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Und weiter. Die Ziele, die wir uns gemeinsam vornehmen, sind die Heiligkeit und das Apostolat. Um diese Ziele erreichen zu können, benötigen wir vor allem Bildung, für unsere Heiligkeit genauso wie für das Apostolat. Und für diese Bildung brauchen wir Zeit, den passenden Ort, die passenden Mittel. Erwarten wir keine außergewöhnlichen Erleuchtungen von Gott, die Er uns aus keinem Grund zu gewähren braucht; Er gibt uns menschliche Mittel an die Hand, die konkret sind und uns selber zum Handeln befähigen, wie das Studium und die Arbeit. Man muss sich bilden, man muss studieren. Auf diese Weise bereitet ihr euch auf eure Heiligkeit vor, für jetzt und für später, und auf das Apostolat, das die Menschen konkret in den Blick nimmt.
Habt ihr nicht gesehen, wie man den Sauerteig zubereitet, wie man ihn bei einer bestimmten Temperatur zunächst unter Verschluss hält, um ihn nachher der Masse beizumengen …? Ich zähle auf euch wie auf den stärksten Motor, um die Arbeit in der ganzen Welt voranzubringen. Keiner von euch ist unwirksam: Ihr alle seid sehr wirksam, allein dadurch, dass ihr die Normen erfüllt, dass ihr studiert, dass ihr arbeitet, dass ihr gehorcht.
Ich verstehe fast gar nichts von radioaktivem Material, und mein spärliches Wissen stammt nur aus den Zeitungen. Aber ich habe Fotos gesehen, und ich weiß, dass man dieses Material, wenn nötig, viele Meter unter die Erde schafft, mit schweren Bleiplatten abdeckt und mit dicken Betonmauern sichert. Und trotz allem entfaltet es seine radioaktive Wirkung. Man schafft es dahin und dorthin, setzt es bei Menschen zur Heilung von Tumoren ein und verwendet es für vieles andere. Es wirkt auf tausenderlei wunderbare Weisen und besitzt außergewöhnliche Wirksamkeit. Genauso effektiv seid auch ihr, meine Kinder, wenn ihr euch den Arbeiten innerhalb des Werkes widmet oder in den Bildungszentren des Werkes arbeitet. Ja, ihr seid noch wirksamer, denn ihr besitzt die Wirksamkeit Gottes, wenn ihr durch eure Hingabe vergöttlicht werdet wie Christus, der sich selbst entäußert hat.10 Auch wir entäußern uns und verlieren scheinbar die Freiheit, während wir in Wahrheit zur Fülle der Freiheit gelangen, zur Freiheit der Kinder Gottes.11
Bildung ist also nötig, um die entsprechenden Inhalte zu vermitteln. Bildung ist auch für eure persönliche Heiligkeit erforderlich; eine Bildung, die mit dem nötigen Zeitaufwand erworben wird, am passenden Ort und mit den geeigneten Mitteln – aber mit dem Blick auf die ganze Welt, auf alle Menschen, indem ihr an alle Seelen denkt. Und wenn Brüder von euch in neue Länder gehen, werden sie sich nicht allein fühlen, denn von hier aus, innerhalb dieser Mauern, die aus Stein zu sein scheinen und die doch aus Liebe sind, werdet ihr ihnen die ganze Wirksamkeit eurer Heiligkeit und eurer Hingabe zukommen lassen. Dadurch erreicht ihr, dass diese eure Brüder zutiefst eure Nähe spüren. Und dann wird der Moment kommen, wo es heißt: »ite, docete omnes gentes …«12, geht hin und lehrt alle Völker. Es ist das Apostolat der Lehre, das ihr durch euer Beispiel inmitten eurer beruflichen Arbeit vollbringt. Mit welcher Freude werde ich dann euch, wenn auch ihr aufbrecht, einige Worte mit auf den Weg geben …!
Kinder meiner Seele! Ihr wisst, dass der Vater die Freiheit sehr liebt. Ich möchte niemanden zwingen, und ich bin dagegen, dass man jemanden zwingt. Kein Mensch darf einem anderen die Freiheit nehmen, die Gott uns als Gabe geschenkt hat. Und wenn das so ist, dann überlegt, ob ich euch je zwingen werde … Im Gegenteil! Ich bin der Verteidiger der Freiheit eines jeden von euch, die ihr innerhalb des Bootes seid … innerhalb des Bootes und ohne Flugzeug.
Aber die Zeit des Gebetes läuft uns davon, und ich möchte euch noch vieles anderes sagen.
Ich habe ein paar alte Notizen gefunden, die mir oftmals dazu gedient haben, zu euren Brüdern zu sprechen, die jetzt schon zu den Älteren gehören. Darunter findet sich ein Text des Apostels an die Korinther, in dem es heißt: »Modicum fermentum totam massam corrumpit«1. Seht ihr? Ein bisschen Hefe durchsäuert den ganzen Teig.
Kinder meiner Seele! Wenn das Opus Dei in der großen Masse der Menschen – uns interessieren alle Seelen – Sauerteig ist, dann seid ihr durch die bevorzugende Liebe des Herrn Sauerteig und Hefe innerhalb des Opus Dei. Ihr seid hier, um euch mit Hilfe der göttlichen Gnade und eures Mitwirkens darauf vorzubereiten, an allen Orten der Welt der Sauerteig zu sein, der Wohlgeschmack verleiht und den Teig aufgehen lässt, so dass dieses Brot Christi allen Menschen zur Nahrung dienen kann.
Ihr seid mit dem festen Entschluss hierhergekommen, euch ausbilden zu lassen. Diese Bildung wird die Persönlichkeit jedes einzelnen von euch mit ihren besonderen Merkmalen verbessern und euch so den gemeinsamen Nenner vermitteln, dieses Blut unserer übernatürlichen Familie, das bei allen gleich ist. Wenn wir das erreichen wollen, dann musst du, mein Sohn – ich rede jetzt zu dir allein –, bereit sein, dich den modellierenden Händen der Leiter zu überlassen, wie der Ton sich den Händen des Töpfers überlässt. Und du wirst dich bearbeiten, zurechtschneiden und polieren lassen. Sollte das bisher nicht so gewesen sein, dann ist jetzt der Augenblick gekommen, dich darauf einzulassen und dem Herrn zu sagen, dass du dich Ihm auslieferst mit der Fügsamkeit, mit der es eine Handvoll Ton zulässt, dass die Finger des Künstlers sie bearbeiten.
Während ich spreche, wobei Jesus vom Tabernakel aus den Vorsitz führt, wie Er unter den Aposteln den Vorsitz innehatte, hältst du dein Gebet und nimmst dir konkrete Vorsätze vor, die dazu dienen sollen, deinen großen Vorsatz, nämlich die Liebe selbst, Wirklichkeit werden zu lassen. Es gibt schwierige Augenblicke im Leben, in denen dieser konkrete Vorsatz dir sehr helfen wird, auch wenn ich so oft gesagt habe, dass es vielfach gar nicht nötig ist, sich ihn eigens vorzunehmen. Welchen konkreten Vorsatz hat denn meine Mutter gefasst, um mich so liebevoll zu behandeln, wie sie es tat? Sie hat mich einfach so gerngehabt, dass sie keinen Vorsatz brauchte. Du aber brauchst ihn jetzt. Deshalb bitte ich dich, einen konkreten Vorsatz zu fassen: Herr, mit Deiner Gnade und mit der Hilfe unserer himmlischen Mutter will ich, der ich mich in diesem großen Fischernetz, in diesem großen Boot des Opus Dei befinde, zulassen, dass die Hände der Leiter mich gestalten, damit ich schön werde in Deinen Augen: stark, kräftig, wirksam! Und damit es in meinem ganzen inneren Leben und in meiner Arbeit wirklich dieses reine, übernatürliche Fließen des Blutes unserer Familie gibt.
Wer von euch hat schon einmal gesehen, was in einer Klinik geschieht, wenn operiert werden muss? Welche Sorgfalt man aufwendet, wie man auf die Sterilität achtet, wie die Ärzte auf außerordentliche Sauberkeit bedacht sind und tausend Kleinigkeiten beachten, von denen viele von euch sicherlich mehr wissen als ich. Du musst zulassen, dass man mit dir genauso verfährt. Man wird dir, weil sie stören, die Kleider ausziehen. Später wird man sie dir vielleicht wieder zurückgeben, nachdem man sie im Sterilisator desinfiziert hat. Und dann werden die Ärzte vielleicht, weil sie es gut mit dir meinen, zum Skalpell greifen müssen. Dann wirst du zu Jesus sagen: »Sicut lutum in manu figuli!«2; wie Ton in den Händen des Töpfers, so möchte ich in den Händen der Leiter sein. Ich setze alles daran und lasse es freiwillig zu, dass sie wegschneiden, operieren, heilen und mich umformen, wenn es notwendig ist.
Möchtest du, dass wir uns jetzt weiter mit den Stellen der Heiligen Schrift beschäftigen, in denen wir die Apostel bei ihren Netzen und ihren Booten antreffen? Möchtest du, dass wir uns an ihrem Tun beteiligen und aus dem Munde Christi selbst die göttliche Lehre vernehmen?
»Er sagte zu Simon: Fahrt hinaus auf den See und werft eure Netze zum Fang aus! Simon antwortete Ihm: Meister, wir haben uns die ganze Nacht abgemüht und nichts gefangen.«6 Mit diesen Worten gestehen die Apostel ihre Ohnmacht ein. Eine ganze Nacht lang hatten sie gearbeitet und keinen einzigen Fisch gefangen. Das passiert auch dir und mir. Wir sind arme Menschen, die hochmütig sind. Wenn wir allein arbeiten möchten, wenn es nach unserem Willen gehen soll, wir uns vom eigenen Urteil leiten lassen, dann heißt das Ergebnis, das wir erzielen: Unfruchtbarkeit.
Aber hören wir Petrus weiter zu: »Doch wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen.«7 Und auf einmal ist das Meer voll, ja übervoll von Fischen, so dass die anderen Boote zu Hilfe kommen müssen, um die Menge Fische einzuholen. Siehst du? Wenn du dein Nichts und deine Unwirksamkeit zugibst und dich leiten lässt, statt dich auf das eigene Urteil zu verlassen, wirst nicht nur du wunderbare Früchte ernten, sondern werden auch die anderen aus deiner Fülle überreiche Früchte empfangen. Wieviel Gutes und wieviel Böses kannst du tun! Gutes, wenn du demütig bist und dich mit Freude und Opfergeist hinzugeben weißt; Gutes für dich und für deine Brüder, für die Kirche, für diese gute Mutter, das Werk. Und wieviel Böses, wenn du dich von deinem Hochmut leiten lässt. Dann wirst du sagen müssen: »Nihil cepimus!«8, nichts habe ich zustande gebracht! In der Nacht, in vollkommener Dunkelheit.
Mein Sohn, du bist vielleicht noch jung. Bei mir jedoch gibt es mehr Dinge, für die ich den Herrn um Verzeihung bitten muss, obwohl auch du deine verborgenen Winkel haben wirst, deine Niederlagen, deine Erfahrungen … Sage Jesus, dass du »wie der Ton in der Hand des Töpfers«9 sein willst, um gefügig und widerstandslos jene Formung anzunehmen, die das Werk dir auf mütterliche Weise zukommen lässt.
Ich sehe, dass du guten Willens bist und den echten Wunsch hast, heilig zu werden. Aber ich möchte dich daran erinnern, dass es, um heilig zu werden, erforderlich ist, dich in der Glaubenslehre gut auszukennen. Ferner müssen wir verstanden haben, die entsprechende Zeit an den entsprechenden Orten darauf zu verwenden, Kopf und Herz, das heißt dem ganzen Leben, das nötige Rüstzeug mitzugeben, um weiterhin mit Christus und den ersten Zwölf Seelenfischer zu sein.
Wir denken an unser Elend und halten uns vor Augen, wie oft wir wegen unseres Hochmuts gescheitert sind. Und vor der Majestät dieses Gottes, vor Christus, dem Fischer, müssen wir dasselbe sagen wie der heilige Petrus: »Herr, ich bin ein Sünder.«10 Dann wird Jesus Christus dir und mir dasselbe wiederholen, was er damals zu Simon Petrus gesagt hat: »Von nun an wirst du Menschen fangen«11, mit göttlichem Auftrag, mit göttlicher Sendung, mit göttlicher Wirksamkeit.
In diesem Meer der Welt befinden sich mitten in den aufgewühlten Wogen sehr viele Seelen. Aber höre die Worte des Jeremias: »Seht, ich hole viele Fischer – euch und mich –, die sollen sie fangen«12, mit dem Verlangen, alle Seelen zu retten, mit göttlicher Sorgfalt.
Werdet ihr, wirst du, mein Sohn, das Wirken Jesu behindern, oder wirst du es erleichtern? Setzt du dein Glück aufs Spiel, oder möchtest du treu sein, dem Willen des Herrn entsprechen und voll Wirksamkeit als Menschenfischer mit einer göttlichen Sendung über alle Meere fahren? Los, mein Sohn, auf zum Fischfang!
Ich schließe unser Gebet mit denselben Worten, mit denen ich es begonnen habe: Du bist der Sauerteig, der den ganzen Teig durchsäuert. Lass dich zubereiten. Vergiss nicht, dass du mit der Gnade deiner Berufung und mit deiner Hingabe, die die Antwort auf diese Gnade ist, kleine Hefe, kleiner Sauerteig sein kannst und dass du bewirken kannst, dass die ganze Masse der Menschen durchsäuert wird. Du stehst dabei unter dem Schutzmantel unserer Mutter, der heiligen Maria, die es stets verstanden hat, dich inmitten der Wogen zu behüten. Du bist unter dem Schutz und Schirm unserer himmlischen Mutter und wirst ebenfalls jene Sehnsucht erfahren, die mich schreiben ließ: omnes – alle!, keine einzige Seele darf verlorengehen! –, omnes cum Petro ad Iesum per Mariam!
Ihr seid mit dem Entschluss zum Opus Dei gekommen, Kinder meiner Seele – lasst mich euch einmal mehr daran erinnern –, euch formen zu lassen, euch darauf vorzubereiten, Sauerteig zu werden, der die große Masse der Menschheit durchsäuern wird. Diese Formung erlaubt einerseits die Ausprägung eurer Persönlichkeit mit ihren charakteristischen Merkmalen und verleiht euch andrerseits einen gemeinsamen Nenner, den des Geistes unserer Familie, der für alle derselbe ist. Zu diesem Zweck müsst ihr, ich sage es nochmals, bereit sein, euch den Händen der Leiter zu überantworten und euch übernatürlich formen zu lassen wie der Ton in den Händen des Töpfers.
Schaut, meine Kinder, wir sind alle in diesem Netz, und das Netz ist im Boot, das heißt im Opus Dei. Wir haben eine wunderbare Bereitschaft zur Demut, zur Hingabe, zur Arbeit, zur Liebe. Ist das nicht herrlich? Hast du das vielleicht verdient? Gott hat dich doch irgendwo aufgelesen, auf der Straße, als Er vorüberging! Wir sind keine Besonderheit, wir sind keine Elite. Er hätte andere, Bessere suchen können, als wir es sind. Aber Er hat uns erwählt, und das zu bedenken ist nicht Hochmut, sondern Dankbarkeit.
Unsere Antwort muss sein: Ich werde mich besser erkennen lassen, werde mich mehr leiten, reinigen, gestalten lassen! Niemals will ich mich aus Hochmut auflehnen, wenn ich einen Hinweis erhalte, der dazu dient, mein inneres Leben zu verbessern; ich will nicht mein eigenes Urteil höher stellen – es kann nicht richtig sein, weil niemand Richter in eigener Sache ist – als das Urteil der Leiter; die liebevolle Mahnung meiner Brüder, die mir durch die brüderliche Zurechtweisung helfen, darf mich nicht empören.
Ich komme zum Schluss, meine Töchter und Söhne, und rufe euch jenen Text der Heiligen Schrift ins Gedächtnis, der in unserem Mund süß wie Honig schmeckt: »elegit nos in ipso ante mundi constitutionem, ut essemus sancti et immaculati in conspectu eius«7. Der Herr hat jeden einzelnen von uns erwählt, damit wir heilig seien in seiner Gegenwart. Und das noch vor Erschaffung der Welt, von aller Ewigkeit her. Das ist die wunderbare Vorsehung unseres Vaters Gott. Wenn ihr auf Ihn eingeht, wenn ihr kämpft, dann werdet ihr auch auf Erden ein glückliches Leben führen. Sicherlich wird es Momente der Dunkelheit geben, ein paar schmerzvolle Augenblicke, die ihr jedoch nicht übertreiben dürft; denn sie verschwinden, sobald wir das Herz öffnen. Ihr müsst mir doch zugeben, dass ihr wieder ruhig, gelassen und froh seid, sobald ihr erzählt habt, was euch Sorge bereitet oder euch peinlich ist.
Auf diese Weise werden wir überdies niemals allein sein. »Vae solis!«8 Wehe dem, der allein ist, sagt die Heilige Schrift. Wir sind niemals allein, in welchen Umständen auch immer. An jedem Ort der Erde nehmen uns unsere Geschwister liebevoll auf; sie hören uns zu und verstehen uns. Immer begleiten uns der Herr und seine heiligste Mutter. Und in unserer Seele im Stande der Gnade lebt, wie in einem Tempel, der Heilige Geist, Gott mit uns.
Ich vergleiche unsere Seele gern mit einem Gefäß, das Gott, unser Herr, gemacht hat, damit es eine Essenz aufnehmen kann, die Essenz der Weisheit, die eine Gabe ist, eine sehr große Gnade des Heiligen Geistes. Die Weisheit, meine Töchter und Söhne, ist ein »Hauch der göttlichen Macht und ein reiner Ausfluss der Herrlichkeit des allmächtigen Gottes, weshalb es an ihr nichts Beflecktes gibt. Sie ist der Widerschein des ewigen Lichtes, der ungetrübte Spiegel göttlichen Tuns, das Abbild seiner Güte. Sie ist nur eine und vermag doch alles. Ohne sich zu ändern, erneuert sie alles. Von Geschlecht zu Geschlecht wird sie ausgegossen in die heiligen Seelen.«1
Bewundert die Schönheit der Gabe der Weisheit, die der Heilige Geist mit seiner Gnade großzügig unseren Herzen eingießt. So wunderbar ist diese Gabe, »dass Gott nur den liebt, der mit der Weisheit zusammenwohnt«2.
Ich will euch in Erinnerung rufen, was die Heilige Schrift sagt, dass zugleich mit der Weisheit alle Güter kommen. Deshalb müssen wir den Heiligen Geist um sie bitten für jeden von uns und für alle Christen. »Ich rief zum Herrn«, so lesen wir im Buch der Weisheit, »und der Geist der Weisheit kam über mich. Und ich zog sie Zeptern und Thronen vor und achtete den Reichtum für nichts im Vergleich mit ihr. Keinen Edelstein stelle ich ihr gleich, denn alles Gold erscheint neben ihr wie ein Sandkorn, und Silber gilt ihr gegenüber so viel wie Lehm. Ich liebte sie mehr als Gesundheit und Schönheit und zog ihren Besitz dem Lichte vor, denn niemals erlischt der Glanz, der von ihr ausgeht. Alle Güter kamen mir zusammen mit ihr, und unschätzbarer Reichtum lag in ihren Händen.«3 Mit anderen Worten können wir sagen, dass mit dem Geist des Opus Dei zugleich auch alle Güter in eine Seele kommen; denn diese unsere Art, mit dem Blick auf Gott zu leben – ohne uns in der Anonymität zu verstecken, ohne uns darum zu kümmern, ob man uns sieht oder hört, darauf bedacht, unserem Gewissen gemäß mit lauterer Absicht zu handeln – ist Weisheit.
Wenn wir der Berufung treu sind, meine Töchter und Söhne, wird sich dieser Geist der Weisheit auf uns alle niederlassen, denn der Herr teilt ihn mit vollen Händen an jene aus, die Ihn mit aufrechtem Herzen suchen. Um wirklich weise zu sein – das habe ich euch oft gesagt –, braucht man keine umfangreiche kulturelle Bildung. Wenn ihr sie habt, gut; wenn nicht, auch gut, solange ihr treu seid, denn ihr werdet immer die Hilfe des Heiligen Geistes empfangen. Außerdem werdet ihr, wenn ihr an den Bildungsmitteln, die euch das Werk zur Verfügung stellt, teilnehmt, wenn ihr die Tagungen, Jahreskurse und Einkehrstunden ausnützt, eine so gründliche theologische Bildung erlangen, dass sie sich mit der eines guten Priesters messen kann.
Ihr braucht aber keine großen wissenschaftlichen Kenntnisse. Es gibt ein Wissen, das man nur mit Heiligkeit erreicht. Und es gibt verborgene, verkannte, zutiefst demütige, opferwillige, heilige Seelen mit einem wunderbaren Gespür für das Übernatürliche: »Ich preise Dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil Du dies vor den Weisen und Klugen verborgen, den Kleinen aber geoffenbart hast.«4 Mit einem übernatürlichen Sinn, der der Aufgeblasenheit vorgeblicher Weiser nicht selten abgeht: »evanuerunt in cogitationibus suis, et obscuratum est insipiens cor eorum, dicentes enim se esse sapientes stulti facti sunt«5; in ihren Gedanken wurden sie albern, und ihr verrücktes Herz erfüllte sich mit Finsternis; und während sie damit prahlten, weise zu sein, wurden sie töricht.
Lk 5, 4-5.
Lk 5, 5.
Ebd.
Jer 18, 6.
Lk 5, 8
Lk 5, 10.
Jer 16, 16.
Text gedruckt bei https://escriva.org/de/book-subject/en-dialogo-con-el-se%C3%B1or/10470/ (19.11.2025)