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Die Menschen, von denen das Evangelium berichtet, folgten Ihm, weil sie die Wunder und Heilungen, die Jesus wirkte, gesehen hatten. Ihr und ich – weshalb folgen wir dem Herrn? Jeder muss sich diese Frage stellen und eine ehrliche Antwort suchen. Und wenn du dich gefragt und in der Gegenwart Gottes eine Antwort gefunden hast, dann sage innig Dank, denn mit Christus sein heißt, sich sicher sein zu können. Sich in Christus wiedererkennen heißt, jeden Tag besser sein können. Mit Christus Umgang haben heißt notwendigerweise, Christus lieben. Und Christus lieben heißt, sich die ewige Glückseligkeit sichern, die ganz und gar erfüllte Liebe ist und die die beglückende Schau der Heiligsten Dreifaltigkeit einschließt.
Doch zunächst, meine Kinder, habe ich gesagt, dass ich euch nicht eine Betrachtung halten, sondern nur Punkte für euer persönliches Gebet nennen würde. Betrachte das nun für dich, mein Sohn. Warum bist du mit Christus im Opus Dei? Seit wann spürst du die Anziehungskraft Jesu Christi? Warum? Wie hast du von Anfang an bis jetzt darauf reagiert? Wie hat dich der Herr mit seiner Liebe ins Werk gezogen, damit du ganz in seiner Nähe bist und innigen Umgang mit Ihm hast?
Und du – wie hast du darauf reagiert? Was tust du deinerseits, damit diese innige Vertrautheit mit Christus nicht verlorengeht und deine Brüder sie nicht verlieren? Woran denkst du, seit du alle diese Bindungen eingegangen bist? An dich oder an die Ehre Gottes? An dich oder an die anderen? An dich, an deine Dinge, an deine Belanglosigkeiten, an deine Erbärmlichkeiten, an deine Regungen des Hochmuts, an deine Wallungen der Sinnlichkeit? Woran denkst du gewöhnlich? Betrachte das, und dann lass das Herz auf den Willen und den Verstand wirken.
Schau, ob der Herr an dir nicht viel mehr getan hat, als Kranke zu heilen. Schau, ob Er unseren Augen, die unfähig waren, seine Großtaten zu schauen, nicht die nötige Sehkraft gegeben hat. Schau, ob Er unseren Gliedern, die nicht imstande waren, sich mit übernatürlichem Sinn zu regen, nicht Kraft geschenkt hat. Schau, ob Er uns nicht wie den Lazarus auferweckt hat, weil wir tot waren für das Leben Gottes. Muss man da nicht laut rufen: »Laetare, Ierusalem«2? Muss ich euch da nicht sagen, »gaudete cum laetitia, qui in tristitia fuistis, freut euch, die ihr traurig wart«3?
Vor diesem Hintergrund müssen wir dem Herrn danken für die unverdiente Gabe der Berufung. Wir versprechen Ihm, dass wir sie täglich höher schätzen, sie wie den kostbarsten Edelstein, den unser Vater Gott uns schenken konnte, behüten wollen. Gleichzeitig begreifen wir einmal mehr, dass, solange wir diesen Leitungsauftrag ausüben, den das Werk uns übertragen hat, unser Verlangen besonders darauf gerichtet sein muss, nach der Heiligkeit zu streben, um die anderen zu heiligen – ihr eure Brüder, ich meine Kinder. »Denn Gott hat uns nicht zur Unreinheit berufen, sondern zur Heiligkeit.«4
Es ist notwendig, ständig einen Akt der Reue, der Umkehr, der Besserung zu erwecken, ein fortwährendes Aufwärtssteigen. Ja, Herr, der Du uns hörst: Du hast zugelassen, dass nach dem Fall des Menschengeschlechts in unseren Stammeltern dieses Geschöpf, das Mensch heißt, sich wie ein Tier benimmt. Wenn ich daher einmal nicht in den Armen Deiner Mutter und an Deiner Seite sein kann, dann werde ich mich neben das Maultier und neben den Ochsen stellen, die Dir im Stall Gesellschaft geleistet haben. Ich werde der Hund der Familie sein. Dort werde ich Dich mit sanften Augen anschauen und versuchen, dieses Zuhause sozusagen zu verteidigen. So werde ich an Deiner Seite die Wärme finden, die reinigt, die Liebe Gottes, die aus dem Tier, das wir Menschen alle in uns tragen, einen Sohn Gottes macht, etwas, was mit keiner Würde der Erde verglichen werden kann.
Unser Leben, meine Kinder, ist das Leben eines kleinen braven und guten Esels, der sich manchmal, die Füße nach oben, auf dem Boden wälzt und sein Iah von sich gibt. Normalerweise aber ist er treu, trägt die Last, die man ihm auflegt, und ist zufrieden mit dem immer gleichen kargen und spärlichen Fressen. Und er hat eine harte Haut, um zu arbeiten. Die Gestalt des kleinen Esels rührt mich. Er ist loyal und wirft die Last nicht ab. Ich bin ein kleiner Esel, Herr: Hier bin ich. Glaubt nicht, meine Kinder, dass das eine Torheit ist. Es ist keine. Ich zeige euch die Gebetsweise, die ich anwende und die in Ordnung ist.
Ich halte meinen Rücken der Mutter Gottes hin, die ihren Sohn auf den Armen trägt, und wir ziehen nach Ägypten. Später werde ich Ihm neuerlich den Rücken anbieten, damit er darauf Platz nimmt: »perfectus Deus, perfectus Homo«6. So werde ich mich in den Thron Gottes verwandeln.
Welchen Frieden geben mir diese Erwägungen! Welchen Frieden muss uns das Wissen geben, dass der Herr uns immer verzeiht, uns so sehr liebt, dass Er die menschlichen Schwächen so genau kennt, dass Er weiß, aus welch erbärmlichem Ton wir gebildet sind. Aber Er weiß auch, dass Er uns den Atem eingehaucht hat, das Leben, das göttlich ist. Über diese Gabe hinaus, die zur Ordnung der Natur gehört, hat der Herr uns die Gnade eingegossen, die uns erlaubt, sein eigenes Leben zu leben. Und Er gibt uns die Sakramente, Aquädukte dieser göttlichen Gnade: in erster Linie die Taufe, durch die wir eintreten, um dieser Familie Gottes anzugehören.
Ich kann euch nicht verhehlen, meine Kinder, dass ich leide, wenn ich sehe, wie man anordnet, die Spendung der Taufe der Kinder aufzuschieben; wenn ich feststelle, dass einige sich weigern, sie zu taufen, wenn nicht eine Reihe von Garantien gegeben sind, die viele Eltern schwerlich werden erbringen können. So lassen sie sie Heiden bleiben, »Gefäße des Zornes«7, Sklaven Satans. Ich leide sehr, wenn ich sehe, dass die Taufe der Neugeborenen mit voller Absicht hinausgeschoben wird, weil sie es vorziehen, später eine Zeremonie zu feiern – mit der Gemeinde, wie sie sagen – mit vielen Kindern auf einmal, als würde Gott das brauchen, um in jeder Seele seine Wohnung zu nehmen.
Dann denke ich an meine Eltern, die am selben Tag getauft wurden, an dem sie zur Welt kamen, obwohl sie gesund waren. Und meine Großeltern waren nichts weiter als gute Christen. Jetzt hingegen wird die Herde Gottes von einigen, die sich für eine Autorität halten, darin unterwiesen, von Anfang an Kälte zu zeigen, wie schlechte Gläubige.
Ihr sollt rechtschaffene Menschen sein, weil ihr kämpft, weil ihr euch bemüht, diese beiden Brüder, die wir alle in uns tragen, miteinander zu versöhnen: den Verstand – mit der Gnade Gottes – und die Sinnlichkeit. Diese zwei Brüder sind seit unserer Geburt bei uns und werden uns unser ganzes Leben lang begleiten. Man muss erreichen, dass sie sich vertragen, auch wenn der eine sich dem anderen widersetzt, indem man sich darum bemüht, dass der höhere Bruder, der Verstand, den niedrigeren, die Sinne, mit sich reißt. Unsere Seele strebt kraft der Weisung des Glaubens und der Vernunft und mit Hilfe der Gnade nach den höheren Gaben, nach dem Paradies, nach der ewigen Glückseligkeit. Und dorthin müssen wir auch unseren kleinen Bruder, die Sinnlichkeit, führen, damit er im Himmel Gott genießt.
Diese Einheit des Lebens muss Frucht der Güte des Herrn sein, die er jedem einzelnen und dem Werk gegenüber hat, aber auch Ergebnis eures persönlichen Kampfes. Nie war es angemessener als jetzt, daran zu erinnern, dass der Friede eine Folge des Krieges ist: dieses wunderbaren Krieges gegen uns selbst, gegen unsere schlechten Neigungen. Dieser Krieg ist ein Krieg des Friedens, weil er den Frieden sucht.
Wir verlieren die Gelassenheit, sobald nicht der Verstand mit der Gnade Gottes unser Leben leitet, sondern die niedrigen Kräfte. Erschreckt nicht, wenn ihr merkt, dass ihr scheußlich seid und dazu geneigt, alle Ungeheuerlichkeiten zu begehen! Mit der Hilfe des Herrn werden wir sicher ans Ziel gelangen, mit jenem Frieden, der – ich wiederhole es – die Folge des Sieges ist. Dieser Triumph ist nicht der unsere, denn es ist Gott, der in uns siegt, wenn wir keine Schwierigkeiten bereiten, wenn wir die Anstrengung aufbringen, unsere Hand auszustrecken nach der Hand, die uns vom Himmel her gereicht wird.
Meine Kinder, Einheit des Lebens! Kampf! Dieses Gefäß, von dem ich vorher sprach, darf nicht zerbrechen. Das Herz muss ganz bleiben und Gott gehören. Halten wir uns nicht bei den Armseligkeiten unseres persönlichen Stolzes auf. Geben wir uns wirklich hin, gehen wir weiter wie einer, der zu einer Stadt unterwegs ist und nicht locker lässt, bis er Schritt für Schritt schließlich den ganzen Weg zurückgelegt hat. Die Hilfe Gottes, unseres Vaters, wird uns nicht fehlen.
Die größte Freude meines Lebens ist es zu wissen, dass ihr kämpft und loyal seid. Es macht mir nicht allzuviel aus, wenn ich erfahre, dass ihr weit vor der Hauptmauer gestürzt seid. Ich weiß schon, dass ihr aufstehen und mit mehr Eifer wieder beginnen werdet. Und wenn wir aufrichtig sind, gehen nicht einmal die verlorenen Schlachten verloren. Im Gegenteil, jede weitere Klammer an unserem Tongefäß ist wie eine Auszeichnung. Deshalb müssen wir die Demut haben, sie nicht zu verstecken: die mit Klammern reparierten Keramikgefäße sind in den Augen Gottes und in meinen Augen schöner als die neuen.
»Lasst uns nach Bethlehem gehen, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr kundgetan hat!«15 Kinder, wir sind in einem günstigen Augenblick hier, denn wir erleben – gerade jetzt – eine sehr schlechte Nacht für die Seelen. Eine Nacht, in der die großen Leuchten, die Licht spenden sollten, Dunkelheit verbreiten; in der jene, die Salz sein sollten, um die Welt vor der Verderbnis zu bewahren, sich als schal erweisen und manchmal als offensichtlich verfault.
Es ist unmöglich, diese Übel zu betrachten, ohne darunter zu leiden. Aber ich bin sicher, Töchter und Söhne meiner Seele, dass wir mit der Hilfe Gottes imstande sein werden, reichen Nutzen und fruchtbaren Frieden daraus zu gewinnen, weil wir im Gebet und in der Buße beharrlich sein werden, weil wir eine größere Gewissheit haben werden, dass alles in Ordnung kommen wird. Weil wir den Vorsatz bestärken werden, mit der Fügsamkeit guter Werkzeuge treu zu sein. Weil wir aus dieser Weihnacht lernen werden, nicht von dem Weg abzuweichen, den uns der Herr in Bethlehem zeigt: den der wahren Demut ohne Absonderlichkeiten. Demütig sein bedeutet nämlich nicht, schmutzig oder vernachlässigt herumzulaufen, noch gleichgültig zu bleiben gegenüber allem, was rings um uns geschieht, indem wir ständig Rechte preisgeben. Noch weniger heißt es, dumme Behauptungen über uns auszuposaunen. Demut kann nicht sein, wo Theater und Heuchelei ist, denn Demut ist Wahrheit.
Ohne unsere Zustimmung, ohne unser Wollen kann uns Gott, unser Herr, trotz seiner grenzenlosen Güte nicht heiligen und nicht retten. Mehr noch: Ohne Ihn werden auch wir rein gar nichts, was von Nutzen ist, zuwegebringen. So wie man von einem Feld sagt, dass es etwas Bestimmtes hervorbringt, von anderen Feldern aber, dass sie anderes hervorbringen, so kann man von einer Seele sagen, dass sie heilig ist, und von einer anderen, dass sie viele gute Werke vollbracht hat. In Wahrheit freilich »ist niemand gut außer der eine Gott«16. Er ist es, der das Feld fruchtbar macht, der dem Samen die Möglichkeit gibt, sich zu vervielfältigen, und der einem scheinbar dürren Pflock die Kraft schenkt, Wurzeln zu schlagen. Er ist es, der die menschliche Natur mit seiner Gnade gesegnet und ihr so die Möglichkeit gegeben hat, sich christlich zu verhalten und auf eine Weise zu leben, dass wir glücklich sind, indem wir in Erwartung des künftigen Lebens, das Glückseligkeit und Liebe für immer bedeutet, kämpfen. Demut, Kinder, heißt zu wissen: »So ist weder der etwas, der pflanzt, noch der, der begießt, sondern nur Gott, der wachsen lässt.«17
Was lehrt uns der Herr aller Dinge, der Herrscher über das Universum? In diesen Weihnachtstagen besingen die Lieder aller Länder, mögen sie von mehr oder weniger christlichem Gehalt sein, den König der Könige, der schon gekommen ist. Und wie zeigt sich seine Königswürde? Er liegt in einer Krippe! Er hat nicht einmal die paar Dinge, mit denen wir das Jesuskind voller Liebe in unseren Kapellen bedenken. In Bethlehem fehlt unserem Schöpfer alles: so groß ist seine Demut!
So wie man die Nahrungsmittel mit Salz würzt, damit sie nicht geschmacklos sind, so muss es in unserem Leben immer die Demut geben. Meine Töchter und Söhne, dieser Vergleich ist nicht von mir, die geistlichen Autoren verwenden ihn seit vier Jahrhunderten: Macht es nicht wie jene Hühner, die – kaum, dass sie ein Ei gelegt haben – gackernd durch das ganze Haus laufen. Man muss arbeiten, die intellektuelle oder manuelle, aber immer apostolische Arbeit ausführen mit großzügigen Wünschen und Zielen – der Herr wird sie Wirklichkeit werden lassen –, Gott zu dienen und unbemerkt zu bleiben.
Kinder, lernen wir nach und nach von Jesus, unserem Meister, indem wir Ihn als Neugeborenes in den Armen seiner Mutter und unter dem beschützenden Blick Josefs betrachten. Josef ist so sehr ein Mann Gottes, dass er vom Herrn dazu ausersehen wurde, Ihm auf Erden Vater zu sein. Mit seinem Blick, mit seiner Arbeit, mit seinen menschlichen Mitteln verteidigt er das Leben des Neugeborenen.
In diesen Zeiten, in denen man Jesus Christus so oft von neuem kreuzigt, unter diesen Umständen, in denen es scheint, dass die alten christlichen Völker den Glauben verlieren, von der Spitze bis zur Basis, wie einige sagen, in diesen Zeiten müssen wir, ihr und ich, uns sehr darum bemühen, Josef in seiner Demut und auch in seiner Wirksamkeit ähnlich zu werden. Erfüllt es euch nicht mit Freude, wenn ihr daran denkt, dass wir unseren Herrn, unseren Gott gewissermaßen beschützen dürfen?
Vergesst nicht, meine Töchter und Söhne, dass die Demut eine so wichtige Tugend ist, dass, wenn sie fehlte, es keine andere gäbe. Ich wiederhole, im inneren Leben ist sie wie das Salz, das alle Speisen würzt. Auch wenn eine Handlung tugendhaft aussieht, wird sie nicht tugendhaft sein, wenn sie Folge des Stolzes, der Eitelkeit, der Dummheit ist; wenn wir sie verrichten, indem wir an uns selbst denken und uns wichtiger nehmen als den Dienst Gottes, das Wohl der Seelen, die Ehre des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Wenn sich die Aufmerksamkeit auf unser eigenes Ich richtet, wenn wir mit der Frage beschäftigt sind, ob man uns loben oder uns kritisieren wird, fügen wir uns großen Schaden zu. Nur Gott darf uns interessieren; und um seinetwillen alle, die wir dem Opus Dei angehören, und alle Seelen der Welt ohne Ausnahme. Also, weg mit dem Ich! Es stört.
Wenn ihr so handelt, meine Töchter und meine Söhne, wie viele Schwierigkeiten werden verschwinden! Wie viele schwere Stunden werdet ihr euch ersparen! Wenn es euch einmal schlecht geht und ihr merkt, dass eure Seele unruhig wird, dann heißt das, dass ihr um euch selbst kreist. Der Herr kam, um zu erlösen, um zu retten, und um nichts anderes hat Er sich gekümmert. Und wir wollen uns darum kümmern, den eigenen Stolz zu nähren?
Wenn du dich selbst zum Mittelpunkt machst, mein Kind, schlägst du nicht nur einen falschen Weg ein, sondern wirst außerdem das christliche Glück in diesem Leben verlieren, das Wohlbefinden und die Freude, die hier nie vollendet sein werden, weil nur im Himmel das Glück vollkommen sein wird.
Ich las in einem alten geistlichen Buch, dass Bäume mit sehr hohen und aufragenden Zweigen unfruchtbar sind. Bäume mit niedrigen, herabhängenden Zweigen hingegen sind voll fester Frucht mit saftigem Fruchtfleisch; und je näher sie dem Boden sind, desto mehr Früchte tragen sie. Kinder, bittet um die Demut, die eine so kostbare Tugend ist. Warum sind wir so dumm? Immer sind wir davon überzeugt, das Unsere sei das Beste; immer sind wir sicher, dass wir im Recht sind. Wie das Wasser ein Stück Zucker durchtränkt, so dringen Eitelkeit und Stolz in die Seele. Wenn ihr glücklich sein wollt, seid demütig. Weist die lügnerischen Einflüsterungen des Teufels zurück, wenn er euch weismachen will, dass ihr bewundernswert seid. Ihr und ich, wir haben begriffen, dass wir leider nur recht wenig wert sind. Aber wenn wir auf Gott, unseren Herrn, bauen, sieht es anders aus. Ihm verdanken wir alles. Erneuern wir unsere Dankbarkeit: ut in gratiarum semper actione maneamus!
Die Danksagung, meine Töchter und Söhne, kommt aus einem heiligen Stolz, der die Demut nicht zerstört und die Seele nicht mit Hochmut erfüllt, weil er sich nur auf die Macht Gottes stützt und aus Liebe besteht, aus Sicherheit im Kampf. Jetzt, da das Jahr beginnt und man die Vorsätze erneuert, in novitate vitae21, das Leben neu zu gestalten, können wir dem Herrn schon für alles danken, was kommen wird, für alles, und besonders für das, was uns weiterhin Schmerz bereiten wird.
Wie bearbeitet man den Stein, der in die Fassade des Gebäudes eingepasst werden soll, um den Bogen zu krönen? Er benötigt eine andere Behandlung als der, der für das Fundament verwendet wird. Man muss ihn gut behauen, mit vielen Meißelschlägen, bis er in Schönheit vollendet ist. Deshalb, Kinder, müssen wir Gott für alle persönlichen Widerwärtigkeiten, für alle Demütigungen danken, für alles, was die Leute schlecht nennen, obwohl es das in Wahrheit gar nicht ist. Für ein Kind Gottes wird es eine Prüfung der göttlichen Liebe sein, die uns vielleicht gut ins rechte Licht stellen will und uns mit sicheren und genauen Schlägen bearbeitet. Wir müssen mit Ihm mitarbeiten, zumindest keinen Widerstand leisten und Ihn gewähren lassen.
Daher kommt es, dass der größte Teil unserer geistlichen Arbeit darin besteht, unser Ich zu erniedrigen, damit der Herr mit seiner Gnade hinzufügt, was Er möchte. Solange die Zeit unseres Lebens währt, ob es nun lang oder kurz ist, werden wir uns nicht über Gott, unseren Vater, beklagen, auch wenn wir das Gefühl haben, gleichsam am Rande eines Abgrunds von Unreinheit, von Eitelkeit, von Torheit zu stehen. Deshalb bestehe ich so auf der persönlichen Demut. Es ist eine herrliche Tugend für die Söhne und Töchter Gottes im Opus Dei.
Wer demütig ist, weiß es nicht und hält sich für stolz. Und wer stolz, eingebildet und töricht ist, betrachtet sich als hervorragend. Das hat kaum eine Lösung, solange man nicht aus dem Leim geht und erlebt, wie man am Boden liegt; ja sogar dort kann man weiter großtun. Auch deswegen brauchen wir die geistliche Begleitung. Von weitem erkennen sie gut, was wir sind: höchstens Steine, die man unten verwenden kann, im Fundament; nicht wie der, der als Schlussstein des Bogens dient.
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