabei stimmt das nur ausnahmsweise.

Seid demütig, meine Kinder. Nicht mit der unterwürfigen Demut derer, die auf der Straße gebückt einherzugehen pflegen. Eine martialische Haltung des Körpers ist durchaus mit der Demut vereinbar. So werdet ihr einen starken, ungebrochenen Willen haben; einen ausgeglichenen Charakter, nicht einen schwächlichen; einen, der herausgemeißelt und nicht bloß angedeutet ist. Und das Gefäß wird nicht zerbrechen.

Seid treu, seid loyal! Im Leben werdet ihr oft Gelegenheit haben, nicht treu und nicht loyal zu sein, denn wir sind keine Treibhausgewächse. Wir sind der Kälte und der Hitze, dem Schnee und dem Sturm ausgesetzt. Wir sind Bäume, die manchmal von Staub bedeckt sind, weil sie allen Winden trotzen, die aber sauber und herrlich werden, sobald die Gnade Gottes wie ein Regen über sie kommt. Lasst euch durch nichts erschrecken. Wenn ihr nicht hochmütig seid – ich wiederhole es –, werdet ihr immer vorankommen!

Und wie könnt ihr alles richtig machen, um der Liebe dieser schönen Mutter, die das Werk ist, zu entsprechen, um loyal zu sein? Das ist ganz einfach, ganz einfach. Zunächst einmal müsst ihr – ohne Widerrede – gestatten, dass an euch gearbeitet wird, denn ihr kennt euch nicht. Ich bin schon siebzig Jahre alt, und noch immer kenne ich mich selbst nicht wirklich. Da wird es auch mit eurer Selbsterkenntnis nicht so weit her sein!

Mir erteilt man keine brüderliche Zurechtweisung, aber zwei eurer Brüder sagen mir mit aller Klarheit, was sie für angezeigt halten, und ich bin ihnen dafür von ganzer Seele dankbar. Die brüderliche Zurechtweisung muss geübt werden! Sie ist ein ganz feiner Liebeserweis, wenn sie unter den Bedingungen erfolgt, die wir aufgestellt haben, damit sie nicht unangenehm ist. Sie ist unangenehm für den, der sie erteilt; der sie empfängt hingegen, muss dankbar dafür sein, so wie man dem Arzt dankbar ist, der sich mit dem Messer an eine infizierte Wunde heranmacht, um sie zu heilen.

Ferner müsst ihr selber etwas tun. Unzählige Male habe ich euch gesagt, dass niemand, der zum Werk kommt, seine Persönlichkeit einbüßt; dass die Vielfalt, dass der gesunde Pluralismus Ausdruck des guten Geistes ist. Handelt also selbständig – niemand wird es euch verwehren. Das Opus Dei respektiert vollkommen die Eigenart eines jeden seiner Kinder. Wir verlieren in gewisser Weise die Freiheit, ohne sie zu verlieren, weil es uns so passt. Das ist der übernatürlichste Grund: weil es uns so passt, aus Liebe.

Und dann hat Gott uns über die Wege unseres inneren Lebens geführt, über die spezifischen Wege. Was habe ich gesucht? Cor Mariae Dulcissimum, iter para tutum! Ich suchte die Macht der Mutter Gottes, wie ein kleiner Junge, auf den Wegen der Kindschaft. Und ich wandte mich an den heiligen Josef, meinen Vater und Herrn. Ich sah ihn gern in seiner Macht vor mir, in seiner großen Macht als Oberhaupt jener göttlichen Sippe. Gott selbst hat ihm gehorcht: erat subditus illis2. Und ich wandte mich in aller Einfalt an die Heiligen, in einem schrecklichen, aber frommen Latein: Sancte Nicolaë, curam domus age! Und ich suchte die Andacht zu den heiligen Schutzengeln, denn es war an einem 2. Oktober, als jene Glocken der Kirche Unsere Liebe Frau von den Engeln läuteten, einer Madrider Pfarrei bei Cuatro Caminos … Ich befand mich an einem Ort, der heute fast vollständig verschwunden ist, genauso wie jene Glocken; nur eine ist erhalten geblieben, sie befindet sich jetzt in Torreciudad. Ich wandte mich vertrauensvoll und in kindlicher Einfalt an die heiligen Schutzengel, ohne zu bemerken, dass Gott mich über Wege der geistlichen Kindschaft führte. Ihr braucht mich da nicht nachzuahmen: Es lebe die Freiheit!

Was kann ein Geschöpf tun, das eine Sendung zu erfüllen hat, aber über keine Mittel verfügt? Das nicht das Alter hat, nicht das Wissen, nicht die Tugenden, nichts? Es geht zu seiner Mutter und zu seinem Vater; es wendet sich an Personen, die etwas vermögen, es bittet die Freunde um Hilfe … Das tat ich im geistlichen Leben. Allerdings im Rhythmus der Bußgeißel, die den Takt angab. Aber nicht immer. Es gab Zeiten, in denen es nicht so war.

Meine Kinder, ich erzähle euch ein wenig vom Inhalt meines Gebetes heute früh; damit ich mich schäme, dankbar bin und mehr liebe. Alles, was bis jetzt in Europa, in Asien, in Afrika, in Amerika, in Ozeanien gemacht wurde, ist viel, und doch ist es wenig. Alles ist das Werk Jesu, unseres Herrn. Alles hat unser Vater im Himmel vollbracht.

Wenn manche mich so reden hörten – ältere, gesetzte, gebildete Leute –, würden sie sagen: Dieser Mann ist verrückt! So ist es. Ich bin verrückt. Deo gratias! Unserem Herrn sei gedankt für diese Verrücktheit der Liebe, die ich oftmals nicht fühle, meine Kinder. Sogar menschlich gesprochen bin ich der am wenigsten einsame Mensch auf der Welt. Ich weiß, dass man überall für mich betet, damit ich gut und treu bin. Und doch fühle ich mich manchmal so einsam … Immer hat es auf die jeweils passende Weise, providentiell und ununterbrochen, Brüder von euch gegeben, die für mich mehr als Söhne waren, die wie Väter gewesen sind, als ich den Trost und die Stärke eines Vaters brauchte.

Meine Kinder, all unsere Stärke ist geliehen. Wir müssen kämpfen! Gebt euch keinen Illusionen hin. Wenn wir kämpfen, dann wird alles vorangehen. Vor euch liegt ein so großes Stück Weges, das schon gebahnt wurde, so dass ihr euch nicht mehr verirren könnt. Mit dem, was wir auf theologischem Gebiet getan haben – es ist eine neue Theologie, meine Lieben, und eine gute – und auf juridischem Gebiet; mit dem, was wir mit der Gnade des Herrn und seiner Mutter, durch die Umsicht unseres Vaters und Herrn, des heiligen Josef, mit der Hilfe der Schutzengel getan haben, könnt ihr euch nicht mehr verirren, außer ihr habt bösen Willen.

Wir wollen Gott danken. Und ihr wisst, dass ich nicht notwendig bin und nie notwendig war.

Vorwärts! Ich weiß nicht, warum ihr so schweigsam seid. Jetzt seid ihr zu reden an der Reihe.

Anmerkungen
3

Spr 8, 31.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
2

Lk 12, 32: kleine Herde.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
15

Ps 90, 1-4.

16

Ps 90, 14.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
24

Vgl. Joh 19, 27.

25

2 Tim 4, 2.

26

Ps 50, 19.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
2

Lk 2, 51.

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