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Vater, werdet ihr mir sagen, Sie empfangen doch den Herrn jeden Tag im Sakrament. Jeden Morgen lassen Sie Ihn in Ihren Händen auf den Altar kommen. Ja, meine Kinder: Diese meine befleckten Hände sind täglich Gottes Thron. Was sage ich dann zu Ihm? In der Vertrautheit des Umgangs mit der Dreifaltigkeit der Erde, mit Jesus, Maria und Josef, macht es mir nichts aus, euch das Herz zu öffnen. In diesen Augenblicken rufe ich zu meinem Diensterzengel und zu meinem Schutzengel und sage ihnen: Seid meine Zeugen, wie ich meinen Gott lobe. Und es ist mein Wunsch, mit der Stirn den Boden zu berühren und Jesus Christus anzubeten. Ich sage Ihm von neuem, dass ich Ihn liebe und bin dann zutiefst beschämt, denn wie kann ich Ihm versichern, dass ich Ihn liebe, wenn ich Ihn so oft beleidigt habe? Die Reaktion darauf ist nicht der Gedanke, dass ich lüge, denn so ist es nicht. Ich setze mein Gebet fort: Herr, ich möchte Dir Sühne leisten für das, womit ich Dich beleidigt habe und womit Dich alle Seelen beleidigt haben. Ich werde Genugtuung leisten mit dem einzigen, das ich Dir anbieten kann: die unendlichen Verdienste Deiner Geburt, Deines Lebens, Deines Leidens, Deines Todes und Deiner glorreichen Auferstehung; die Verdienste Deiner Mutter, die des heiligen Josef, die Tugenden der Heiligen und die Schwächen meiner Kinder und meine eigenen, die wie Edelsteine in himmlischem Licht erglänzen, wenn wir aus ganzer Seele die Todsünde und die freiwillige lässliche Sünde verabscheuen.

Wenn ich dann den Herrn Jesus in meinem Herzen trage, fühle ich die Notwendigkeit, einen ausdrücklichen Glaubensakt zu erwecken: Ich glaube, Herr, dass Du es bist. Ich glaube, dass Du wirklich und substantiell unter den sakramentalen Gestalten zugegen bist, mit Deinem Leib, mit Deinem Blut, mit Deiner Seele und mit Deiner Gottheit. Und sofort kommen die Danksagungen. Töchter und Söhne meiner Seele! Empfindet keine Scham, wenn ihr mit Jesus Umgang habt, unterbindet nicht die Affekte. Das Herz ist verrückt, und diese Verrücktheiten der Liebe auf göttliche Art sind eine große Wohltat, denn sie enden in konkreten Vorsätzen der Besserung, der Veränderung, der Reinigung im persönlichen Leben. Wäre es nicht so, dann wären sie zu nichts nütze.

Ihr müsst euch in die heiligste Menschheit Jesu Christi verlieben. Aber um zum affektiven Gebet zu gelangen, ist es günstig, zunächst mit der Betrachtung zu beginnen. Ihr lest das Evangelium oder einen anderen Text, der euch hilft, schließt die Augen und mittels Phantasie und Verstand tretet ihr zusammen mit den Aposteln in das Leben des Herrn ein. Ihr werdet daraus viel Nutzen ziehen. Manchmal kann es vorkommen, dass Er euch ergreift und euch kaum Zeit bleibt, das Einleitungsgebet zuende zu sprechen. Dann kommt wie von selbst der Dialog und die Beschauung. »Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht strahlend der Herr auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir.«10

Wenn ihr euch vor unserem Herrn und Erlöser befindet, sagt Ihm: Ich bete Dich an, o Herr; ich bitte Dich um Verzeihung; reinige mich, läutere mich, lehre mich zu lieben. Was würde aus uns werden, wenn wir nicht so lebten? Meine Kinder, ich will euch auf einen Weg führen, dem ihr folgen könnt. Es muss nicht der gleiche sein wie meiner. Ich gebe euch nur ein wenig Öl für eure Lampen.11 Bereitet sie selbst vor und lasst sie leuchten im Dienst Gottes. Ich rate euch immer wieder, viel im heiligen Evangelium zu lesen, um Jesus Christus kennenzulernen – »perfectus Deus, perfectus Homo«12 –, mit Ihm Umgang zu pflegen, euch in seine heiligste Menschheit zu verlieben, mit Ihm zu leben wie Maria und Josef, wie die Apostel und die heiligen Frauen.

»Eines habe ich vom Herrn erfragt, dieses erbitte ich: im Haus des Herrn zu wohnen alle Tage meines Lebens.«13 Worum werden wir Jesus bitten? Wir werden Ihn bitten, Er möge uns zum Vater führen. Er hat gesagt: »Niemand kommt zum Vater außer durch mich.«14 Mit dem Vater und dem Sohn werden wir den Heiligen Geist anrufen, wir werden mit der Heiligsten Dreifaltigkeit Umgang haben. So wird jeder durch Jesus, Maria und Josef, der Dreifaltigkeit der Erde, seinen persönlichen Weg finden, um zum Vater, zum Sohn, zum Heiligen Geist, zur Dreifaltigkeit des Himmels zu gelangen. Mit der Gnade Gottes und durch unser Wollen steigen wir hinauf in die höchsten Höhen des Himmels und hinunter in die demütige Niedrigkeit der Krippe, in die äußerste Erbärmlichkeit und Not. Erwartet nichts anderes im Opus Dei, denn das ist unser Weg. Wenn der Herr euch erhöht, wird Er euch auch erniedrigen. Die Demütigungen, die mit Liebe erduldet werden, sind köstlich und süß; sie sind ein Segen des Herrn.

Anmerkungen
10

Jes 60, 2.

11

Vgl. Mt 25, 7.

12

Symbolum Athanasianum.

13

Ps 26, 4.

14

Joh 14, 6.

Verzeichnis der Schriftstellen
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