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Unser Opus Dei ist in höchstem Maß laikal, aber Priester sind notwendig. Obwohl ich das Priestertum so liebe, wie ich es liebe, habe ich bis vor kurzem immer gelitten, wenn einer eurer Brüder geweiht wurde. Jetzt geschieht das Gegenteil, jetzt macht mich das sehr glücklich. Aber es muss ohne Zwang geschehen, mit absoluter Freiheit. Gott missfällt es nicht, wenn einer meiner Söhne nicht Priester werden möchte. Außerdem brauchen wir viele heilige und gelehrte Laien. Diejenigen, die zum Priestertum berufen werden, haben also bis zum Tag, ja bis zum Augenblick der Weihe vollständige Freiheit. Wenn einer sagt: Vater, nein, ich möchte nicht Priester werden, ist das sehr gut. Ich sage dann: Mein Sohn, Gott segne dich, du enttäuschst mich nicht.
Trotzdem brauchen wir viele Priester, die ihren Schwestern und Brüdern und diesen großartigen Berufungen, die die Diözesanpriester sind, wie Knechte voll Freude dienen. Wir brauchen sie für die Arbeit vom heiligen Rafael und vom heiligen Gabriel, um allen Mitgliedern des Werkes die Sakramente spenden zu können und um den vielen Mitarbeitern zu helfen, die, wenn wir sie bilden, wie es sein soll, sehr wirksam sein werden. Ohne Priester ist das nicht möglich.
Das Werk breitet sich auf wunderbare Weise über die Welt aus. Herr, ich bin beschämt! Nicht leicht findet man jemanden, man erinnert sich nicht an einen Fall, wo jene, die eines Deiner Werke begonnen haben, hier auf Erden so viel Wunderbares sehen durften, wie ich es sehen darf: an Ausdehnung, an Zahl, an Qualität.
Wir brauchen Priester für die Suche nach Berufungen. Denn obwohl die meiste Arbeit von den Laien geleistet wird, stößt man an die sakramentale Mauer. Wenn man sich da an Kleriker wenden müsste, die nicht unseren Geist haben, dann würde die ganze Arbeit behindert werden, weil die einen es nicht können und andere nicht wollen.
Wir brauchen Priester auch für die Leitung des Werkes: wenige, weil die Ämter in den Häusern des Werkes sowie zwei Drittel der Ämter des Generalrates und der Regionalkommissionen von meinen Kindern, die Laien sind, bekleidet werden. Die restlichen werden Priester sein, die viel arbeiten und das Wie und Wo unserer Arbeit auf der ganzen Welt kennen. Es wird der Augenblick kommen, da eure Brüder, die an vielen Orten mit der apostolischen Arbeit des Werkes beginnen, wieder in ihre Länder zurückkehren und dort bei der Leitung mitarbeiten werden. Durch ihre persönliche Heiligkeit und ihre Erfahrung werden sie die Leitung mit viel Geschick unterstützen.
Wir brauchen Priester als Werkzeuge der Einheit. Der Priester muss also ganz besonders darauf achten, dass er keine Grüppchen bildet …! Man muss sich von den Seelen lösen! Ich hatte niemand, der mich das hätte lehren können – ich hatte keinen Vater(b) wie ihr –, es war der Herr, der mich anwies, das Persönliche immer zu vermeiden, noch bevor ich wusste, was Gott von mir wollte. Manchmal riet ich den Leuten, die zu meinem Beichtstuhl kamen: Geh zu einem anderen Priester; heute höre ich deine Beichte nicht. Ich tat das, damit sie sich frei fühlen, damit sie nicht an mir kleben, damit nicht die Anhänglichkeit an ein Geschöpf das Motiv für den Empfang des Sakramentes sei, sondern es aus göttlichen, aus übernatürlichen Motiven geschieht – aus Liebe zu Gott.
Aber kommen wir zum ersten Punkt unserer Betrachtung. Seit Du, Herr, begannst, Dich meiner Seele zu zeigen, als ich fünfzehn oder sechzehn Jahre alt war; seit ich mit sechzehn oder siebzehn schon irgendwie wusste, dass Du mich suchtest und ich die ersten Impulse Deiner Liebe empfand, sind viele Jahre vergangen. Nachdem ich aus Bequemlichkeit und aus Feigheit so viele Schwierigkeiten gemacht hatte – das habe ich oft gesagt, und ich habe meine Kinder deswegen um Verzeihung gebeten –, brach an jenem 2. Oktober 1928 plötzlich das Werk in die Welt herein.
Ihr werdet mir helfen, dem Herrn zu danken und Ihn darum zu bitten, dass mein Vertrauen auf Ihn und meine Liebe zu Ihm niemals erkalten, jener einfache Umgang mit dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, auch wenn meine Schwächen und Erbärmlichkeiten noch so groß sind. Man soll mir anmerken – ohne äußerlich, noch innerlich seltsam zu sein –, dass ich weiß, dass ich ein armer Mensch bin: »pauper servus et humilis!« Diese Überzeugung soll nicht verlorengehen. Immer war mir klar, dass ich vom ersten bis zum letzten Augenblick meines Lebens die Barmherzigkeit Gottes brauchen werde.
Bittet den Herrn, dass Er mich gut arbeiten lässt und ich es zuwege bringe, jene Dinge, die eine menschliche, eine natürliche Grundlage haben, mit einer immer tieferen übernatürlichen Sicht in eine Quelle der Selbsterkenntnis und der Demut zu verwandeln – ohne Getue, mit Einfachheit.
Wann starb der Gründer?, fragen manche, denn sie denken, das Werk sei schon alt. Sie merken nicht, dass es ganz jung ist. Der Herr hat es schon mit übernatürlicher und menschlicher Reife ausstatten wollen, auch wenn wir in einigen Regionen noch am Anfang stehen, so wie die heilige Kirche selbst nach zwanzig Jahrhunderten am Anfang steht.
Nur ich weiß, wie wir begonnen haben. Menschlich gesehen gab es nichts. Ich hatte nur die Gnade Gottes, sechsundzwanzig Jahre und gute Laune. Aber einmal mehr hat sich das Gleichnis vom kleinen Samenkorn erfüllt, für das wir unserem Herrn zutiefst dankbar sein müssen. Die Zeit ist vergangen. Der Herr hat uns im Glauben gestärkt und uns gegeben, was wir damals am Anfang des Werkes gesehen haben, ja mehr als das. Es ist auf der ganzen Welt wunderbare Realität geworden: dieses Heer, das zu einer Schlacht für den Frieden angetreten ist, für das Gute, für die Freude, für die Ehre Gottes. Angesichts dieser göttlichen Arbeit von Männern und Frauen in den verschiedensten Situationen, von Laien und Priestern, dieser Arbeit, die sich großartig ausweitet, obwohl sie notwendigerweise auf peinvolle Momente stoßen wird, weil wir immer am Anfang stehen – angesichts all dessen müssen wir in Liebe unser Haupt senken, uns an Gott wenden und Ihm danken. Und wir müssen uns auch an unsere himmlische Mutter wenden, die vom ersten Augenblick an den ganzen Weg des Werkes mit uns gegangen ist.
Ein Grund, immer zu lächeln. Wir sollen lächeln auch inmitten der Härte mancher Umstände, indem wir immer wieder zum Herrn sagen: gratias tibi, Deus, gratias tibi! Nutzt diese Momente eures Gebetes, um die Welt in Gedanken zu durchstreifen und zu sehen, wie die Dinge liegen. Es ist notwendig, dass wir von Herzen lieben, die apostolischen Einrichtungen vorantreiben und die Leute bilden. Durchstreift mit eurer Phantasie, so sagte ich euch, alle Regionen der Welt. Haltet besonders bei jener inne, die eurem Herzen am nächsten liegen sollte. Haltet inne, um Dank zu sagen, und setzt durch euer Gebet die heiligen Schutzengel in Bewegung.
Mit dem Datum von heute wird eine Anweisung hinausgehen, die festlegt, dass sich im Arbeitszimmer der Leiter der Zentren des Werkes eine Darstellung des Schutzengels geben soll mit den Worten der Heiligen Schrift: »Deus meus misit angelum suum.«1 Es handelt sich um eine Gewohnheit, die in die Herzen aller Leiter und in die Herzen aller meiner Kinder eine praktische, reale und beständige Verehrung des Schutzengels des Werkes, des Schutzengels jedes Zentrums und des Schutzengels jedes einzelnen einpflanzen soll.
»Deus meus misit angelum suum.« Ich möchte euch das erklären. Jahre lang habe ich die ständige, unmittelbare Hilfe des Schutzengels bis in die winzigsten materiellen Kleinigkeiten hinein erfahren. Der Umgang mit den heiligen Schutzengeln und ihre Verehrung gehört zum inneren Kern unserer Arbeit, ist konkreter Ausdruck der übernatürlichen Sendung des Werkes Gottes. Gratias tibi, Deus; gratias tibi, Sancta Maria Mater nostra! Und Dank den Schutzengeln: defendite nos in proelio, Sancti Angeli Custodes nostri!
Vater, hat das Werk wirklich am 2. Oktober 1928 begonnen? Ja, mein Sohn, am 2. Oktober 1928 hat es begonnen. Von diesem Augenblick an hatte ich keine Ruhe mehr. Ich begann zu arbeiten, widerwillig, denn ich wehrte mich dagegen, etwas zu gründen. Aber ich begann zu arbeiten, mich zu bewegen, etwas zu tun: die Fundamente zu legen.
Ich machte mich an die Arbeit, und es war nicht leicht. Die Seelen entglitten mir wie die Aale im Wasser. Außerdem gab es das brutalste Unverständnis; denn was heute auf der ganzen Welt gängige Lehre ist, war es damals nicht. Und wenn jemand das Gegenteil behauptet, verkennt er die Wahrheit.
Ich hatte sechsundzwanzig Jahre – ich wiederhole es –, die Gnade Gottes und gute Laune. Und sonst nichts. Aber so wie die Menschen mit einer Feder schreiben, schreibt der Herr mit einem Tischbein, damit man sieht, dass Er es ist, der schreibt: das ist das Unglaubliche, das ist das Wunderbare. Die ganze theologische und asketische Lehre musste erst noch geschaffen werden, und genauso die ganze juristische Lehre. Ich stand vor einem über Jahrhunderte gehenden Kontinuitätsbruch: Es gab nichts. Mit menschlichen Augen betrachtet, war das ganze Werk ein Unding. Deshalb sagten einige, ich sei verrückt, ein Ketzer und anderes dergleichen.
Der Herr ordnete den Lauf der Dinge so, dass ich über keinen Cent verfügte, denn auch auf diese Weise sollte man sehen, dass Er es war. Stellt euch vor, wie ich jene leiden ließ, die an meiner Seite lebten! Es ist gerecht, dass ich hier meiner Eltern gedenke. Mit welcher Freude, mit welcher Liebe haben sie all die Demütigungen ertragen! Ich musste gemahlen werden, wie man mit dem Weizen verfährt, um mit dem Mehl Brot backen zu können. Deshalb schlug der Herr auf jene ein, die ich am meisten liebte … Danke, Herr! Denn dieses wunderbare Brot verbreitet schon auf der ganzen Welt den »Wohlgeruch Christi«2. Danke für diese Tausende Seelen, die Gott auf der ganzen Erde verherrlichen. Denn alle sind Dein.
Es kam der 2. Oktober 1928. Ich machte Besinnungstage, weil man sie machen musste, und genau da kam das Opus Dei zur Welt. Noch heute klingen die Glocken der Kirche Unserer Lieben Frau von den Engeln, die ihre Patronin feierten, in meinen Ohren. Der Herr »ludens … omni tempore, ludens in orbe terrarum«1, der mit uns wie ein Vater mit seinen kleinen Kindern spielt, auch wenn wir gar nicht mehr so kleine Geschöpfe sind, sah meinen Widerstand und diese begeisterte und zugleich schwächliche Arbeit. Er fügte es, dass ich in scheinbarer Demut dachte, auf der Welt könnte es etwas geben, das sich von dem, was Er von mir verlangte, nicht unterscheide. Das war Feigheit, die wenig vernünftig war, eine Feigheit aus Bequemlichkeit und der Beweis dafür, dass ich keineswegs Gründer von irgendetwas sein wollte.
Ich war damals nicht besser als heute; ich war ein armer Mensch. Als dies alles geschah, gab es an mir nichts, was auch nur im Entferntesten zur Annahme berechtigt hätte, es wäre von mir selbst gekommen. Es war Liebe, ein Beweis der Liebe Gottes, der die Wege der gewöhnlichen Vorsehung verließ; denn wenn es notwendig war, gab es tatsächlich außergewöhnliche Eingriffe – ich würde lügen, wollte ich das Gegenteil behaupten –, und ich erlebte sie mit Angst. Wenn dergleichen geschah, spürte ich immer sofort das Ich bin es. Wenn ich das Vorgefallene rational zu erfassen suchte, wurde mir klar, dass es sich nicht um eine Sache der Nerven handeln konnte. Es war etwas, das von Gott kam. Und ich ging ruhig zu meinem Beichtvater, wenngleich noch schwankend.
Damit kein Zweifel daran aufkommen konnte, dass Er derjenige war, der sein Werk vollbringen wollte, bediente sich der Herr sichtbarer Zeichen. Ich hatte geschrieben: Nie wird es Frauen im Opus Dei geben – nicht einmal im Scherz. Und wenige Tage später … der 14. Februar: damit sichtbar würde, dass es sich nicht um eine Sache von mir handelte, sondern es gegen meine Neigung und meine Absicht geschah.
Ich besuchte das Haus einer alten, achtzigjährigen Dame, die bei mir zu beichten pflegte, um in ihrer kleinen Hauskapelle die Messe zu feiern. Und dort war es, in jener Heiligen Messe, nach der Kommunion, dass die weibliche Abteilung zur Welt kam. Nachher beeilte ich mich, meinen Beichtvater aufzusuchen, der mir sagte: Das kommt genauso von Gott wie alles andere.
Diese Eingriffe des Herrn bewegten, ja verwirrten mich. Sie ließen mich in dem Augenblick – trotz der vier oder vielleicht sechs Studienjahre Heilige Schrift mit den besten Noten – alles vergessen, was das Evangelium sagt. Ach, mein Gott, das ist der Teufel! Einmal ging ich von der Kirche Santa Isabel zur Wohnung meiner Mutter, um zu sehen, was im Evangelium geschrieben steht. Und es war alles genau richtig …
Als ich angesichts des Dilemmas, ob ich während des spanischen Bürgerkrieges auf die andere Seite hinüberwechseln sollte oder nicht, voller Sorgen war, kam mitten in der Verfolgung, auf der Flucht vor den Kommunisten, ein weiterer äußerer Beweis: jene hölzerne Rose(a). Dinge dieser Art: Gott behandelt mich wie ein unglückliches Kind, dem man anfassbare Beweise geben muss, aber auf gewöhnliche Art und Weise.
So also, auf ganz gewöhnliche Weise, hat mich Jesus, unser Herr, haben mich der Vater und der Heilige Geist, mit dem anmutigen Lächeln der Mutter Gottes, Tochter Gottes und Braut Gottes, vorangehen lassen, obwohl ich der bin, der ich bin: ein armer Mensch, ein kleiner Esel, den der Herr bei der Hand nehmen wollte: »ut iumentum factus sum apud te, et ego semper tecum«2.
Ein Priester hat kürzlich das Buch DerWeg kritisiert und gesagt, er sei kein »Kehrichteimer«(b), denn der Leib werde auferstehen. Er erinnert sich nicht an das, was der heilige Paulus schreibt: »Ich erachte alles als Kehricht«3; und an einer anderen Stelle: »Wir werden behandelt wie der Auswurf der Welt, wie der Abschaum aller«4; und nicht an die vielen Male, wo in der Heiligen Schrift steht, dass wir aus Lehm sind, aus dem Staub der Erde gebildet.5 Mich hat der Herr das sehr klar verstehen lassen. Das heißt, nicht nur wie der Eimer, sondern wie das, was im Eimer ist – so komme ich mir vor. Verzeih, Herr, verzeih!
Wir wollen schließen. Es kam der 14. Februar 1943. Eine passende kirchenrechtliche Lösung für unsere Priester war nicht zu finden. Gleichzeitig tobte die Verfolgung – im Wörterbuch gibt es keinen anderen Ausdruck, um das, was vorfiel, zu beschreiben –, und dabei war ich nicht der Mülleimer, sondern der Spucknapf für die ganze Welt. Jeder meinte, er habe das Recht, diesen armen Mann anzuspucken. Und es ist wahr, dass sie das Recht hatten und weiterhin haben; aber dieses Recht übten jene aus, die sich gut nannten, es aber nicht sonderlich waren.
Eure Brüder waren alle heilig, doch ich wählte für das Priestertum drei aus, die wirtschaftlich eine große Stütze waren … Und wiederum ließ mich der Herr mit einem weiteren sichtbaren Zeichen in der Messe die Lösung erkennen: das, was wir das Siegel nennen, und den Namen: Priestergesellschaft vom Heiligen Kreuz. Niemand außer Alvaro, dem ich es sofort erzählt habe, hat davon erfahren. Und ich habe das Siegel gezeichnet.
Meine Kinder, was will ich euch sagen? Dass wir Gott, unserem Herrn, der alles sehr gut gemacht hat, danken sollen, denn ich bin nie das geeignete Werkzeug gewesen. Bittet den Herrn zusammen mit mir, Er möge aus uns kraft der Verdienste und der Fürsprache seiner Mutter, die unsere Mutter ist, gute und treue Werkzeuge machen.
Im Laufe meines Lebens habe ich, meine lieben Söhne, immer versucht, das, was Gott mir gab, weiterzuleiten in eure Seelen. Im Geist des Opus Dei gibt es nichts, was nicht heilig wäre, denn er ist nicht menschliche Erfindung, sondern Werk der göttlichen Weisheit. In diesem Geist glänzt all das Gute, das der Herr in das Herz eures Vaters hat legen wollen. Wenn ihr in meinem Leben Schlechtes seht, dann wird es nicht vom Geist des Werkes herrühren, sondern es werden meine persönlichen Erbärmlichkeiten sein. Betet daher für mich, damit ich gut und treu bin.
Zu den Gütern, die der Herr mir hat geben wollen, gehört die Verehrung der Heiligsten Dreifaltigkeit – der Dreifaltigkeit des Himmels: Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist, ein einziger Gott; und der Dreifaltigkeit der Erde: Jesus, Maria und Josef. Ich verstehe die Einheit dieser Familie und die herzliche Zuneigung in ihr sehr gut. Es waren drei Herzen, aber es gab nur eine Liebe.
1934 begannen wir, wenn ich mich nicht irre, mit dem ersten Studentenheim. In dieser Zeit herrschte in meinem Land ein aggressiv antiklerikales Klima. Die Autoritäten verfolgten die Kirche, und es gab einen Keim des Kommunismus, der die Negation aller Freiheiten ist.
Wir brauchten den Herrn bei uns im Tabernakel. Jetzt ist das leicht, aber damals war es ein sehr schwieriges Unterfangen, einen Tabernakel aufzustellen. Man musste vieles tun. Wir mussten uns präsentieren wie ein Meisterstück, wie ein dechado.
Ihr wisst nicht, was ein dechado war? Wenn im vergangenen Jahrhundert die jungen Fräulein die Schule abschlossen, ein bisschen Französisch schnatterten und mehr oder weniger gut Klavier spielten, mussten sie eine Stickerei anfertigen. Da nähten, stickten und häkelten sie; setzten Buchstaben, Ziffern und kleine Vögelchen darauf … Alles Mögliche! Auch der Name der Herstellerin und das Datum waren dort zu lesen. Ich habe das Dechado meiner Großmutter Florencia gesehen, weil meine Schwester Carmen es aufbewahrt hat. Das war gleichsam die Diplomarbeit der Schulen für die jungen Fräulein.
Etwas dergleichen mussten wir machen, damit die Kirche liebevoll auf uns schaute und uns die Erlaubnis gab, den Herrn in der Eucharistie zu Hause zu haben.
Im Grund meiner Seele gab es schon diese Verehrung zum heiligen Josef, die ich euch eingeprägt habe. Ich erinnerte mich an den anderen Josef, an den sich, dem Rat des Pharao folgend, die Ägypter wandten, als es sie nach gutem Brot hungerte: »Ite ad Ioseph!«1, geht zu Josef, er soll euch Weizen geben. Ich begann, den heiligen Josef zu bitten, er möge uns den ersten Tabernakel besorgen, und das gleiche taten meine Söhne, die ich damals um mich hatte. Während wir für die Sache beteten, versuchte ich, die notwendige Ausstattung zu finden: Messgewänder, Tabernakel … Geld hatten wir nicht. Sobald ich fünfundzwanzig Peseten zusammen hatte, was damals eine ansehnliche Summe war, wurden sie für eine dringlichere Anschaffung ausgegeben.
Ich erreichte, dass bestimmte Nonnen, die ich sehr schätze, mir einen Tabernakel überließen; woanders trieb ich die Messgewänder auf. Schließlich gab uns der Bischof von Madrid die Erlaubnis, das Allerheiligste Sakrament bei uns aufzubewahren. Als Zeichen der Dankbarkeit ließ ich damals am Tabernakelschlüssel ein Kettchen mit einer kleinen Medaille des heiligen Josef anbringen, auf deren Rückseite geschrieben steht: Ite ad Ioseph! Der heilige Josef ist also wirklich unser Vater und Herr, denn er hat uns wie ein guter Familienvater das Brot, das eucharistische Brot, gegeben.
Habe ich nicht zuvor gesagt, dass wir zu seiner Familie gehören? Er hat uns nicht nur die geistliche Nahrung erlangt. Wir sind mit ihm verbunden, denn wir haben uns vor dieser Zeit des Beisammenseins, die das Gebet ist, an ihn gewandt. Wenn wir unsere Hingabe erneuern und wenn wir uns endgültig in das Opus Dei eingliedern, dann ist der heilige Josef auch anwesend.
In der Anfangszeit des Werkes versuchte ich, die Fidelitas vorzuziehen, weil ich euch brauchte. Nie habe ich mich in irgendeiner Hinsicht für unersetzlich gehalten. Einige werden sich erinnern, dass ich sie fragte: Verpflichtest du dich vor Gott, das Werk weiterzuführen, wenn ich sterbe? Nie habe ich mich für notwendig gehalten, denn ich bin es nicht. Praktisch jeder von euch ist besser als ich und kann ein sehr gutes Werkzeug sein. Damals fand die Zeremonie zur Fidelitas am Fest des heiligen Josef statt, und so wurde der heilige Patriarch in diese geistliche Verpflichtung, das Werk voranzubringen, einbezogen, in der Überzeugung, dass es sich dabei um den ausdrücklichen Willen Gottes handelte.
Andererseits ist der heilige Josef nach Maria das Geschöpf, das mit Jesus auf Erden den innigsten Umgang hatte. Ich habe meine Freude an den Gebeten, die die Kirche der Frömmigkeit der Priester vor und nach der Messe empfiehlt. Dort wird daran erinnert, dass der heilige Josef sich um den Sohn Gottes genauso gekümmert hat wie unsere Eltern um uns. Sie kamen schon, als man uns anzog, sie streichelten uns, drückten uns an ihre Brust und gaben uns so feste Küsse, dass sie uns manchmal wehtaten.
Könnt ihr euch den heiligen Josef vorstellen, der die seligste Jungfrau so sehr liebte und von ihrer makellosen Unberührtheit wusste? Wie muss er gelitten haben, als er sah, dass sie ein Kind erwartete! Erst die Offenbarung Gottes, unseres Herrn, mittels eines Engels hat ihn beruhigt. Er hatte eine kluge Lösung gesucht: sie nicht entehren und weggehen, ohne ein Wort zu sagen. Aber was für ein Schmerz war das! Denn er liebte sie aus ganzer Seele. Könnt ihr euch seine Freude vorstellen, als er erfuhr, dass die Frucht dieses Leibes Werk des Heiligen Geistes war?
Liebt Jesus und seine heiligste Mutter! Vor einem Jahr hat man mir eine alte, wunderschöne Elfenbeinstatue geschenkt, die die seligste Jungfrau als schwangere Frau darstellt. Mich bewegt das. Mich erschüttert die Demut Gottes, der sich die angemessene Zeit in den Leib Mariens einschließen will wie wir im Schoß unserer Mutter, genau wie jede andere Kreatur; ist Er doch perfectus Homo, vollkommener Mensch, wobei Er gleichzeitig perfectus Deus ist, vollkommener Gott: die zweite Person der Heiligsten Dreifaltigkeit.
Rührt euch diese Demut Gottes nicht an? Erfüllt euch das nicht mit Liebe, wenn ihr wisst, dass Er Mensch geworden ist und kein Privileg haben wollte? Wie Er so wollen auch wir keine Privilegien. Wir möchten ganz gewöhnliche Menschen sein, Bürger wie die anderen. Das ist wunderbar! Wir fühlen uns ganz wohl im Haus Jesu, Mariens und Josefs, die unbemerkt bleiben.
Wenn ich in eine unserer Kapellen komme, in denen es einen Tabernakel gibt, dann sage ich Jesus, dass ich Ihn liebe, und wende mich an die Dreifaltigkeit. Dann danke ich den Engeln, die den Tabernakel bewachen und dabei Christus in der Eucharistie anbeten. Stellt ihr euch nicht vor, wie im Haus in Nazareth und vorher in Bethlehem, wie auf der Flucht nach Ägypten und bei der Rückkehr – in Angst, Jesus zu verlieren, weil der Sohn eines grausamen Monarchen an der Herrschaft war – die Engel staunend die Erniedrigung des Herrn bewundern, der nur als Mensch erscheinen will? Wir lieben Jesus nicht genug, wenn wir Ihm nicht aus ganzem Herzen danken, dass Er perfectus Homo sein wollte.
Was machen die Leute, wenn sie etwas erreichen wollen? Sie setzen menschliche Mittel ein. Welche Mittel habe ich verwendet? Ich habe mich nicht recht verhalten, bin sogar feige gewesen … Ärgert euch daher nicht, wenn ich euch Feiglinge nenne. Ich kenne nämlich das Metall, den Lehm, aus dem wir sind, ihr und ich.
Die Zeit verging. Ich suchte die Kraft in den ärmsten Vierteln Madrids. Stunden um Stunden, hier und dort, jeden Tag, zu Fuß von einem Ort zum anderen, unter verschämten Armen und unter elenden Armen, die überhaupt nichts hatten; unter verrotzten, schmutzigen Kindern, aber unter Kindern, das heißt, unter Gott wohlgefälligen Seelen. Wie empört sich meine priesterliche Seele, wenn man jetzt sagt, die Kinder sollen nicht beichten, solange sie klein sind! Das ist nicht wahr! Sie müssen ihre persönliche, geheime Ohrenbeichte ablegen wie die anderen. Wie gut tut das, welche Freude! Viele Stunden habe ich damit verbracht, Beichte zu hören, und es tut mir leid, dass es nicht mehr gewesen sind; auch in den Spitälern und den Häusern, wo Kranke lagen, wenn man diese Löcher überhaupt Häuser nennen kann … Die Menschen waren hilflos und krank; einige hatten die Tuberkulose, eine damals unheilbare Krankheit.
Ich suchte also an allen diesen Orten die Mittel, um das Werk Gottes zu verwirklichen. Gleichzeitig arbeitete ich und bildete die Ersten, die um mich waren, heran. Unter ihnen war so ziemlich alles vertreten: Studenten, Arbeiter, kleine Unternehmer, Künstler … Ich wusste damals nicht, dass fast keiner von ihnen ausharren würde. Aber der Herr wusste, dass mein armes Herz – schwach und feige – diese Nähe und diese Stärke brauchte.
Es waren intensive Jahre, in denen das Opus Dei nach innen wuchs, ohne dass wir es bemerkt hätten. Aber ich wollte euch sagen – eines Tages wird man euch das mehr im Detail erzählen, mit Dokumenten und Papieren –, dass die menschliche Stärke des Werkes die Kranken der Spitäler Madrids gewesen sind, die Elendesten von allen, die in ihren Häusern wohnten und jede menschliche Hoffnung verloren hatten, die Ungebildetesten in jenen Außenbezirken.
Ich bin nicht hier, um zu predigen, sondern euch ein wenig mein Herz zu öffnen. Das mache ich fast nie, und ich weiß, dass – wenn ich es eines Tages öffne – Gott daraus etwas Gutes für euch und für mich machen wird.
Das ist es, was das Opus Dei sucht, die menschlichen Mittel, die wir einsetzten: unheilbar Kranke, ausgestoßene Arme, Kinder ohne Familie und ohne Kultur, Häuser ohne Feuer und Wärme und ohne Liebe. Und ferner die Ausbildung der Ersten, die kamen; wir sprachen mit absoluter Sicherheit von all dem, was entstehen sollte, als wäre es schon vollbracht … Dabei vollbringt ihr es jetzt! Sicherlich: vieles ist schon gemacht, aber es ist noch wenig.
Jetzt, Herr, möchte ich Dir vor diesen meinen Kindern Dank sagen, denn es gibt genug Material und genug Bildung, damit der Weg des Werkes nicht fehlgeleitet wird und der gute Geist nicht verlorengeht. Davon war heute Morgen im Gebet die Rede. Wir dankten Gott und sagten: Herr, fast fünfzig Jahre Arbeit, und ich habe nichts zuwege gebracht. Alles hast Du getan – trotz meiner, trotz meines Mangels an Tugend, trotz, trotz …
Ich führe hier keine Komödie auf, meine Lieben. Der Vater spricht mit dem Herrn … Wie viel haben wir Ihm zu danken, wie viel Danksagung!
Und dann hat Gott uns über die Wege unseres inneren Lebens geführt, über die spezifischen Wege. Was habe ich gesucht? Cor Mariae Dulcissimum, iter para tutum! Ich suchte die Macht der Mutter Gottes, wie ein kleiner Junge, auf den Wegen der Kindschaft. Und ich wandte mich an den heiligen Josef, meinen Vater und Herrn. Ich sah ihn gern in seiner Macht vor mir, in seiner großen Macht als Oberhaupt jener göttlichen Sippe. Gott selbst hat ihm gehorcht: erat subditus illis2. Und ich wandte mich in aller Einfalt an die Heiligen, in einem schrecklichen, aber frommen Latein: Sancte Nicolaë, curam domus age! Und ich suchte die Andacht zu den heiligen Schutzengeln, denn es war an einem 2. Oktober, als jene Glocken der Kirche Unsere Liebe Frau von den Engeln läuteten, einer Madrider Pfarrei bei Cuatro Caminos … Ich befand mich an einem Ort, der heute fast vollständig verschwunden ist, genauso wie jene Glocken; nur eine ist erhalten geblieben, sie befindet sich jetzt in Torreciudad. Ich wandte mich vertrauensvoll und in kindlicher Einfalt an die heiligen Schutzengel, ohne zu bemerken, dass Gott mich über Wege der geistlichen Kindschaft führte. Ihr braucht mich da nicht nachzuahmen: Es lebe die Freiheit!
Was kann ein Geschöpf tun, das eine Sendung zu erfüllen hat, aber über keine Mittel verfügt? Das nicht das Alter hat, nicht das Wissen, nicht die Tugenden, nichts? Es geht zu seiner Mutter und zu seinem Vater; es wendet sich an Personen, die etwas vermögen, es bittet die Freunde um Hilfe … Das tat ich im geistlichen Leben. Allerdings im Rhythmus der Bußgeißel, die den Takt angab. Aber nicht immer. Es gab Zeiten, in denen es nicht so war.
Meine Kinder, ich erzähle euch ein wenig vom Inhalt meines Gebetes heute früh; damit ich mich schäme, dankbar bin und mehr liebe. Alles, was bis jetzt in Europa, in Asien, in Afrika, in Amerika, in Ozeanien gemacht wurde, ist viel, und doch ist es wenig. Alles ist das Werk Jesu, unseres Herrn. Alles hat unser Vater im Himmel vollbracht.
Wenn manche mich so reden hörten – ältere, gesetzte, gebildete Leute –, würden sie sagen: Dieser Mann ist verrückt! So ist es. Ich bin verrückt. Deo gratias! Unserem Herrn sei gedankt für diese Verrücktheit der Liebe, die ich oftmals nicht fühle, meine Kinder. Sogar menschlich gesprochen bin ich der am wenigsten einsame Mensch auf der Welt. Ich weiß, dass man überall für mich betet, damit ich gut und treu bin. Und doch fühle ich mich manchmal so einsam … Immer hat es auf die jeweils passende Weise, providentiell und ununterbrochen, Brüder von euch gegeben, die für mich mehr als Söhne waren, die wie Väter gewesen sind, als ich den Trost und die Stärke eines Vaters brauchte.
Meine Kinder, all unsere Stärke ist geliehen. Wir müssen kämpfen! Gebt euch keinen Illusionen hin. Wenn wir kämpfen, dann wird alles vorangehen. Vor euch liegt ein so großes Stück Weges, das schon gebahnt wurde, so dass ihr euch nicht mehr verirren könnt. Mit dem, was wir auf theologischem Gebiet getan haben – es ist eine neue Theologie, meine Lieben, und eine gute – und auf juridischem Gebiet; mit dem, was wir mit der Gnade des Herrn und seiner Mutter, durch die Umsicht unseres Vaters und Herrn, des heiligen Josef, mit der Hilfe der Schutzengel getan haben, könnt ihr euch nicht mehr verirren, außer ihr habt bösen Willen.
Wir wollen Gott danken. Und ihr wisst, dass ich nicht notwendig bin und nie notwendig war.
Vorwärts! Ich weiß nicht, warum ihr so schweigsam seid. Jetzt seid ihr zu reden an der Reihe.
Dieses Haus wird mit der Zeit sehr schön, nicht wahr? Bedenkt, dass Gott in seiner Vorsehung auf väterliche und mütterliche Weise uns Großartiges gegeben hat. Zu Beginn des Werkes dachte ich – und ich schrieb es nieder –, dass es nicht einmal im entferntesten Frauen im Opus Dei geben würde. Deshalb suchte ich logischerweise menschliche Mittel, um das Problem der Hauswirtschaft in unseren Zentren zu lösen. Ich suchte eine Art von Berufung, die dafür in Frage käme. Es war nicht die von Brüdern, denn sie durften ja keine Mönche sein. Es musste etwas anderes sein. O mein Gott! Wir kamen vom Regen in die Traufe. Es war schlimmer. Dann suchten wir Köchinnen, aber auch das ging nicht. Schließlich suchte ich einen Koch.
Die korporativen Werke kamen später. Die korporativen Werke sind im Werk nicht das Wesentliche. Das Wesentliche ist, dass jeder in Freiheit – für sich und wo auch immer – lebt und sich in jedem Augenblick wie ein Sohn Gottes verhält; dass er von der Liebe lebt, aus Liebe arbeitet und sich immer von dieser Liebe getragen fühlt, von dieser Stärke Gottes.
Also gut. Es war das erste Essen, das wir im ersten Studentenheim hatten, das nicht das erste korporative Werk gewesen ist. Der erste Essensgang war Reis a la cubana, also weißer Reis mit gebratenen Bananen. Er schmeckte sehr gut. Plötzlich hörte ich eine Stimme und fragte: Wer ist in der Küche? Der Koch, bekam ich zur Antwort. Mamma mia! Ich rief ihn, verhielt mich ihm gegenüber sehr liebenswürdig, aber sagte ihm, dass es mir sehr leid tue: Ich würde ihn entsprechend bezahlen, aber er solle woandershin gehen, denn einen Koch können wir uns nicht leisten …
Wie viele Dinge ich jetzt ohne Zusammenhang sage! Das erste korporative Werk war die Akademie, die wir DYA nannten – Derecho y Arquitectura –, denn dort wurden Vorlesungen in diesen beiden Fächern, Recht und Architektur, erteilt. Aber es bedeutete für uns Dios y Audacia: Gott und Kühnheit. Vor kurzem kamen wir an dem Gebäude vorbei, und ich spürte ein kräftiges Herzklopfen … Wie viele Leiden! Wie viele Widrigkeiten! Wieviel Geschwätz! Was für grobe Lügen! … Ich brachte dort einige Möbel meiner Mutter hin und ein paar andere Dinge, die mir eine Freundin der Familie gab, die ich die dicke Conchita nannte. Einige waren zu groß. Ich nahm sie auseinander und brachte sie in das Asyl Porta Coeli, wo ich arbeitete und die dort untergebrachten Strolche liebevoll und herzlich betreute. Nachdem wir diese Dinge in Stücke zerlegt hatten, wirkten sie irgendwie menschlicher, und außerdem hatten wir alles doppelt.
Wenn ich das Haus meiner Mutter verließ, kam jeden Tag mein Bruder Santiago, fuhr mit seinen Händen in meine Taschen und fragte mich: Was trägst du heute fort in dein Nest? Und das haben wir später alle gemacht: in unser Nest zu bringen, was wir nur konnten, um Gott zu dienen, um an jedem Ort unser kleines Zuhause zu errichten. So viele Orte, die ein einziges Zuhause sind! So wie wir viele Herzen sind und ein einziges Herz haben, einen einzigen Sinn, ein einziges Streben, einen einzigen Willen – durch den gesegneten Gehorsam voller Freiwilligkeit, voller Freiheit. Ich will nicht, dass sich irgendwer gezwungen fühlt; höchstens durch den Zwang der Liebe und den Zwang zu wissen, dass wir nie und nimmer der Liebe ganz entsprechen werden, die Jesus uns dadurch erweist, dass Er uns gerufen hat. »Ego redemi te, et vocavi te nomine tuo, meus es tu!«3
Schwankt nie! Ich kenne eure persönlichen Probleme nicht, aber die Seelen weisen kolossale Parallelen auf, obwohl sie verschieden sind. Und so sage ich euch jetzt, dass ihr eine göttliche Berufung habt, dass Christus euch von Ewigkeit her berufen hat. Er hat nicht nur mit dem Finger auf euch gezeigt, sondern Er hat euch auf die Stirn geküsst. Deswegen leuchtet euer Kopf für mich wie ein heller Stern.
Das mit dem hellen Stern hat auch seine Geschichte … Es sind diese großen Gestirne, die in der Nacht hoch oben am bläulich dunklen Himmel wie große Diamanten in wunderbarer Klarheit glitzern. Genauso klar ist eure Berufung: eure wie meine. Ich, der ich sehr elend bin und unseren Herrn oft beleidigt habe, der ich es nicht verstanden habe, ihm zu entsprechen, und ein Feigling gewesen bin, muss Gott danken, dass ich nie an meiner Berufung und am göttlichen Charakter meiner Berufung gezweifelt habe. Auch ihr dürft nicht zweifeln, wenn doch, wäret ihr nicht hier. Dankt dem Herrn dafür.
Wenn die Jahre vergangen sein werden und ich vor Gott schon Rechenschaft abgelegt habe … Da mihi rationem villicationis tuae4, gib mir Rechenschaft über deine Verwaltung … Ich war sehr jung, als ich schrieb – und ich wiederhole es jetzt, und es schmeckt für mich wie Honig –, dass Jesus nicht mein Richter und nicht euer Richter sein wird. Er wird Jesus sein, ein Gott, der verzeiht.
Cavabianca ist einer der vielen Brennpunkte, die ihr auf der Welt schaffen werdet. Ihr seht, wie es dazu kommt, ihr tragt dazu bei wie ein Arbeiter, Stunden um Stunden. So haben wir es immer gemacht. Ich wende mich in diesem Augenblick an Chiqui – heute feierte er seinen Namenstag –, damit er sich mit den anderen verbindet, die sich im Haus des Himmels befinden. Dem Herrn wird es gefallen, dass ich an ihn denke.
In jenen Zeiten hatten wir sehr wenige Möbel. Wir hatten Wäsche, die mir ein großes Warenhaus auf Kredit gegeben hatte und die ich bezahlen sollte, sobald ich dazu imstande wäre. Und wir hatten keine Schränke, um sie aufzubewahren. Auf dem Boden hatten wir mit großer Sorgfalt Zeitungspapier ausgebreitet, und darauf legten wir die Wäsche: Unmengen. Damals fand ich, es seien Unmengen. Jetzt würde es mir wie eine Lächerlichkeit vorkommen. Und obendrauf wieder Papier, um sie vor dem Staub zu schützen … Die Umstände haben sich ein bisschen geändert, nicht wahr? Jetzt könnt ihr mehr tun, habt ihr mehr Mittel.
Ich holte vom Rektorat Santa Isabel einen Weihwasserkessel und ein Aspergil. Meine Schwester Carmen hatte mir ein großartiges Rochett genäht, mit riesigen Klöppelspitzen, die sie selbst angefertigt hatte. Von Santa Isabel brachte ich außerdem eine Stola und ein Rituale mit, und ich segnete das leere Haus: mit einer Feierlichkeit und einer Freude, mit einer Sicherheit! … Unser größtes Anliegen war es, die Kapelle einzurichten. Das kommt euch heute so leicht vor, nicht wahr, meine Kinder? Und es ist leicht, weil wir vor vielen Jahren schon das förmliche Recht erlangt haben, halböffentliche Kapellen zu errichten, wo unser Herr aufbewahrt wird. Aber damals hatten wir auf nichts ein Recht.
Man musste eine Art Baldachin anbringen – wir machten ihn aus Holz –, oben mit Stoff bezogen, weil die Kirche anordnete, dass es eine Abdeckung gibt, wenn Leute oberhalb des Ortes wohnen, wo sich der Tabernakel befindet. Und der arme Chiqui kam zur rechten Zeit. Ich kannte ihn nicht und sagte zu ihm: Hör mal, Chiqui, sehr gut! Halte das hier fest, nimm diesen Hammer und die Nägel und komm, nagle das dort oben an … Damit begann es. Er war ein junger Mann aus bestem Haus, wie Don Alvaro.
Meine Kinder, ihr seht schon: Wir haben göttliche Mittel angewandt; Mittel, die für die Menschen der Welt in keinem Verhältnis stehen. Ich erkenne es jetzt. Damals habe ich nicht gemerkt, dass der Heilige Geist es war, der uns führte und lenkte. Wir sind nie allein: wir haben einen Meister und einen Freund.
Gut. Wir wollen nun den Segen erteilen. Alvaro, hilf mir.
Fünfzig Jahre sind vergangen, und ich komme mir vor wie ein stammelndes Kind. Ich beginne von neuem, ich fange wieder von vorne an, jeden Tag. Und so bis zum Ende der Tage, die mir noch bleiben: immer wieder neu beginnen. Der Herr will es so, damit es bei keinem von uns Anlass für Stolz oder törichte Eitelkeit gibt. Wir müssen ständig auf Ihn schauen, an seinen Lippen hängen, die Ohren gespitzt, den Willen angespannt, in Bereitschaft, den göttlichen Eingebungen zu folgen.
Ein Blick zurück … Ein riesiges Panorama: so viele Leiden, so viele Freuden. Und jetzt sind es lauter Freuden, alles sind Freuden … Denn wir haben die Erfahrung, dass der Schmerz die Meißelschläge des Künstlers sind, der aus jedem, aus der gestaltlosen Masse, die wir sind, einen Gekreuzigten machen möchte, einen Christus, den alterChristus, der wir sein sollen.
Herr, danke für alles. Vielen Dank! Ich habe Dir gedankt, ich habe Dir laufend gedankt. Bevor ich den liturgischen Ruf wiederholte – gratias tibi, Deus, gratias tibi! –, habe ich es Dir mit dem Herzen gesagt. Und jetzt sind es viele Lippen, viele Herzen, die mit einer Stimme dasselbe wiederholen: gratias tibi, Deus, gratias tibi! Denn zu nichts anderem haben wir Grund als zu danken. Nichts darf uns betrüben; nichts Sorge bereiten; nichts auf der Welt die Ruhe rauben. In diesen Tagen sage ich allen, die aus Portugal kommen, dass sie ruhig bleiben sollen, und sie sind es.(a) Gib meinen Kindern Gelassenheit, die sie nicht verlieren, selbst wenn sie einen schweren Fehler begehen. Wenn sie merken, dass sie einen begangen haben, ist das schon eine Gnade, ein Licht des Himmels.
Gratias tibi, Deus, gratias tibi! Ein einziger Gesang der Danksagung soll das Leben eines jeden von uns sein, denn wie ist das Opus Dei Wirklichkeit geworden? Du hast es gemacht, Herr, mit vier armen Schluckern … »Stulta mundi, infirma mundi, et ea quae non sunt.«2 Die ganze Lehre des heiligen Paulus hat sich bewahrheitet. Du hast völlig unlogische, ungeeignete Mittel gesucht und hast das Werk über die ganze Welt ausgebreitet. Und nun sagt man Dir Dank überall in Europa, in Ländern Asiens und Afrikas, in ganz Amerika und in Ozeanien. Überall sagt man Dir Dank.
(b) Im Opus Dei wird der Prälat – in der Zeit vor der Errichtung des Opus Dei als Personalprälatur der Generalpräsident – familiär Vater genannt.
Spr 8, 30-31.
(a) Es handelt sich um einen sichtbaren Erweis (eine hölzerne Rose), um den der Gründer auf der Flucht über die Pyrenäen im Spanischen Bürgerkrieg gebeten hatte, in welche Richtung die Flucht gehen sollte: nach Andorra oder zurück nach Madrid.
Ps 72, 23.
(b) Er bezieht sich auf den Punkt 592: »Vergiss nicht, was du bist … ein Kehrichteimer. – Wenn dich der göttliche Gärtner nimmt und schrubbt und reinigt und mit herrlichen Blumen füllt … dann dürfen dich weder der Duft noch die Farbe, die deine Hässlichkeit schön machen, zum Stolz verleiten. Demütige dich: weißt du nicht, dass du ein Eimer für Abfälle bist?«
Phil 3, 8.
1 Kor 4, 13.
Vgl. Gen 3, 19; 18, 27; Ijob 10, 9.
Jes 43, 1: Ich habe dich ausgelöst, ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir.
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