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Es gibt 9 Nummer in «Im Zwiegespräch mit dem Herrn» deren Stichwort lautet Heiligkeit.

Wir beginnen mit dem Einleitungsgebet: »Mein Herr und mein Gott, ich glaube fest, dass Du hier zugegen bist, dass Du mich siehst, dass Du mich hörst; ich bete Dich in tiefer Ehrfurcht an, ich bitte Dich um Verzeihung für meine Sünden« – und gleichzeitig, als Akt des Dankes und der Verehrung gegenüber der Gottesmutter, wollen wir nach diesem Gebet, das schon persönliches Beten ist, wie jeden Morgen und jeden Nachmittag betrachten, wie wir besser werden können.

Meine Kinder, heute, da mit dem neuen liturgischen Jahr eine Zeit voller Zuneigung zum Erlöser beginnt, ist ein guter Tag, um neu zu beginnen. Neu beginnen? Ja, neu beginnen. Ich beginne jeden Tag, jede Stunde, jedes Mal, wenn ich einen Reueakt verrichte. Und ich denke, dass du das auch tust.

»Ad te Domine levavi animam meam: Deus meus, in te confido, non erubescam«1, zu Dir, Herr, erhebe ich meine Seele, mein Gott, auf Dich vertraue ich. Lass mich nicht zuschanden werden! Ist dieses Vertrauen in Gott nicht die Stärke des Opus Dei? Im Laufe vieler Jahre haben wir in Augenblicken des Unverständnisses, ja des schonungslosen Unverständnisses so gebetet: »Non erubescam!« Aber wir sind nicht die einzigen Unverstandenen. Verständnislosigkeit erleiden alle, natürliche wie moralische Personen. Es gibt niemanden auf der Erde, der nicht mit oder ohne Berechtigung sagen könnte, dass er nicht verstanden wird, dass ihn Verwandte, Freunde, Nachbarn, Kollegen … nicht verstehen. Aber wenn er mit lauterer Absicht handelt, wird er sogleich sagen: »Ad te levavi animam meam« und mit dem Psalmisten fortfahren: »Etenim universi, qui te expectant, non confundetur«2, ja, alle, die auf dich harren, werden nicht zuschanden.

»In te confido …« Es handelt sich nicht mehr bloß um Unverständnis, sondern um Menschen, die hassen, die eine schlechte Absicht haben. Vor Jahren habe ich es nicht geglaubt, jetzt aber schon: »Neque irrideant me inimici mei«3: Lass meine Feinde mich nicht verlachen! Mein Sohn, Kind meiner Seele, sage Gott Dank dafür, dass Er diese Worte, die uns eine größere Stärke verleihen, in den Mund des Psalmisten gelegt hat. Und denke an jene Male, da du dich betroffen gefühlt und die Gelassenheit verloren hast, weil du dich nicht in der Lage sahst, dich an den Herrn zu wenden – Deus tuus, deinen Gott – und Ihm zu vertrauen.

Im inneren Kampf der Seele und im Kampf zur Ehre Gottes, um ein wirksames Apostolat im Dienst an Gott, den Menschen und der Kirche zu entfalten … dort in diesen Kämpfen habt Glauben und Vertrauen! »Aber Vater«, wirst du mich fragen, »wie verhält es sich dabei mit meinen Sünden?« Und ich antworte dir: Und was ist mit den Meinigen? So beten wir: »Ne respicias peccata nostra, sed fidem«4 und erinnern uns an die Worte aus der Heiligen Schrift: »Quia tu es, deus, fortitudo mea«5. Dann habe ich keine Angst mehr, weil Du, Herr, mehr auf meinen Glauben schaust als auf meine Erbärmlichkeit und weil Du meine Stärke bist. Und diese meine Kinder – ich bringe euch alle vor Gott – sind meine Stärke: sie sind stark, entschieden, sicher, gelassen, siegreich!

Aber auch demütig, demütig, weil wir den Ton, aus dem wir gemacht sind, sehr gut kennen und zumindest ein klein wenig unseres Stolzes und ein wenig unserer Sinnlichkeit haften bleibt. Und dabei wissen wir nicht alles. Wir wollen alles entdecken, was unseren Glauben, unsere Hoffnung, unsere Liebe behindert! Doch wir werden gelassen bleiben. Kurzum: Wir werden erahnen, dass wir bessere Kinder Gottes sind. So werden wir fähig sein, im neuen Jahr voranzukommen. Wir werden uns als Kinder Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes fühlen.

Uns hat der Herr den Weg zum Himmel gezeigt. Genauso wie Er Elija das unter der Asche verborgene gebackene Brot gab, hat Er es auch uns geschenkt, damit wir auf dem Weg vorangehen können. Dieser Weg kann der Weg eines Heiligen, eines Lauen oder – daran will ich gar nicht denken – eines schlechten Menschen sein. »Vias tuas, Domine, demonstra mihi; et semitas tuas edoce me«6: Zeige mir, Herr, Deine Wege, lehre mich Deine Pfade! Möchtest du darüber etwas mehr nachdenken?

»Excita, quaesumus, Domine, potentiam tuam, et veni«7. Biete deine Macht auf, o Herr, und komm, wir bitten Dich. Hier zeigt sich, wie genau die Kirche und die Liturgie, die das Gebet der Kirche ist, uns kennen! Schau, wie sie deinen und meinen Wunsch kennen, wie sie wissen, wie du bist, wie ich bin … excita, Domine, potentiam tuam et veni. Die Macht Gottes kommt zu uns. Es ist der verborgene Gott, der vorübergeht, der jedoch nicht wirkungslos vorbeigeht.

Komm, Jesus, »dann werden wir den Gefahren, die uns wegen unserer Sünden drohen, durch Deinen Schutz entrissen und durch Deine Erlösungstat errettet«8. Sage Gott, unserem Beschützer und Befreier, Dank. Denke jetzt nicht daran, ob deine Fehler groß oder klein sind: denke an das Verzeihen, das immer übergroß ist. Denke daran, dass die Schuld hätte groß sein können, und danke Gott dafür, dass er bereit war zu verzeihen und es immer sein wird.

Mein Sohn, der Beginn des Advents ist besonders geeignet, um einen Akt der Liebe zu verrichten, um zu sagen: ich glaube, ich hoffe, ich liebe; um sich an die Mutter des Herrn – Mutter, Tochter, Braut Gottes, unsere Mutter – zu wenden und sie zu bitten, uns von der Heiligsten Dreifaltigkeit mehr Gnaden zu erflehen: die Gnade der Hoffnung, der Liebe und der Reue. Wenn wir dies tun, wird der heftige, trockene Wind, der die Blumen der Seele austrocknen kann und der manchmal in unserem Leben zu wehen scheint, die Blumen unserer Seele nicht ausdörren.

Lerne den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist zu preisen. Bemühe dich darum, eine besondere Verehrung zur Heiligsten Dreifaltigkeit zu erlernen, indem du sagst: Ich glaube an Gott Vater, ich glaube an Gott Sohn, ich glaube an Gott, den Heiligen Geist, ich glaube an die Heiligste Dreifaltigkeit. Ich hoffe auf Gott Vater, auf Gott Sohn, auf Gott, den Heiligen Geist, ich hoffe auf die Heiligste Dreifaltigkeit. Ich liebe Gott Vater, Gott Sohn, Gott, den Heiligen Geist, ich liebe die Heiligste Dreifaltigkeit. Diese Andacht ist eine notwendige übernatürliche Übung, die sich in Regungen des Herzens manifestiert, auch wenn sie sich nicht immer in Worten ausdrückt.

Wir kommen zum dritten Punkt unserer Betrachtung, und in diesem dritten Punkt bin nicht ich es, der euch bestimmte Überlegungen vorträgt; nun seid ihr es, die ihr euch mit euch selbst konfrontieren müsst, denn der Herr hat uns für dasselbe Ziel erwählt, und in euch und in mir ist diese wunderbare universale Wirklichkeit geboren worden. Jetzt ist der Augenblick gekommen, in dem jeder auf sich selbst schauen muss, um zu erkennen, ob er das Werkzeug ist, das Gott will, oder nicht: das ist eine ganz persönliche Arbeit, eine tiefinnerliche Arbeit jedes einzelnen von euch mit Gott.

Seid davon überzeugt, meine Kinder, dass der einzige Weg der Weg der Heiligkeit ist. Inmitten aller Erbärmlichkeiten – ich habe viele – bitten wir aus ganzer Seele um Vergebung. Und trotz dieser Erbärmlichkeiten seid ihr beschauliche Seelen. Ich sehe das so. Ich betrachte nicht nur eure Fehler, denn wir kämpfen unentwegt gegen dieses Elend an, indem wir zum Herrn, unserem Gott, und seiner gebenedeiten Mutter gehen, indem wir uns bemühen, die Normen zu leben, die ich euch gegeben habe. Es ist uns ein Bedürfnis, zu Gott und zu Maria – zu unserer Mutter – zu gehen, und wir pflegen beständigen Umgang mit ihnen. Tun nicht genau das die beschaulichen Seelen?

Als ich heute Morgen aufwachte, dachte ich, dass ihr wohl möchtet, dass ich ein paar Worte an euch richte. Ich bin wahrscheinlich rot geworden, denn ich fühlte mich beschämt. Dann wandte ich mein Herz Gott zu, und ich sah, wie viel noch zu tun bleibt; und ich dachte auch an euch: Da war ich überzeugt, dass ich nicht alles gebe, was ich dem Werk schulde. Er schon, Gott schon. Deshalb sind wir heute Morgen gekommen, um unseren Dank zu erneuern. Ich bin sicher, dass auch euer erster Gedanke am heutigen Tag eine Danksagung gewesen ist.

Der Herr ist wirklich treu. Aber wir, sind wir treu? Ihr müsst eine persönliche Antwort geben, meine Kinder. Wie sieht sich jeder in seinem eigenen Leben? Ich frage euch nicht, ob ihr seht, dass ihr besser oder dass ihr schlechter seid, denn manchmal glauben wir etwas und sind dabei nicht objektiv. Manchmal lässt der Herr zu, dass es uns so vorkommt, als ob wir zurückfielen. Dann ergreifen wir noch fester seine Hand und fühlen uns voll Frieden und Freude. Deshalb frage ich euch nicht, ob es mit euch besser oder schlechter geht, sondern ob ihr den Willen Gottes erfüllt, ob ihr das Verlangen habt zu kämpfen, nach der göttlichen Hilfe zu rufen und nie ein menschliches Mittel zu ergreifen, ohne zugleich die übernatürlichen Mittel einzusetzen.

Denkt nach, ob ihr bestrebt seid, euer Herz zu weiten, ob ihr imstande seid, den Herrn zu bitten; denn oft sind wir dazu nicht imstande, oder wir bitten Ihn zwar, aber damit Er es uns nicht gewährt. Fragt euch, ob ihr imstande seid, Ihn darum zu bitten, dass ihr die Letzten seid und eure Brüder die Ersten; dass ihr das Licht seid, das sich verzehrt, das Salz, das aufgebraucht wird. Darum sollen wir bitten: uns verausgaben zu können, damit die anderen glücklich sind. Das ist das große Geheimnis unseres Lebens, das ist die Wirksamkeit unseres Apostolates.

Gestern Nachmittag war ich im kartengeschmückten Kabinettzimmer. Unbewusst warf ich einen Blick auf den Türsturz und stieß auf einen jener Wecker(a), von denen es in diesem Haus viele gibt: »Elegit nos ante mundi constitutionem ut essemus sancti in conspectu eius«3. Ich war bewegt. Es gibt kein anderes Mittel als den Kampf, heilig zu werden. Das ist unser Ziel. Wir haben kein anderes: Heiligkeit, Heiligkeit, Heiligkeit. Die apostolischen Einrichtungen, deren es viele gibt, sind keine Ziele, sondern Mittel, so wie die Hacke dem Gärtner als Werkzeug dient, um der Erde die Früchte abzuringen, die ihn ernähren. Meine Kinder, deswegen müssen wir uns mit allen unseren Kräften um die Heiligkeit bemühen: elegit nos … ut essemus sancti! Ich bitte den Herrn um Verzeihung für die Male, die ich Ihm nicht entsprochen habe, und um die Gnade, dieser Erwählung zu entsprechen. Wenn es notwendig ist, bitte ich um mehr Gnade der gewöhnlichen Vorsehung. Es macht mir nichts aus, da zu weit zu gehen.

Meine Kinder, ich möchte nicht, dass die Betrachtung zu lang wird. Helft mir, gegenüber Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist voll Dankbarkeit und Anerkennung zu sein, auch gegenüber der Mutter Gottes, die auch unsere Mutter ist, die uns immer, wenn es notwendig war, mütterlich zugelächelt hat. Als ich die Vorahnung hatte, dass der Herr etwas von mir wollte, und ich nicht wusste, was es war, rief und sang ich, wie ich es eben vermochte, Worte, die ihr sicher, wenn nicht mit dem Mund bewegt, doch im Herzen verkostet habt: »Ignem veni mittere in terram et quid volo nisi ut accendatur – Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen, und was will ich anderes, als dass es brenne«4. Und die Antwort: »Ecce ego quia vocasti me! – Hier bin ich, weil Du mich gerufen hast.«5 Sagen wir das jetzt alle aufs Neue unserem Gott?

Wir sind armselig, Herr, aber wir lieben Dich sehr, und wir wollen Dich noch viel mehr lieben, denn wir sind Deine Kinder. Wir rechnen mit Deiner ganzen Macht und mit unserer ganzen Armseligkeit. Indem wir unsere Armseligkeit eingestehen, werden wir uns wie die kleinen Kinder in die Arme unserer Mutter werfen, in den Schoß der Mutter Gottes, die unsere Mutter ist, und werden uns an das Herz Jesu Christi wenden. Dort werden wir alle Kraft und Macht, alle Kühnheit und Großzügigkeit erlangen, ja all die Liebe, die Gott für seine treuen Geschöpfe bereithält. Und wir werden sicher, wirksam und froh sein und durch diese göttliche Kraft mit der Hilfe Mariens den heiligen Willen Gottes erfüllt haben.

Wir fühlen uns jedesmal aufgerüttelt, Kinder meiner Seele, wenn wir auf dem Grund unseres Herzens jenen Ruf des heiligen Paulus vernehmen: »haec est enim voluntas Dei, sanctificatio vestra«1. Seit vierzig Jahren tue ich nichts anderes, als genau das zu predigen. Ich sage es zu mir selbst, und ich wiederhole es auch für euch und für alle Menschen: Das ist der Wille Gottes, dass wir heilig sind.

Ich habe kein anderes Rezept. Um den Seelen den Frieden zu bringen, um die Welt aufzurütteln, um in der Welt und durch die Dinge der Welt Gott, unseren Herrn, zu suchen, kenne ich kein anderes Rezept als die persönliche Heiligkeit. Deswegen sage ich immer, dass ich nur einen einzigen Kochtopf habe.

Meine Söhne, nur ein paar Worte, wenige, denn auch die Alten überkommt die Rührung – auch wenn ihr es vielleicht nicht glaubt.

An erster Stelle muss ich euch sagen, dass die Jahre weder Weisheit noch Heiligkeit verleihen. Der Heilige Geist legt hingegen den Jungen die Worte in den Mund: »super senes intellexi, quia mandata tua quaesivi«1: Ich habe mehr Weisheit als die Alten, mehr Heiligkeit als die Alten, weil ich mich bemüht habe, die Gebote des Herrn zu befolgen. Wartet nicht auf das Alter, um heilig zu werden. Das wäre ein großer Irrtum. Macht euch von jetzt ab daran, freudig, fröhlich, ernsthaft, durch die Arbeit – derzeit euer Studium – diese Aufgabe zu heiligen, indem ihr euch selbst heiligt und euch bewusst seid, dass ihr die anderen heiligt.

Ich erinnere mich jetzt an einen alten Priester aus Valencia, der im Ruf der Heiligkeit gestorben ist. Wenn man ihn fragte, wie viele Jahre er zähle, antwortete er immer: »Poquets! Wenige: so viele, wie ich Gott diene.« Leider diene ich Gott nur wenige Jahre, aber ich sehne mich danach, Ihm sehr, sehr, sehr viel zu dienen, um Ihn dann auch sehr zu lieben, wie ich Ihn schon jetzt liebe, allerdings auf andere Weise, mit der Fülle der Liebe.

Es waren wenige Jahre Dienst, wenig Weisheit, wenig Fülle der Heiligkeit, so wenig, dass ich das Verlangen habe, meinem Gott, der mich hört, diesem Gott, der jetzt gleich auf den Altar herabsteigen wird, jene Worte des Jeremias zu sagen: »A, a, a, Domine Deus! Ecce nescio loqui, quia puer ego sum«2; Herr, schau, ich bin ein stammelndes Kind, das nicht sprechen kann.

Und es fallen mir auch die Träume ein, die ich von jungen Jahren an hatte und die Wirklichkeit geworden sind. Damals sagte ich: Was wird sein, wenn ich alt bin? Wisst ihr, wo ich die Grenze für das Altseins zog? Bei vierzig Jahren! Allerdings gibt es da einen liebenswerten Freund von uns, dem man, als er klein war, eine Hausaufgabe stellte – un compito, wie man auf Italienisch sagt –, die er mit Storia di un vecchietto trentenne betitelte: Geschichte eines dreißigjährigen Alten …

Wie dem auch sei, einige der hier Anwesenden werden sich daran erinnern, was ich meinen Söhnen, die damals in meiner Nähe waren – es waren wenige – sagte, als ich die Ausbreitung des Werkes von Pol zu Pol voraussah, diese Expansion, dieses Werden einer großen Familie …

Ich sagte ihnen: Meine Kinder, schreibt nicht meinen Namen auf die Grabplatte, wenn ihr diesen armseligen sterblichen Leib bestattet. Was sollen wir denn schreiben?, fragtet ihr. Schreibt: »et genuit filios et filias«3; er zeugte Söhne und Töchter, wie die Patriarchen. Und das war kein Traum. Seht ihr nicht, wie die Träume Wirklichkeit geworden sind? Das Werk ist heute eine Familie ohne die Grenzen von Rasse, Sprache und Nation. Es herrscht eine wirkliche und übernatürliche, wunderbare Brüderlichkeit, bei der jeder eine große Liebe zur persönlichen Freiheit und zur persönlichen Verantwortung hat.

Ein Same Gottes, eine Familie, die sich ausbreitet, nachdem der Same die trockene Erde durchbrochen hat; denn er musste meine Nutzlosigkeit durchbrechen, meine Unwirksamkeit; so viel brutalen Widerstand musste er brechen … Die Dinge Gottes beginnen so, fangen klein an. Sie kommen mit sanfter Gewalt und schaffen sich einen Weg unter Schmerzen und Entsagung. Der Stengel sprießt auf, nachdem der Same abgestorben ist, und dann kommen die Blüten, die in wunderbaren Farben blühen und berauschenden Duft verströmen, und schließlich die Früchte. Die Früchte seid ihr und eure Schwestern. Träumt. Ich bin sechsundsechzig Jahre alt, und die Träume sind Wirklichkeit geworden. Außerdem fühle ich mich nicht alt. Seht ihr, wie das Werk mit der Gnade und dem Segen Gottes, unter dem Schutz unserer gebenedeiten Mutter, den Durchbruch geschafft hat? Unter dem Schutz der heiligen Maria – Spes Nostra, Sedes Sapientiae, filios tuos adiuva! Stella Maris, Stella Orientis, wie ich sie so gerne nenne. Es ist herangereift und hat auf der ganzen Welt Blüten und Duft und reichliche Früchte hervorgebracht.

Aber ich beginne stets von neuem, meine Kinder. Ihr müsst für mich beten. Betet viel für mich. Ich bete für euch. Das wäre der Ausgleich, aber ein Ausgleich ist wenig. Ihr müsst mich aus kindlicher Liebe übertreffen, mir helfen und mich stützen. Ich brauche das. Betet für mich, dass ich vor Gott ein Kind und in der Arbeit stark bin. Ich bin alt und bald kommt die Nacht für mich. Betet, dass ich mit Freuden den endgültigen Ruf anzunehmen weiß, den Weg der Liebe, den ich erahne. Bittet, meine Lieben, dass ich es verstehe, die seligste Jungfrau wie ein Sohn zu lieben und – gleichfalls wie ein Sohn – die Größe des Herrn zu betrachten, meines Vaters, des Dreifaltigen und Einen Gottes.

Empfehlt mich meinem Schutzengel an, so wie ich dafür gesorgt habe, dass eure ersten Brüder und die Jungen vom heiligen Rafael für mich beteten, woran sich einige sicher erinnern werden. Da ich immer diesen gesegneten antiklerikalen Geist besessen habe – es ist ein Segen Gottes, die Priester und die Heilige Kirche zu lieben und dabei auf heilige Weise antiklerikal zu sein –, sagte ich ihnen: Geht auf der Straße nicht mit mir zusammen, grüßt mich nicht. Wenn ihr mich seht, betet für mich zu meinem Schutzengel. Und wenn ich in eine Straßenbahn einsteige, in der ihr seid, dann kommt nicht zu mir. Betet für mich.

Jetzt, mit sechsundsechzig Jahren, bereue ich das nicht, sondern gebe euch denselben Ratschlag. Empfehlt mich meinem Schutzengel an, damit er mir hilft, gut, treu und froh zu sein; damit ich, wenn die Zeit gekommen ist, von der Liebe Gottes des Vaters, Gottes des Sohnes, Gottes des Heiligen Geistes umarmt werden kann und von der Gottesmutter Maria.

Meine Töchter und Söhne, geht die Dinge ernsthaft an. Nehmt jetzt den Weg wieder auf. Ich bin ein großer Freund des Wortes Weg, denn im Hinblick auf Gott sind wir alle unterwegs. Wir sind viatores, wir wandern zum Schöpfer, seit wir auf die Erde gekommen sind. Jemand, der sich auf den Weg macht, hat ein Ziel vor Augen, verfolgt einen Zweck: Er möchte von hier nach dort kommen und setzt alle Mittel ein, um das Reiseziel wohlbehalten zu erreichen. Er beeilt sich entsprechend und achtet darauf, nicht auf unbekannte Seitenpfade zu geraten, die in den Abgrund führen oder auf denen durch wilde Tiere Gefahr droht. Gehen wir ernsthaft voran, Kinder! Wir müssen uns den Dingen Gottes und der Seelen mit demselben Einsatz widmen, den die anderen auf die Angelegenheiten der Erde verwenden: mit einem großen Verlangen, heilig zu werden.

Wir wissen, dass es auf Erden keine Heiligen gibt, wir aber alle wirksam wünschen können, heilig zu werden. Mit diesem Wunsch erweist du der Kirche und ganz besonders deinen Geschwistern im Werk eine große Wohltat. Gleichzeitig ist der Gedanke, dass du den anderen schweren Schaden zufügst, wenn du vom Weg abkommst, eine große Stütze für die Loyalität.

Gott verlangt von euch und auch von mir, was Er von einer normalen Person verlangt. Darin besteht unsere Heiligkeit: die alltäglichen Dinge gut zu verrichten. Mag sein, dass einer einmal Gelegenheit hat, den Lorbeerkranz zu erringen. Aber das wird selten der Fall sein. Und bedenkt – die Militärs mögen jetzt nicht auf mich böse sein –, dass die Soldaten, die fallen, keine Auszeichnung erhalten: die bekommt der Hauptmann. Il sangue del soldato fa grande il capitano, sagt ein italienisches Sprichwort: Das Blut des Soldaten ehrt den Anführer. Ihr seid die Heiligen: treu, arbeitsam, froh, sportlich. Und ich ernte den Applaus. Allerdings kommen auch die Hassausbrüche über mich. Ihr tut viel Gutes für mich. Aber vergesst es nicht, meine Kinder: die Hassausbrüche hat der Vater zu tragen.

Der Satan ist nicht zufrieden, denn ich habe euch mit der Gnade des Herrn einen Weg gezeigt, eine Möglichkeit, in den Himmel zu kommen. Ich habe euch ein Mittel gegeben, um auf beschauliche Weise zum Ziel zu gelangen. Der Herr gewährt uns diese Beschauung, die ihr normalerweise kaum wahrnehmt. Gott kennt kein Ansehen der Person. Er gibt uns allen diese Mittel.

Vielleicht merkt euer Beichtvater oder die Person, die eure Aussprache hört, dass ihr etwas korrigieren müsst, und gibt euch ein paar Hinweise. Aber der Weg des Werkes ist sehr breit. Man kann rechts oder links gehen, zu Pferde oder mit dem Fahrrad, auf den Knien, auf allen Vieren wie in eurer Kindheit, und auch im Straßengraben, solange man nicht den Weg verlässt.

Jedem weist Gott im Rahmen der allgemeinen Berufung zum Opus Dei – die darin besteht, mitten auf der Straße die berufliche Arbeit zu heiligen – seinen besonderen Weg, um zum Ziel zu gelangen. Wir werden nicht nach demselben Muster zurechtgeschneidert wie nach einer Schablone. Unser Geist ist so weitläufig, dass das Gemeinsame durch die persönliche Verschiedenartigkeit, durch den gesunden Pluralismus nicht verlorengeht. Im Opus Dei stecken wir die Seelen nicht in eine Gussform, um sie dann zurechtzupressen. Wir wollen niemandem ein Korsett anlegen. Es gibt einen gemeinsamen Nenner: das Ziel erreichen zu wollen. Und das genügt.

Ich vergleiche unsere Seele gern mit einem Gefäß, das Gott, unser Herr, gemacht hat, damit es eine Essenz aufnehmen kann, die Essenz der Weisheit, die eine Gabe ist, eine sehr große Gnade des Heiligen Geistes. Die Weisheit, meine Töchter und Söhne, ist ein »Hauch der göttlichen Macht und ein reiner Ausfluss der Herrlichkeit des allmächtigen Gottes, weshalb es an ihr nichts Beflecktes gibt. Sie ist der Widerschein des ewigen Lichtes, der ungetrübte Spiegel göttlichen Tuns, das Abbild seiner Güte. Sie ist nur eine und vermag doch alles. Ohne sich zu ändern, erneuert sie alles. Von Geschlecht zu Geschlecht wird sie ausgegossen in die heiligen Seelen.«1

Bewundert die Schönheit der Gabe der Weisheit, die der Heilige Geist mit seiner Gnade großzügig unseren Herzen eingießt. So wunderbar ist diese Gabe, »dass Gott nur den liebt, der mit der Weisheit zusammenwohnt«2.

Ich will euch in Erinnerung rufen, was die Heilige Schrift sagt, dass zugleich mit der Weisheit alle Güter kommen. Deshalb müssen wir den Heiligen Geist um sie bitten für jeden von uns und für alle Christen. »Ich rief zum Herrn«, so lesen wir im Buch der Weisheit, »und der Geist der Weisheit kam über mich. Und ich zog sie Zeptern und Thronen vor und achtete den Reichtum für nichts im Vergleich mit ihr. Keinen Edelstein stelle ich ihr gleich, denn alles Gold erscheint neben ihr wie ein Sandkorn, und Silber gilt ihr gegenüber so viel wie Lehm. Ich liebte sie mehr als Gesundheit und Schönheit und zog ihren Besitz dem Lichte vor, denn niemals erlischt der Glanz, der von ihr ausgeht. Alle Güter kamen mir zusammen mit ihr, und unschätzbarer Reichtum lag in ihren Händen.«3 Mit anderen Worten können wir sagen, dass mit dem Geist des Opus Dei zugleich auch alle Güter in eine Seele kommen; denn diese unsere Art, mit dem Blick auf Gott zu leben – ohne uns in der Anonymität zu verstecken, ohne uns darum zu kümmern, ob man uns sieht oder hört, darauf bedacht, unserem Gewissen gemäß mit lauterer Absicht zu handeln – ist Weisheit.

Wenn wir der Berufung treu sind, meine Töchter und Söhne, wird sich dieser Geist der Weisheit auf uns alle niederlassen, denn der Herr teilt ihn mit vollen Händen an jene aus, die Ihn mit aufrechtem Herzen suchen. Um wirklich weise zu sein – das habe ich euch oft gesagt –, braucht man keine umfangreiche kulturelle Bildung. Wenn ihr sie habt, gut; wenn nicht, auch gut, solange ihr treu seid, denn ihr werdet immer die Hilfe des Heiligen Geistes empfangen. Außerdem werdet ihr, wenn ihr an den Bildungsmitteln, die euch das Werk zur Verfügung stellt, teilnehmt, wenn ihr die Tagungen, Jahreskurse und Einkehrstunden ausnützt, eine so gründliche theologische Bildung erlangen, dass sie sich mit der eines guten Priesters messen kann.

Ihr braucht aber keine großen wissenschaftlichen Kenntnisse. Es gibt ein Wissen, das man nur mit Heiligkeit erreicht. Und es gibt verborgene, verkannte, zutiefst demütige, opferwillige, heilige Seelen mit einem wunderbaren Gespür für das Übernatürliche: »Ich preise Dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil Du dies vor den Weisen und Klugen verborgen, den Kleinen aber geoffenbart hast.«4 Mit einem übernatürlichen Sinn, der der Aufgeblasenheit vorgeblicher Weiser nicht selten abgeht: »evanuerunt in cogitationibus suis, et obscuratum est insipiens cor eorum, dicentes enim se esse sapientes stulti facti sunt«5; in ihren Gedanken wurden sie albern, und ihr verrücktes Herz erfüllte sich mit Finsternis; und während sie damit prahlten, weise zu sein, wurden sie töricht.

Persönliche Heiligkeit: darauf kommt es an, meine Töchter und Söhne, sie ist das einzig Notwendige.6 Die Weisheit besteht darin, Gott zu kennen und zu lieben. Und damit ihr nie eine Überraschung erlebt, will ich euch mit dem heiligen Paulus daran erinnern, dass wir diesen Schatz in irdenen Gefäßen tragen: »habemus autem thesaurum istum in vasis fictilibus«7. Das Gefäß ist so schwach, dass es leicht zerbricht, »ut sublimitas sit virtutis Dei et non ex nobis«8, damit man erkennt, dass diese ganze Schönheit und diese Macht von Gott sind und nicht von uns. In der Heiligen Schrift heißt es auch: »Das Herz des Toren gleicht einem zerbrochenen Krug: es fasst keine Weisheit.«9 Damit lehrt uns der Heilige Geist, dass wir nicht wie Kinder oder wie Toren sein dürfen. Wir sollen stark sein: Kinder Gottes. Wir werden bei unserer Arbeit und im Beruf ständig in der Gegenwart Gottes leben, die uns dazu führt, auf die Vollkommenheit in den kleinen Dingen zu achten. Wir müssen dafür sorgen, dass das Gefäß heil bleibt, damit diese göttliche Essenz nicht verschüttet wird.

Das Gefäß zerbricht nicht, wenn wir alles, selbst unsere Leidenschaften, auf Gott ausrichten. In sich betrachtet, sind die Leidenschaften weder gut noch böse. Es hängt von jedem Einzelnen ab, ob er sie zähmt. Dann sind sie gut, selbst wenn es nur aus diesem negativen Grund wäre: »quia virtus in infirmitate perficitur«10. Denn wenn wir diese Krankheit im Bereich der Sitten spüren, dann aber siegen und wieder gesund werden, erlangen wir innigeren Umgang mit Gott, mehr Heiligkeit.

Mein Gott, es gibt viele Menschen, viele – auch solche, die eigentlich die Seelen davon überzeugen sollten, diesen inneren Weg einzuschlagen –, die uns anschauen, als wären wir verrückt oder komische Vögel. Denn sie glauben in keiner Weise, dass man zu diesem innigen Umgang mit dem Herrn gelangen kann. Es ist traurig, dass ich euch das sagen muss, aber es ist wahr.

Ihr wisst, dass man sehr wohl zu einer solchen Freundschaft gelangen kann und gelangen soll; dass sie für unsere Seele ein Bedürfnis darstellt. Wenn ihr diesen Umgang mit Gott nicht habt, werdet ihr nicht wirksam sein und den großen Dienst an der Kirche, an euren Geschwistern und an allen Seelen nicht leisten können, den der Herr und das Werk erwarten.

Nehmt das, was ich euch sage, mit in euer Gebet. Haltet im Licht, das euch der Heilige Geist gewährt, Einkehr in eurem Herzen, um alles auszumerzen, was das Gefäß zerbrechen und euch die Einheit des Lebens rauben könnte. Ihr müsst Menschen sein – und daran erinnere ich euch immer wieder –, die sich nicht wundern, wenn sie spüren, dass sie in sich ein wildes Tier beherbergen.

Anmerkungen
1

Ps 24, 1-2.

2

Ebd.

3

Ebd.

4

Gebet bei der Hl. Messe.

5

Ps 42, 2.

6

Ps 24, 4.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
7

Tagesgebet.

8

Tagesgebet.

Anmerkungen
(a)

(a) So nannte der heilige Josemaría Bilder, Spruchtafeln oder ähnliches, das den Betrachter an die Gegenwart Gottes erinnern soll.

3

Vgl. Eph 1, 4: Er hat uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig leben vor Gott.

4

Lk 12, 49.

5

1 Sam 3, 9.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
1

1 Thess 4, 3.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
1

Ps 118, 100.

2

Jer 1, 6.

3

Gen 5, 16.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
1

Weish 7, 25-27.

2

Weish 7, 28.

3

Weish 7, 7-11.

4

Mt 11, 25.

5

Röm 1, 21-22.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
6

Vgl. Lk 10, 42.

7

2 Kor 4, 7.

8

Ebd.

9

Sir 21, 17.

10

2 Kor 12, 9.

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