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Der Herr möchte, dass du auf Erden glücklich bist. Glücklich auch dann, wenn man dich vielleicht misshandelt und deine Ehre in den Schmutz zieht. Viele Leute empören sich, nicht selten wirst du angespuckt, und du bist »omnium peripsema«9, wie der Kehricht …
Das fällt schwer, mein Sohn, sehr schwer. Es ist hart, bis ein Mensch sich endlich zum Tabernakel begibt und sieht, wie er als Abschaum der Welt, als elender Wurm betrachtet wird, und aufrichtig sagt: Herr, wenn Du meine Ehre nicht brauchst, wozu will ich sie dann noch? Bis dahin weiß ein Sohn Gottes noch nicht, was es heißt, glücklich zu sein – bis er zu dieser Selbstentäußerung gelangt, zu dieser Hingabe, die Liebe ist, aber auf Schmerz und Buße gründet.
Ich möchte nicht, dass all das, was ich dir jetzt sage, über dich hinweggeht wie ein Sommergewitter: ein paar dicke Tropfen, dann wieder die Sonne und ein Weilchen später wieder Trockenheit. Nein, dieses Wasser soll in deine Seele eindringen, sich dort sammeln und auf göttliche Weise wirksam sein. Aber das wirst du nur erreichen, wenn du mich, der ich dein Vater bin, nicht allein beten lässt. Diese Zeit des Gesprächs, das wir gemeinsam hier ganz nahe beim Tabernakel führen, wird dann in dir eine fruchtbare Spur hinterlassen, wenn auch du, während ich spreche, in deinem Inneren sprichst. Während ich versuche, einen gemeinsamen Gedanken zu entwickeln, der euch allen nützlich sein kann, entwickelst du parallel dazu andere, intimere und persönlichere Gedanken. Auf der einen Seite überkommt dich die Scham, weil du es nicht verstanden hast, ganz und gar ein Mensch Gottes zu sein, auf der anderen Seite bist du voller Dankbarkeit, weil du trotz allem durch eine göttliche Berufung ausgewählt worden bist und weißt, dass dir niemals die Gnade des Himmels fehlen wird. Gott hat dir dieses Geschenk, die Berufung, gewährt, Er hat dich von Ewigkeit her auserwählt und dich deutlich jene Worte vernehmen lassen, die für mich wie Milch und Honig sind: »redemi te, et vocavi te nomine tuo: meus es tu!«10 Du gehörst Ihm, du gehörst dem Herrn. Wenn Er dir diese Gnade gewährt hat, wird Er dir auch die nötige Hilfe leisten, um als sein Sohn im Opus Dei treu zu sein.
Mit dieser deiner Loyalität, mein Sohn, wirst du dich bemühen, jeden Tag ein wenig besser zu werden, und du wirst das lebendige Vorbild eines Menschen des Opus Dei verkörpern. Das ist mein Wunsch, daran glaube ich, darauf hoffe ich. Und nachdem du den Vater über diesen unseren Geist beschaulicher Seelen hast sprechen hören, wirst du dich anstrengen, wirklich eine beschauliche Seele zu sein. Bitte jetzt Jesus darum: Herr, präge diese Wahrheiten meinem Leben ein, nicht nur meinem Verstand, sondern der Realität meines ganzen Daseins! Wenn du es so machst, dann versichere ich dir, dass du dir viele Leiden und Enttäuschungen ersparen wirst.
Wie viele Torheiten, wie viele Widrigkeiten verschwinden im Nu, wenn wir uns Gott im Gebet nähern, wenn wir mit Jesus sprechen, der uns fragt: Was ist los mit dir? – Mir ist folgendes passiert … und sofort die Erleuchtung. Oft geht uns auf, dass wir uns die Schwierigkeiten selbst erfinden. Du hältst ungeheuer viel von dir und meinst, dass du ganz außerordentliche Fähigkeiten besitzt. Wenn die anderen das nicht anerkennen, fühlst du dich gedemütigt, verletzt … Suche sofort das Gebet: Herr! … Und korrigiere dich. Es ist nie zu spät, sich zu korrigieren, aber tu es jetzt sofort. Dann wirst du erfahren, was es heißt, glücklich zu sein, auch dann, wenn du merkst, dass, wie bei einem Vogel, der zur Erde gefallen ist, an den Flügeln noch Lehm klebt, der erst trocknen muss. Durch Abtötung und Buße, durch das Bemühen, dir keine Ruhe zu gönnen, um deinen Brüdern das Leben angenehmer zu gestalten, wird dieser Lehm abfallen, und deine Flügel werden – verzeih mir den Vergleich, der mir gerade in den Sinn kommt – wie die eines Engels sein, rein und strahlend. Und es geht aufwärts!
Nicht wahr, mein Sohn, du bist dabei, konkrete Vorsätze zu fassen? Ist es nicht so, dass du dich im brüderlichen Gespräch und in der Beichte mit der übernatürlichen Einstellung, die man euch lehrt, sehen wirst, wie du bist, voll Demut vor Gott? Unterlasse es nie, in der geistlichen Begleitung davon zu sprechen, wie es um dein Gebetsleben, um dein Bewusstsein der Gegenwart Gottes, um deine Beschaulichkeit bestellt ist.
Text gedruckt bei https://escriva.org/de/en-dialogo-con-el-se%C3%B1or/10/ (17.11.2025)