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Wir feiern das Fest des heiligen Josef, unseres Vaters und Herrn, des Beschützers und Patrons der ganzen Kirche und dieser Familie der Töchter und Söhne Gottes, die das Opus Dei ist. Manchmal, denke ich, werdet ihr euch gefragt haben, wie ist es möglich, dass die Verehrung des heiligen Josef im Werk diese Wurzeln, diese Tiefe hat, handelt es sich doch um eine relativ junge Andacht, die im Westen erst im 16. Jahrhundert zu blühen begann? Ich antworte euch dann darauf, dass die Liebe, die Frömmigkeit, die Andacht zum heiligen Josef eine Folge unseres beschaulichen Lebens ist. Denn alle im Werk sind wir verpflichtet, einen ständigen Umgang mit Jesus und Maria zu pflegen. Und einen innigen Umgang mit dem Herrn und seiner Mutter, unserer gebenedeiten Mutter, kann es nur geben, wenn wir mit dem heiligen Josef, der das Haupt der Familie von Nazareth war, sehr vertraut sind.
Andererseits, Kinder, hat ihn die Kirche uns mit gutem Grund als Patron des inneren Lebens vor Augen gestellt. Wer hat mehr inneres Leben als Josef? Welches Geschöpf war inniger vertraut mit Jesus und mit Maria? Wer ist demütiger als der heilige Josef, der völlig unbemerkt bleibt?
Als ich vor einigen Tagen in der Messe einen Abschnitt aus dem Buch der Könige las, wurde mir in meinem Verstand und meinem Herzen die Einfachheit bewusst, die der Herr von uns in diesem Leben erwartet. Es ist dieselbe Einfachheit, die Josef gelebt hat. Als der syrische General Naaman schließlich Elisäus aufsucht, um von seinem Aussatz geheilt zu werden, verlangt der Prophet von ihm etwas Einfaches: »Geh und wasch dich siebenmal im Jordan! Dann wird dein Fleisch wieder gesund, und du wirst rein.«1 Jener arrogante Mann aber denkt: Führen die Flüsse meines Landes nicht genau so gutes Wasser wie die des Landes des Elisäus? Bin ich deshalb von Damaskus gekommen? Er erwartete etwas Auffallendes, Außergewöhnliches. Aber nein! Du bist befleckt; geh und wasch dich, sagt der Prophet. Nicht bloß einmal, sondern ziemlich oft: siebenmal. Ich denke, das ist eine Art Hinweis auf die Sakramente.
All dies erinnerte mich an das einfache, verborgene Leben des heiligen Josef, der nur gewöhnliche Dinge tut. Der heilige Josef bleibt völlig unbemerkt. Die Heilige Schrift berichtet uns fast nichts von ihm. Aber sie zeigt ihn uns, wie er seine Aufgabe als Oberhaupt der Familie erfüllt.
Wenn der heilige Josef also Patron unseres inneren Lebens ist, wenn er Ansporn für unser beschauliches Leben und der Umgang mit ihm eine Wohltat für alle Söhne und Töchter Gottes in seinem Opus Dei ist, dann scheint mir der heilige Josef für jene, die im Werk Leitungsfunktionen innehaben, ein hervorragendes Beispiel zu sein. Er greift nur ein, wenn es notwendig ist, und dann tut er es mit Festigkeit und ohne Gewalt. So ist Josef.
Wundert euch daher nicht, dass die Messe an seinem Fest damit beginnt, dass es heißt: »Iustus ut palma florebit«2. So erblühte die Heiligkeit Josefs. »Sicut cedrus Lybani multiplicabitur«3. Ich denke an euch. Jeder im Opus Dei ist wie der Vater oder die Mutter einer großen Familie und macht sich Sorgen um so viele Seelen auf der Welt. Wenn ich meinen jungen Töchtern und Söhnen erkläre, dass sie in der Arbeit vom heiligen Rafael mit drei, vier oder fünf Freunden besonderen Umgang pflegen sollen und von diesen Freunden vielleicht nur zwei wirklich mitmachen werden, jeder von ihnen aber drei oder vier weitere bringen wird, die an jedem seiner Finger hängen – was ist das anderes als das Aufblühen des Gerechten und ein Wachsen wie das der Zedern des Libanon?
»Plantatus in domo Domini: in atriis domus Dei nostri«4. Alle meine Kinder sind wie Josef in Sicherheit. Ihre Seele ist drinnen im Hause des Herrn. Und dies, während sie auf der Straße mitten im Trubel der Welt leben und die Sorgen ihrer Kollegen, ihrer Mitbürger, die unseresgleichen sind, spüren.
Es ist nicht verwunderlich, dass die Liturgie der Kirche die folgenden Worte des Buches der Weisheit auf den heiligen Patriarchen anwendet: »dilectus Deo et hominibus, cuius memoria in benedictione est«5. Sie sagt uns, dass er vom Herrn geliebt wird, und stellt ihn uns als Vorbild hin. Und sie lädt uns als gute Kinder Gottes auch dazu ein, diesen heiligen, wunderbaren, jungen Mann, der der Gemahl Mariens ist, zu preisen, auch wenn wir – wie ich – arme Menschen sind. Man hat ihn mir auf einem Relief in der Kapelle, die ich benutze, alt dargestellt. Nein! An anderen Orten habe ich ihn jung malen lassen, so wie ich ihn mir vorstelle: vielleicht ein paar Jahre älter als die Jungfrau Maria, aber jung, kräftig, in der Fülle der Jahre. Hinter dieser klassischen Form der Darstellung des heiligen Josef als alter Mann verbirgt sich der allzu menschliche Gedanke, dass es für einen jungen Menschen nicht leicht ist, die Tugend der Reinheit zu leben. Das stimmt nicht. Das christliche Volk nennt ihn einen Patriarchen, aber ich sehe ihn so: jung, was Herz und Leib angeht, alt, was die Tugenden betrifft, und deshalb auch jung im Hinblick auf die Seele.
»Glorificavit illum in conspectu regum, et iussit illi coram populo suo, et ostendit illi gloriam suam«6. Vergessen wir das nicht: Der Herr will ihn verherrlichen. Und wir haben ihn mitten in unsere Familie hineingenommen und ihn gleichfalls zum Patriarchen unseres Hauses gemacht. Deshalb ist das feierlichste und intimste Fest unserer Familie, das Fest, an dem wir Mitglieder des Werkes uns alle versammeln, um Jesus, unseren Heiland, darum zu bitten, Er möge Arbeiter in seine Ernte senden, besonders dem Bräutigam Mariens gewidmet. Er ist also auch Mittler. Er ist der Herr des Hauses. Wir ruhen aus in seiner Klugheit, seiner Reinheit, seiner Zuwendung, seiner Macht. Warum sollte unser Vater und Herr, der heilige Josef, nicht mächtig sein?
Wie oft war ich bewegt, wenn ich das Gebet las, das die Kirche den Priestern zur Vorbereitung auf die Messe anbietet: »O felicem virum, beatum Ioseph, cui datum est, Deum, quem multi reges voluerunt videre et non viderunt, audire et non audierunt …«(a) Habt ihr nie die Apostel und die Jünger beneidet, die mit Jesus so engen Umgang hatten? Und habt ihr dann nicht irgendwie Scham verspürt, weil ihr vielleicht – nein, ohne vielleicht, denn angesichts meiner Schwachheit bin ich mir dessen sicher – zu jenen gehört hättet, die sich aus dem Staub gemacht haben, schmählich geflohen und beim Kreuz nicht an der Seite Jesu geblieben sind?
»… quem multi reges voluerunt videre et non viderunt, audire et non audierunt; non solum videre et audire, sed portare, deosculari, vestire et custodire!« Ich kann Folgendes vor euch nicht verheimlichen: Manchmal, wenn ich allein bin und mein Elend spüre, dann nehme ich eine Figur des Jesuskindes in meine Arme, küsse es und wiege es … Ich schäme mich nicht, euch das zu sagen. Wenn wir Jesus in unseren Armen trügen, was würden wir tun? Habt ihr kleine Geschwister, wesentlich kleinere? Ich schon. Ich habe meinen Bruder in meine Arme genommen und habe ihn gewiegt. Was hätte ich mit Jesus getan?
»Ora pro nobis, beate Ioseph!«(b) Natürlich müssen wir so sprechen! »Ut digni efficiamini promissionibus Christi.« Heiliger Josef, lehre uns, deinen Sohn zu lieben, unseren Erlöser, den Gottmenschen! Bitte für uns, heiliger Josef!
Meine Kinder, wir fahren fort mit der Betrachtung dieses Gebetes, das die Kirche den Priestern empfiehlt, vor der Feier des Heiligen Opfers zu beten.
»Deus, qui dedisti nobis regale sacerdotium …«(c) Für alle Christen gibt es dieses königliche Priestertum, besonders für jene, die Gott in sein Werk gerufen hat: Wir haben alle eine priesterliche Seele. »Praesta, quaesumus; ut, sicut beatus Ioseph unigenitum Filium tuum, natum ex Maria Virgine …« Seht ihr, was für ein Mann des Glaubens er ist? Seht ihr, wie er seine Braut bewundert, wie er sie eines Makels für unfähig hält, wie er in der für einen so ganz und gar aufrechten Mann schrecklichen Finsternis die Eingebungen Gottes, die göttliche Klarheit sind, aufnimmt? Wie er gehorcht! »Nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten«7, befiehlt ihm der Gottesbote. Und er tut es. Er glaubt an das Werk des Heiligen Geistes! Er glaubt an jenen Jesus, der der von den Propheten verheißene Messias ist, auf den seit Generationen und Generationen alle gehofft haben, die zum Volk Gottes gehören: die Patriarchen, die Könige …
»… ut, sicut beatus Ioseph unigenitum Filium tuum, natum ex Maria Virgine, suis manibus reverenter tractare meruit et portare …« Meine Kinder, wir alle – Laien wie Priester – tragen Gott, tragen Jesus in unserer Seele, im Zentrum unseres ganzen Lebens, zusammen mit dem Vater und mit dem Heiligen Geist, so dass alle unsere Handlungen übernatürlichen Wert erhalten. Wir berühren Ihn mit den Händen – so oft!
»… suis manibus reverenter tractare meruit et portare …« Wir verdienen das nicht. Nur aufgrund seines Erbarmens, nur aufgrund seiner Güte, nur aufgrund seiner unendlichen Liebe tragen wir Ihn mit uns, sind wir Christusträger.
»… ita nos facias cum cordis munditia …«(d) Genau so will Er uns haben: rein im Herzen. »Et operis innocentia« – die Unschuld der Werke ist die Lauterkeit der Absicht – »tuis sanctis altaribus deservire«. Ihm nicht nur am Altar dienen, sondern auf der ganzen Welt, die für uns Altar ist. Alle Werke der Menschen vollziehen sich gleichsam auf einem Altar. Jeder von euch feiert in der Einheit kontemplativer Seelen – das ist euer Tag – in gewisser Weise seine Messe, die vierundzwanzig Stunden dauert, in Erwartung der nächsten Messe, die wiederum vierundzwanzig Stunden dauert – und so bis zum Ende unseres Lebens.
»… Ut Sacrosanctum Filii tui corpus et sanguinem hodie digne sumamus, et in futuro saeculo praemium habere mereamur aeternum.«(e) Meine Kinder, die Lehren Josefs sind Lehren eines Vaters, wunderbare Lehren. Vielleicht werdet ihr wie ich, der ich es aufgrund meiner traurigen Erfahrung tue, ausrufen: ich kann nichts, ich habe nichts, ich bin nichts. Aber ich bin ein Sohn Gottes, und der Herr kündigt uns durch den Psalmisten an, dass Er uns mit liebevollen Segnungen erfüllt: »praevenisti eum in benedictionibus dulcedinis«8, dass Er uns im Voraus unseren Weg bereitet, indem Er uns immer mehr auf den Wegen Jesu, Mariens und Josefs Fuß fassen lässt. Es ist der allgemeine Weg des Werkes und auf ihm der Pfad für jeden einzelnen.
Wenn ihr treu seid, Kinder, wird man von euch sagen können, was die Liturgie von Josef, dem heiligen Patriarchen, bestätigt: »posuisti in capite eius coronam de lapide pretioso«9. Wie traurig macht es mich, wenn ich Heiligenbilder ohne Heiligenschein sehe! Man hat mir zwei kleine Statuen der heiligen Katharina geschenkt, was mich bewegt hat. Ich nenne sie meine Freundin mit der losen Zunge, mit dem Wissen Gottes, voll Aufrichtigkeit. Sofort habe ich gesagt, dass man an ihnen einen Heiligenschein anbringen soll; eine Krone, die nicht de lapide pretioso sein wird, aber den Anschein, aus gutem Gold zu sein, haben wird – nur den Anschein, wie die Menschen.
Seht, wie sich Josef gegenüber Maria und Jesus verhält, um dem Auftrag des Vaters, der Regung des Heiligen Geistes Folge zu leisten? Er schenkt Ihm sein ganzes Sein, er stellt Ihm sein Leben als Arbeiter zur Verfügung. Josef, der ein Geschöpf ist, ernährt den Schöpfer. Er, ein armer Handwerker, heiligt seine berufliche Arbeit. Jahrhunderte lang hatten die Christen es vergessen. Das Opus Dei ist gekommen, um daran zu erinnern. Er gibt Ihm sein Leben, er schenkt Ihm die Liebe seines Herzens und die Zärtlichkeit seiner Zuwendung, er leiht Ihm die Kraft seiner Arme, er gibt Ihm alles, was er ist und was er vermag: die gewöhnliche berufliche Arbeit, wie sie seiner Stellung entspricht.
»Beatus vir qui timet Dominum«10. Selig der Mann, der den Herrn fürchtet, selig das Geschöpf, das den Herrn liebt und vermeidet, Ihn zu enttäuschen. Das ist der timor Domini, die einzige Furcht, die ich verstehe und die ich empfinde. »Beatus vir qui timet Dominum; in mandatis eius cupit nimis«11. Selig die Seele, die dafür eifert, die sich danach sehnt, die göttlichen Anweisungen zu befolgen. Diese Unruhe bleibt immer. Wenn wir einmal schwanken, weil der Verstand nicht klar sieht oder weil unsere Leidenschaften sich wie die Vipern erheben, dann ist der Augenblick gekommen, um zu sagen: Mein Gott, ich möchte Dir dienen, ich will Dir dienen, es hungert mich danach, Dich zu lieben mit der ganzen Reinheit meines Herzens!
Was wird uns dann fehlen? Nichts! »Gloria et divitiae erunt in domo eius«12. Wir suchen keine irdische Glorie. Es wird also die Glorie des Himmels sein. Alle Mittel – denn das sind die Reichtümer der Erde – müssen uns dazu dienen, uns zu heiligen, die Arbeit zu heiligen und die anderen mit der Arbeit zu heiligen. Und in unserem Herzen wird immer eine tiefe Gelassenheit herrschen. »Et iustitia eius«, die Gerechtigkeit Gottes, die Logik Gottes, »manet in saeculum saeculi«13, wird in alle Ewigkeit bleiben, wenn wir sie nicht durch die Sünde aus unserem Leben hinaustreiben. Diese Gerechtigkeit Gottes, diese Heiligkeit, die Er in unsere Seele gelegt hat, verlangt immer mit Freude und Frieden einen persönlichen inneren Kampf, der keinen Lärm macht, kein Aufsehen erregt. Es ist etwas ganz Intensives, ganz Persönliches, das nicht verlorengeht, es sei denn, wir zerbrechen es wie einen Tonkrug. Um ihn wieder zu reparieren, gibt es die Normen, gibt es die Beichte und das brüderliche Gespräch mit dem Leiter. Von neuem stellen sich der Friede und die Freude ein! Und danach spüren wir ein noch größeres Verlangen, die Gebote des Herrn zu erfüllen und einen größeren und echten Eifer, Gott und um seinetwillen allen Geschöpfen zu dienen!
»Cum esset desponsata Mater Iesu Maria Ioseph … Als seine Mutter Maria mit Josef verlobt war, fand es sich, dass sie, noch bevor sie zusammengekommen waren, in ihrem Schoß durch das Wirken des Heiligen Geistes empfangen hatte.«14 Das ist gleichsam der Prüfstein für die bewundernswerte Heiligkeit dieses vollkommenen Mannes, der Josef ist. »Ioseph autem, vir eius, cum esset iustus et nollet eam traducere … Josef aber, ihr Gemahl, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte …«15 Nein, sein Gewissen gestattet ihm das nicht. Er leidet. Er weiß, dass seine Braut ohne Makel ist, dass sie eine fleckenlose Seele hat. Er begreift das Wunder nicht, das sich in ihr ereignet hat. Deshalb »voluit occulte dimittere eam«16, entschließt er sich, sie im Geheimen zu entlassen. Er schwankt, er weiß nicht, was er tun soll, aber er löst die Sache auf die sauberste Weise.
»Haec autem eo cogitante …« Während er so überlegt, wird ihm das Licht Gottes zuteil. Der Herr lässt uns nie im Stich, Kinder, habt Vertrauen! »Ecce, Angelus Domini apparuit in somnis … Während er sich mit diesen Gedanken trug, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, scheue dich nicht, Maria als deine Frau heimzuführen, denn was in ihrem Schoß gezeugt wurde, ist Werk des Heiligen Geistes.«17 Er ist der erste Mensch, dem die Realität der Erlösung, die schon im Gange war, erklärt wird. »Pariet autem filium, et vocabis nomen eius Iesum … Sie wird einen Sohn gebären, dem du den Namen Jesus geben sollst, denn Er ist es, der sein Volk von seinen Sünden erlösen wird.«18 Und Josef ist wieder ruhig, gelassen, voll des Friedens.
Meine Kinder, verdient dieser Mann nicht unsere ganze Liebe und Dankbarkeit? Ist er nicht ein Beispiel des Glaubens und der Stärke? Ist er nicht ein Vorbild für die Reinheit der Seele und des Leibes? Ist er nicht unser Vater und Herr? Vater und Herr nenne ich ihn seit so vielen Jahren, und auch ihr nennt ihn so auf der ganzen Welt.
Seht, mir – und ich denke auch euch – schenkt folgendes andere Gebet großen Trost, das die Heilige Kirche für uns nach der Messe bereithält: Virginum custos et pater … Warum verstehen das diese Unglücklichen nicht, die die Keuschheit und die heilige Liebe unserer Eltern nicht mit reinen Augen betrachten wollen; jene Leute, die nicht begreifen können, dass ein schwaches Geschöpf sein ganzes Sein – Leib und Seele – für Gott bewahren kann? Wenn wir schwach sind, wird Gott uns seine Stärke schenken. Ich bin sehr schwach, aber der Herr wird mir seine ganze Kraft geben.
»Virginum custos et pater, sancte Ioseph, cuius fideli custodiae ipsa Innocentia Christus Iesus et Virgo virginum Maria commissa fuit …« Seliger Josef, Beschützer und Vater der Jungfrauen, dessen treuester Obhut die Unschuld selbst anvertraut wurde, Jesus Christus, und die Jungfrau der Jungfrauen, Maria. Kann es einen Priester geben oder eine wahrhaft christliche Seele, die das liest und nicht bewegt ist? Alle meine Kinder, die ja eine priesterliche Seele haben, werden sich danach sehnen, eine große Andacht und Zuneigung zum heiligen Josef, unserem Vater und Herrn, zu haben, ihn zu loben und zu ehren.
»Te per hoc utrumque carissimum pignus Iesum et Mariam obsecro et obtestor, ut me, ab omni immunditia praeservatum, mente incontaminata, puro corde et casto corpore Iesu et Mariae semper facias castissime famulari.« Wir bitten dich durch Jesus und Maria, die du als Unterpfand erhalten hast, du mögest uns vor jeder Unreinheit bewahren und uns Jesus und Maria stets mit sauberem Geist, reinem Herzen und keuschem Leib dienen lassen.
Meine Kinder, wir haben zusammen erwogen, dass es ein großes Wunder ist, dass im Werk von Anfang an diese Bindung an den heiligen Patriarchen Josef gelebt wurde. Er ist unser Hauptpatron und er ist auch das Haupt unserer Familie. Denn wir bitten ihn darum, dass er mehr Berufungen zum Werk schickt. An seinem Gedenktag binden wir uns durch Bande der Liebe, indem wir unsere Hingabe zu erneuern pflegen und unsere Bindung an das Opus Dei in die Hände Josefs und Mariens legen.
Ich habe den heiligen Josef sehr gern. Ich finde, er ist ein außergewöhnlicher Mann. Immer habe ich ihn mir jung vorgestellt. Deshalb war ich verärgert, als in der Kapelle, die ich nutze, Reliefs angebracht wurden, auf denen er alt und bärtig dargestellt ist. Sofort ließ ich ein Bild malen, das ihn jung zeigt, voller Vitalität und Kraft. Es gibt einige, die glauben, die Keuschheit könne man nur im Alter bewahren. Aber die Alten sind nicht keusch, wenn sie es nicht als Junge waren. Wenn sie es nicht zuwege gebracht haben, in ihren Jugendjahren rein zu leben, haben sie im Alter dann oft ganz jämmerliche Angewohnheiten.
Der heilige Josef muss jung gewesen sein, als er die seligste Jungfrau heiratete, eine Frau, die gerade erst der Kindheit entwachsen war. Er war jung, rein, sauber, ganz keusch, und zwar gerade wegen seiner Liebe. Nur wenn wir das Herz mit Liebe anfüllen, können wir die Sicherheit haben, dass es sich nicht empört und verirrt, sondern der ganz reinen Liebe Gottes treu bleiben wird.
Gestern Abend, als ich schon im Bett lag, habe ich mich sehr oft an den heiligen Josef gewandt, um mich auf das heutige Fest vorzubereiten. Mit großer Klarheit begriff ich, dass wir wirklich zu seiner Familie gehören. Das ist kein unbegründeter Gedanke. Es gibt viele Gründe, um das zu behaupten. In erster Linie, weil wir Kinder Mariens, seiner Gemahlin, und Brüder Jesu Christi sind, allesamt Kinder des himmlischen Vaters. Und dann, weil wir eine Familie bilden, deren Haupt der heilige Josef sein wollte. Deshalb nennen wir ihn seit dem Beginn des Werkes unseren Vater und Herrn.
Das Opus Dei hat sich auf seinem Weg nicht leicht durchgesetzt. Menschlich gesprochen war alles sehr schwierig. Ich wollte keine kirchlichen Approbationen, weil sie unseren juristischen Weg hätten verbauen können. Dieser Weg existierte damals nicht, und er wird immer noch gebahnt. Viele verstanden unser rechtliches Phänomen nicht, und noch immer gibt es einige, die unfähig sind, es zu begreifen. Noch viel weniger verstanden sie unser Leben theologisch und asketisch – diese friedliche, pastorale Woge, die die ganze Erde überflutet. Ich wollte keine kirchlichen Approbationen irgendwelcher Art, aber wir mussten an vielen Orten arbeiten, wo Millionen Seelen auf uns warteten.
Wir riefen zum heiligen Josef, der für den Herrn Vater gewesen ist. Und die Jahre vergingen. Bis 1933 konnten wir nicht mit dem ersten korporativen Werk beginnen. Es war die berühmte Akademie DYA. Wir gaben Unterricht in Jura und Architektur – daher die Buchstaben des Namens: Derecho y Arquitectura –, aber in Wirklichkeit sollte er bedeuten: Dios y Audacia, Gott und Kühnheit. Das war es, was wir brauchten, um die juristischen Schemata zu sprengen, und wir haben sie gesprengt. Es galt, eine Lösung zu finden für das Verlangen der christlichen Seele, die von ganzem Herzen Gott dienen wollte und Ihm dienen will; und dies im Rahmen der menschlichen Begrenzungen, aber auf der Straße draußen, in der gewöhnlichen beruflichen Arbeit, ohne Ordensleute zu sein oder den Ordensleuten gleichgestellt.
Mehrere Jahre vergingen, bis ich das erste Statut des Werkes ausarbeitete. Ich erinnere mich an einen Haufen Notizzettel, auf denen ich nach und nach unsere Erfahrungen notiert hatte. Der Wille Gottes war seit dem 2. Oktober 1928 klar, aber er wurde erst mit den Jahren allmählich in die Tat umgesetzt. Ich vermied das Risiko, einen Anzug anzufertigen und dann das Geschöpf hineinzupferchen. Ich nahm vielmehr Maß – diese Erfahrungszettel –, um einen passenden Anzug zu schneidern. Nach mehreren Jahren bat ich eines Tages Don Alvaro und zwei andere eurer älteren Brüder, sie möchten mir beim Ordnen dieses ganzen Materials helfen. So verfassten wir das erste Statut, in dem keine Rede war von Gelübden – nada de votos, ni de botas, ni de botines, ni de botones(a) –, denn damals waren sie nicht notwendig, und heute sind sie es auch nicht.
1934 begannen wir, wenn ich mich nicht irre, mit dem ersten Studentenheim. In dieser Zeit herrschte in meinem Land ein aggressiv antiklerikales Klima. Die Autoritäten verfolgten die Kirche, und es gab einen Keim des Kommunismus, der die Negation aller Freiheiten ist.
Wir brauchten den Herrn bei uns im Tabernakel. Jetzt ist das leicht, aber damals war es ein sehr schwieriges Unterfangen, einen Tabernakel aufzustellen. Man musste vieles tun. Wir mussten uns präsentieren wie ein Meisterstück, wie ein dechado.
Ihr wisst nicht, was ein dechado war? Wenn im vergangenen Jahrhundert die jungen Fräulein die Schule abschlossen, ein bisschen Französisch schnatterten und mehr oder weniger gut Klavier spielten, mussten sie eine Stickerei anfertigen. Da nähten, stickten und häkelten sie; setzten Buchstaben, Ziffern und kleine Vögelchen darauf … Alles Mögliche! Auch der Name der Herstellerin und das Datum waren dort zu lesen. Ich habe das Dechado meiner Großmutter Florencia gesehen, weil meine Schwester Carmen es aufbewahrt hat. Das war gleichsam die Diplomarbeit der Schulen für die jungen Fräulein.
Etwas dergleichen mussten wir machen, damit die Kirche liebevoll auf uns schaute und uns die Erlaubnis gab, den Herrn in der Eucharistie zu Hause zu haben.
Im Grund meiner Seele gab es schon diese Verehrung zum heiligen Josef, die ich euch eingeprägt habe. Ich erinnerte mich an den anderen Josef, an den sich, dem Rat des Pharao folgend, die Ägypter wandten, als es sie nach gutem Brot hungerte: »Ite ad Ioseph!«1, geht zu Josef, er soll euch Weizen geben. Ich begann, den heiligen Josef zu bitten, er möge uns den ersten Tabernakel besorgen, und das gleiche taten meine Söhne, die ich damals um mich hatte. Während wir für die Sache beteten, versuchte ich, die notwendige Ausstattung zu finden: Messgewänder, Tabernakel … Geld hatten wir nicht. Sobald ich fünfundzwanzig Peseten zusammen hatte, was damals eine ansehnliche Summe war, wurden sie für eine dringlichere Anschaffung ausgegeben.
Ich erreichte, dass bestimmte Nonnen, die ich sehr schätze, mir einen Tabernakel überließen; woanders trieb ich die Messgewänder auf. Schließlich gab uns der Bischof von Madrid die Erlaubnis, das Allerheiligste Sakrament bei uns aufzubewahren. Als Zeichen der Dankbarkeit ließ ich damals am Tabernakelschlüssel ein Kettchen mit einer kleinen Medaille des heiligen Josef anbringen, auf deren Rückseite geschrieben steht: Ite ad Ioseph! Der heilige Josef ist also wirklich unser Vater und Herr, denn er hat uns wie ein guter Familienvater das Brot, das eucharistische Brot, gegeben.
Habe ich nicht zuvor gesagt, dass wir zu seiner Familie gehören? Er hat uns nicht nur die geistliche Nahrung erlangt. Wir sind mit ihm verbunden, denn wir haben uns vor dieser Zeit des Beisammenseins, die das Gebet ist, an ihn gewandt. Wenn wir unsere Hingabe erneuern und wenn wir uns endgültig in das Opus Dei eingliedern, dann ist der heilige Josef auch anwesend.
In der Anfangszeit des Werkes versuchte ich, die Fidelitas vorzuziehen, weil ich euch brauchte. Nie habe ich mich in irgendeiner Hinsicht für unersetzlich gehalten. Einige werden sich erinnern, dass ich sie fragte: Verpflichtest du dich vor Gott, das Werk weiterzuführen, wenn ich sterbe? Nie habe ich mich für notwendig gehalten, denn ich bin es nicht. Praktisch jeder von euch ist besser als ich und kann ein sehr gutes Werkzeug sein. Damals fand die Zeremonie zur Fidelitas am Fest des heiligen Josef statt, und so wurde der heilige Patriarch in diese geistliche Verpflichtung, das Werk voranzubringen, einbezogen, in der Überzeugung, dass es sich dabei um den ausdrücklichen Willen Gottes handelte.
Andererseits ist der heilige Josef nach Maria das Geschöpf, das mit Jesus auf Erden den innigsten Umgang hatte. Ich habe meine Freude an den Gebeten, die die Kirche der Frömmigkeit der Priester vor und nach der Messe empfiehlt. Dort wird daran erinnert, dass der heilige Josef sich um den Sohn Gottes genauso gekümmert hat wie unsere Eltern um uns. Sie kamen schon, als man uns anzog, sie streichelten uns, drückten uns an ihre Brust und gaben uns so feste Küsse, dass sie uns manchmal wehtaten.
Könnt ihr euch den heiligen Josef vorstellen, der die seligste Jungfrau so sehr liebte und von ihrer makellosen Unberührtheit wusste? Wie muss er gelitten haben, als er sah, dass sie ein Kind erwartete! Erst die Offenbarung Gottes, unseres Herrn, mittels eines Engels hat ihn beruhigt. Er hatte eine kluge Lösung gesucht: sie nicht entehren und weggehen, ohne ein Wort zu sagen. Aber was für ein Schmerz war das! Denn er liebte sie aus ganzer Seele. Könnt ihr euch seine Freude vorstellen, als er erfuhr, dass die Frucht dieses Leibes Werk des Heiligen Geistes war?
Liebt Jesus und seine heiligste Mutter! Vor einem Jahr hat man mir eine alte, wunderschöne Elfenbeinstatue geschenkt, die die seligste Jungfrau als schwangere Frau darstellt. Mich bewegt das. Mich erschüttert die Demut Gottes, der sich die angemessene Zeit in den Leib Mariens einschließen will wie wir im Schoß unserer Mutter, genau wie jede andere Kreatur; ist Er doch perfectus Homo, vollkommener Mensch, wobei Er gleichzeitig perfectus Deus ist, vollkommener Gott: die zweite Person der Heiligsten Dreifaltigkeit.
Rührt euch diese Demut Gottes nicht an? Erfüllt euch das nicht mit Liebe, wenn ihr wisst, dass Er Mensch geworden ist und kein Privileg haben wollte? Wie Er so wollen auch wir keine Privilegien. Wir möchten ganz gewöhnliche Menschen sein, Bürger wie die anderen. Das ist wunderbar! Wir fühlen uns ganz wohl im Haus Jesu, Mariens und Josefs, die unbemerkt bleiben.
Wenn ich in eine unserer Kapellen komme, in denen es einen Tabernakel gibt, dann sage ich Jesus, dass ich Ihn liebe, und wende mich an die Dreifaltigkeit. Dann danke ich den Engeln, die den Tabernakel bewachen und dabei Christus in der Eucharistie anbeten. Stellt ihr euch nicht vor, wie im Haus in Nazareth und vorher in Bethlehem, wie auf der Flucht nach Ägypten und bei der Rückkehr – in Angst, Jesus zu verlieren, weil der Sohn eines grausamen Monarchen an der Herrschaft war – die Engel staunend die Erniedrigung des Herrn bewundern, der nur als Mensch erscheinen will? Wir lieben Jesus nicht genug, wenn wir Ihm nicht aus ganzem Herzen danken, dass Er perfectus Homo sein wollte.
»Lasst uns nach Bethlehem gehen, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr kundgetan hat!«15 Kinder, wir sind in einem günstigen Augenblick hier, denn wir erleben – gerade jetzt – eine sehr schlechte Nacht für die Seelen. Eine Nacht, in der die großen Leuchten, die Licht spenden sollten, Dunkelheit verbreiten; in der jene, die Salz sein sollten, um die Welt vor der Verderbnis zu bewahren, sich als schal erweisen und manchmal als offensichtlich verfault.
Es ist unmöglich, diese Übel zu betrachten, ohne darunter zu leiden. Aber ich bin sicher, Töchter und Söhne meiner Seele, dass wir mit der Hilfe Gottes imstande sein werden, reichen Nutzen und fruchtbaren Frieden daraus zu gewinnen, weil wir im Gebet und in der Buße beharrlich sein werden, weil wir eine größere Gewissheit haben werden, dass alles in Ordnung kommen wird. Weil wir den Vorsatz bestärken werden, mit der Fügsamkeit guter Werkzeuge treu zu sein. Weil wir aus dieser Weihnacht lernen werden, nicht von dem Weg abzuweichen, den uns der Herr in Bethlehem zeigt: den der wahren Demut ohne Absonderlichkeiten. Demütig sein bedeutet nämlich nicht, schmutzig oder vernachlässigt herumzulaufen, noch gleichgültig zu bleiben gegenüber allem, was rings um uns geschieht, indem wir ständig Rechte preisgeben. Noch weniger heißt es, dumme Behauptungen über uns auszuposaunen. Demut kann nicht sein, wo Theater und Heuchelei ist, denn Demut ist Wahrheit.
Ohne unsere Zustimmung, ohne unser Wollen kann uns Gott, unser Herr, trotz seiner grenzenlosen Güte nicht heiligen und nicht retten. Mehr noch: Ohne Ihn werden auch wir rein gar nichts, was von Nutzen ist, zuwegebringen. So wie man von einem Feld sagt, dass es etwas Bestimmtes hervorbringt, von anderen Feldern aber, dass sie anderes hervorbringen, so kann man von einer Seele sagen, dass sie heilig ist, und von einer anderen, dass sie viele gute Werke vollbracht hat. In Wahrheit freilich »ist niemand gut außer der eine Gott«16. Er ist es, der das Feld fruchtbar macht, der dem Samen die Möglichkeit gibt, sich zu vervielfältigen, und der einem scheinbar dürren Pflock die Kraft schenkt, Wurzeln zu schlagen. Er ist es, der die menschliche Natur mit seiner Gnade gesegnet und ihr so die Möglichkeit gegeben hat, sich christlich zu verhalten und auf eine Weise zu leben, dass wir glücklich sind, indem wir in Erwartung des künftigen Lebens, das Glückseligkeit und Liebe für immer bedeutet, kämpfen. Demut, Kinder, heißt zu wissen: »So ist weder der etwas, der pflanzt, noch der, der begießt, sondern nur Gott, der wachsen lässt.«17
Was lehrt uns der Herr aller Dinge, der Herrscher über das Universum? In diesen Weihnachtstagen besingen die Lieder aller Länder, mögen sie von mehr oder weniger christlichem Gehalt sein, den König der Könige, der schon gekommen ist. Und wie zeigt sich seine Königswürde? Er liegt in einer Krippe! Er hat nicht einmal die paar Dinge, mit denen wir das Jesuskind voller Liebe in unseren Kapellen bedenken. In Bethlehem fehlt unserem Schöpfer alles: so groß ist seine Demut!
So wie man die Nahrungsmittel mit Salz würzt, damit sie nicht geschmacklos sind, so muss es in unserem Leben immer die Demut geben. Meine Töchter und Söhne, dieser Vergleich ist nicht von mir, die geistlichen Autoren verwenden ihn seit vier Jahrhunderten: Macht es nicht wie jene Hühner, die – kaum, dass sie ein Ei gelegt haben – gackernd durch das ganze Haus laufen. Man muss arbeiten, die intellektuelle oder manuelle, aber immer apostolische Arbeit ausführen mit großzügigen Wünschen und Zielen – der Herr wird sie Wirklichkeit werden lassen –, Gott zu dienen und unbemerkt zu bleiben.
Kinder, lernen wir nach und nach von Jesus, unserem Meister, indem wir Ihn als Neugeborenes in den Armen seiner Mutter und unter dem beschützenden Blick Josefs betrachten. Josef ist so sehr ein Mann Gottes, dass er vom Herrn dazu ausersehen wurde, Ihm auf Erden Vater zu sein. Mit seinem Blick, mit seiner Arbeit, mit seinen menschlichen Mitteln verteidigt er das Leben des Neugeborenen.
In diesen Zeiten, in denen man Jesus Christus so oft von neuem kreuzigt, unter diesen Umständen, in denen es scheint, dass die alten christlichen Völker den Glauben verlieren, von der Spitze bis zur Basis, wie einige sagen, in diesen Zeiten müssen wir, ihr und ich, uns sehr darum bemühen, Josef in seiner Demut und auch in seiner Wirksamkeit ähnlich zu werden. Erfüllt es euch nicht mit Freude, wenn ihr daran denkt, dass wir unseren Herrn, unseren Gott gewissermaßen beschützen dürfen?
»Denn Fleisch geworden ist das Wort, und in diesem Geheimnis erstrahlt den Augen unseres Geistes das neue Licht Deiner Herrlichkeit. Indem wir Gott sichtbar anschauen, sollen wir durch Ihn für die Liebe zu den unsichtbaren Dingen entflammt werden.«7 Wir alle sollen Ihn mit Liebe anschauen. In meiner Heimat sagt man manchmal: Wie sie ihn anschaut! Wie eine Mutter das Kind in ihren Armen, wie ein junger Mann seine Verlobte, wie eine Ehefrau ihren Mann – mit edler und reiner menschlicher Regung. Und so wollen wir Ihn anschauen. Wir wollen die Herabkunft des Erlösers von neuem erleben. Und wir beginnen bei seiner Mutter, der immerwährenden und ganz reinen Jungfrau. Wir fühlen die Notwendigkeit, sie zu loben und ihr immer wieder unsere Liebe zu bezeigen, denn noch nie wurden so viele Albernheiten und so viele Abscheulichkeiten über die Mutter Gottes verbreitet wie heute, und zwar von jenen, die sie verteidigen und preisen sollten.
Die Kirche ist rein, sauber, ohne Makel. Sie ist die Braut Christi. Doch es gibt einige, die in ihrem Namen beim Volk Anstoß erregen. Sie haben viele Menschen getäuscht, die unter anderen Umständen treu geblieben wären. Dieses schutzlose Kind umarmt euch, damit ihr Es an euer Herz drückt und Ihm den festen Vorsatz schenkt, gelassen, stark und froh Sühne zu leisten.
Ich habe es vor euch nicht verheimlicht. Man hat in diesen letzten zehn Jahren alle Sakramente angegriffen, eines nach dem anderen. Ganz besonders das Bußsakrament, und auf hinterhältigste Weise das Allerheiligste Sakrament des Altares, das Messopfer. Das Herz eines jeden von uns muss beben und mit dieser Wallung des Blutes dem Herrn Genugtuung leisten, so wie ihr eure Mutter zu trösten wüsstet – eine Person, die ihr zärtlich liebt. »Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott. Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus bewahren.«8
Wir haben begonnen, die heilige Jungfrau Maria zu loben und ihr Sühne zu leisten, und sogleich bekunden wir dem heiligen Josef, dem Patriarchen, unsere große Liebe. Ich nenne ihn meinen Vater und Herrn, und ich liebe ihn sehr. Auch ihr müsst ihn sehr lieben, sonst wäret ihre keine guten Kinder von mir. Er war ein junger Mann, ganz rein und stark, den Gott selbst als Beschützer für sich und seine Mutter erwählt hat.
So versetzen wir uns in den Stall von Bethlehem: mit Josef, Maria und Jesus. »Dein Herz wird erbeben und sich weiten.«9 In der Vertrautheit dieser Familie wende ich mich an den heiligen Josef und hänge mich an seinen mächtigen und starken Arm, den Arm eines Arbeiters. Von ihm geht die Anziehungskraft des Reinen und Rechtschaffenen aus, des Vergöttlichten, das zugleich sehr menschlich ist. Auf seinen Arm gestützt, bitte ich ihn, mich zu seiner heiligen, makellosen Gattin zu führen, zur heiligen Maria. Denn sie ist meine Mutter, und so habe ich ein Recht darauf. So ist es. Die beiden werden mich dann zu Jesus führen.
Meine Töchter und Söhne, das alles ist kein Theater. Wir handeln viele Male in unserem Leben so, wenn wir eine Familie neu kennenlernen. Es ist die aufs Übernatürliche angewandte menschliche Art, die Familie von Nazareth kennenzulernen und mit ihr vertraut zu werden.
An diesem wunderschönen Tabernakel, den meine Kinder mit so viel Liebe angefertigt und den wir hier aufgestellt haben, als wir nicht einmal Geld zum Essen hatten; an diesem Prunkstück, das mir armselig vorkommt und tatsächlich armselig ist, weil es darum geht, Dich zu beherbergen; hier habe ich zwei, drei Details anbringen lassen. Das interessanteste ist das Wort über der Tür: »consummati in unum!«3 Ist es doch, als wären wir alle hier, an Dich geschmiegt, ohne von Dir zu weichen, bei Tag und bei Nacht, in einem Gesang der Danksagung und – warum nicht? – der Bitte um Verzeihung. Vielleicht bist Du ungehalten, wenn ich das sage. Du hast uns immer verziehen; immer bist Du bereit, die Fehler und die Verirrungen zu verzeihen, die Auswirkungen der Sinnlichkeit und des Stolzes.
Consummati in unum! Um zu sühnen … um Dir wohlgefällig zu sein … um Dir zu danken, denn das ist eine vorrangige Pflicht. Es ist nicht eine Pflicht dieses Augenblicks, von heute, von morgen, nein. Es ist eine ständige Pflicht, eine Äußerung des übernatürlichen Lebens, eine menschliche und göttliche Art, Deiner Liebe zu entsprechen, die göttlich und menschlich ist.
Sancta Maria, Spes nostra, Sedes sapientiae! Gib uns die Weisheit des Himmels, damit wir uns so verhalten, wie es wohlgefällig ist in den Augen Deines Sohnes und des Vaters und des Heiligen Geistes, des einen Gottes, der lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Heiliger Josef, ich kann dich nicht von Jesus und Maria trennen. Heiliger Josef, ich hatte immer Verehrung zu Dir, aber mir ist klar, dass ich dich täglich mehr lieben und diese Liebe in alle Himmelsrichtungen hinausrufen muss, denn so zeigen die Menschen ihre Liebe. Sie sagen: Ich liebe dich! Heiliger Josef, Vater und Herr, an wie vielen Orten werden sie schon zu dir gerufen und dir dasselbe gesagt haben, denselben Satz, dieselben Worte! Heiliger Josef, unser Vater und Herr, tritt ein für uns.
Das christliche Leben auf dieser heidnisch gewordenen Erde, auf dieser vom Wahnsinn befallenen Erde, in dieser Kirche, die nicht Deine Kirche zu sein scheint, weil sie überall wie verrückt sind – sie hören nicht hin, man gewinnt den Eindruck, dass sie an Dir kein Interesse haben; dass sie Dich nicht nur nicht lieben, sondern Dich gar nicht kennen, Dich vergessen –; dieses Leben also – ich wiederhole es – muss für uns göttlich sein, wenn es menschlich sein soll, und es wird göttlich sein, wenn wir viel Umgang mit Dir pflegen. Und wir würden zu Dir kommen, auch wenn wir viele Vorzimmer zu passieren hätten und um viele Audienzen bitten müssten. Aber wir brauchen nicht darum zu bitten! Du bist so allmächtig, auch in Deiner Barmherzigkeit, dass Du, Herr der Herren, König der Könige, Dich so sehr demütigst, wie ein Armer vor unserer Tür zu warten. Nicht wir warten auf Dich; Du selbst wartest ständig auf uns.
Du erwartest uns im Himmel, im Paradies. Du erwartest uns in der Heiligen Hostie. Du erwartest uns im Gebet. Und Du bist so gut, dass, wenn Du hier aus Liebe versteckt bist, verborgen in den sakramentalen Gestalten – und daran glaube ich fest –, wenn Du wirklich, wahrhaft und substantiell gegenwärtig bist mit Deinem Leib und Deinem Blut, mit Deiner Seele und Deiner Gottheit, dass dann auch die Heiligste Dreifaltigkeit gegenwärtig ist: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Und nicht genug: aufgrund der Einwohnung des Trösters in unserer Seele ist Gott in uns und sucht uns. Und irgendwie wiederholt sich jeden Tag das Ereignis von Bethlehem. Es ist möglich, dass wir – zwar nicht mit dem Mund, wohl aber mit unseren Taten – gesagt haben: »non est locus in diversorio«4, für Dich ist kein Platz in meinem Herzen. Ach, Herr, verzeih mir!
Ich bete den Vater an, den Sohn, den Heiligen Geist, den einen Gott. Ich begreife dieses Wunder der Dreifaltigkeit nicht. Aber Du hast in meine Seele die Sehnsucht, den Hunger des Glaubens gelegt. Ich glaube! Niemand soll mich im Glauben übertreffen. Ich hoffe! Niemand soll mich in der Hoffnung übertreffen. Ich liebe! Niemand soll mich in der Liebe übertreffen.
Du bist, der Du bist: das höchste Gut. Ich bin, der ich bin: der letzte schmutzige Lumpen dieser verderbten Welt. Und dennoch schaust Du auf mich … und suchst mich … und liebst mich. Herr, dass meine Kinder auf Dich schauen und Dich suchen und Dich lieben. Herr, dass ich Dich suche, auf Dich schaue, Dich liebe.
Auf Dich schauen heißt, die Augen der Seele auf Dich richten, mit dem Verlangen, Dich zu verstehen, soweit der menschliche Verstand Dich mit Deiner Gnade erkennen kann. Mit diesem Bisschen bin ich zufrieden. Und wenn ich merke, wie wenig ich von Deiner Größe begreife, von Deiner Güte, Deiner Weisheit, Deiner Macht, Deiner Schönheit … wenn ich merke, wie wenig ich verstehe, dann werde ich nicht traurig. Ich freue mich, dass Du so groß bist, dass Du nicht Platz hast in meinem armen Herzen, in meinem elenden Kopf. Mein Gott! Mein Gott! … Wenn ich Dir nichts anderes zu sagen weiß, genügen diese Worte: Mein Gott! All diese Größe, all diese Macht, all diese Schönheit … ist mein! Und ich … bin sein!
2 Kön 5, 10.
Ps 91, 13: Der Gerechte gedeiht wie die Palme.
Ebd.: Er wächst wie die Zedern des Libanon.
Ps 91, 14: Gepflanzt im Hause des Herrn, gedeihen sie in den Vorhöfen unseres Gottes.
Sir 45, 1: Geliebt von Gott und den Menschen, sein Andenken sei zum Segen.
Sir 45, 3: Er verlieh ihm Macht vor dem König; er sandte ihn zum Volk und zeigte ihm seine Herrlichkeit.
(a) »O felicem virum … vestire et custodire!«: Heiliger Josef, glücklicher Mann, dem es nicht nur gegeben war, Gott zu sehen und zu hören, den viele Könige sehen wollten und nicht sahen, hören wollten und nicht hörten, sondern auch Ihn in deinen Armen zu tragen, Ihn zu küssen, Ihn zu kleiden und Ihn zu beschützen.
(b) »Ora pro nobis … promissionibus Christi«: Bitte für uns, heiliger Josef, damit wir würdig werden der Verheißungen Christi.
(c) »Deus, qui dedisti … et portare …«: O Gott, der Du uns das königliche Priestertum gegeben hast, wir bitten Dich: Wie der heilige Josef für würdig befunden wurde, Deinen eingeborenen Sohn, geboren von der Jungfrau Maria, mit seinen Händen zu berühren und in seinen Armen zu tragen …
Mt 2, 13.
(d) »… ita nos facias … deservire«: so mache uns durch die Reinheit des Herzens und die Tadellosigkeit des Lebens würdig, an Deinem heiligen Altar zu dienen.
(e) »Ut Sacrosanctum … aeternum«: Damit wir heute würdig den heiligsten Leib und das heiligste Blut Deines Sohnes genießen und in der kommenden Welt die ewige Belohnung zu empfangen verdienen.
Ps 20, 4: Du kamst ihm entgegen mit Segen und Glück.
Ebd.: Du kröntest ihn mit einer goldenen Krone.
Ps 111, 1.
Ebd.: Wohl dem Mann, der den Herrn fürchtet und ehrt und sich herzlich freut an seinen Geboten.
Ps 111., 3: Wohlstand und Reichtum füllen sein Haus.
Ebd.
(a) Das ist ein Wortspiel auf Spanisch: voto heißt Gelübde. Der Satz heißt übersetzt: Weder Gelübde (votos) noch Stiefel (botas), noch Knöpfe (botones) oder Stiefeletten (botines).
Text gedruckt bei https://escriva.org/de/book-subject/en-dialogo-con-el-se%C3%B1or/10636/ (20.11.2025)