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Ihr wisst, dass euch der Vater sein Herz aufrichtig öffnet. Ich glaube nicht an das bekannte Sprichwort, das da sagt: Neues Jahr, neues Leben. In vierundzwanzig Stunden ändert sich nichts. Nur der Herr kann mit seiner Gnade im Nu den Christenverfolger Saulus in einen Apostel verwandeln. Er wirft ihn zu Boden, nimmt ihm das Augenlicht, demütigt ihn und schickt ihn zu einem Mann namens Ananias1, der ihm sagen soll, was er zu tun hat. Und Saulus war einer der Großen in Israel, herangebildet am Lehrstuhl Gamaliels, und außerdem römischer Bürger.2 Erinnert ihr euch? »Civis Romanus sum!« Das gefällt mir. Es gefällt mir, wenn auch ihr euch als Bürger eures Landes fühlt; mit allen Rechten, weil ihr alle Pflichten erfüllt.
Glaubt ihr, dass ein bequemer Mensch, der sich lustlos bewegt, der ungelenk ist und der nicht trainiert, bei einem internationalen Wettkampf gewinnen kann, ohne dass ein großes Wunder geschieht? Der heilige Paulus verwendet diesen Vergleich und ich genauso. Nur wer wiederholt – mal siegreich, mal unterlegen – in kleinen Dingen kämpft, die an sich nicht Sünde sind, auf denen keine strenge moralische Sanktion ruht, sondern die bloß menschliche Schwächen, mangelnde Liebe und mangelnde Großzügigkeit sind; nur jemand, der jeden Tag seine Übungen macht, wird schließlich wahrheitsgemäß sagen können, dass er ein neues Leben hat. Nur wer seine geistlichen Übungen macht, wird das schaffen.
Schaut, was der heilige Paulus sagte: »nolite conformari huic saeculo, sed reformamini in novitate sensus vestri, ut probetis quae sit voluntas Dei bona et beneplacens et perfecta«3. Versucht euch zu verändern, indem ihr eurem Leben einen neuen Sinn verleiht und das zu verstehen sucht, was gut ist, wertvoller, Gott wohlgefälliger, vollkommener, und haltet euch daran.
Ist es nicht genauso bei fortwährenden Trainings-Übungen, beim Sport? Drei Zentimeter mehr, eine Zehntelsekunde weniger. Auf einmal ein Missgeschick, er springt und verstaucht sich dabei den Knöchel. Eine Katastrophe! Vielleicht hat er nicht aufgepasst, ist dick geworden und außer Form geraten. Meine Kinder, wenn dieser Mensch, wenn diese Seele weiterkämpft, fällt dieses Missgeschick überhaupt nicht ins Gewicht. Es ist höchstens ein ganz kleiner Fehler. Denn er betreibt sein Training, um eine bessere Leistung zu erzielen. Er strengt sich in Dingen an, die besser und wertvoller sind: in Dingen, die Gott, wenn man sie unterlässt, nicht beleidigen, weil sie keine Sünde sind. Auf diese Weise werdet ihr euch – werden wir uns – nach und nach verwandeln, indem wir unserem Leben – in novitate sensus, ohne es so recht zu merken, damit sich der Stolz nicht einschleicht – einen neuen Sinn geben. Und wir werden ein neues Leben haben.
Überlegt es euch, jeder für sich, in eurem persönlichen Gebet. Jeder wird daraus eine besondere Einsicht gewinnen: die einen sehr viel Licht; andere ein paar Funken; der eine oder andere wird schlafen und überhaupt nichts auffassen; aber wenn er aufwacht, wird er sehen, dass es doch Licht gibt. Es lohnt sich, meine Kinder, diese Worte des Apostels aufmerksam zu betrachten.
Text gedruckt bei https://escriva.org/de/en-dialogo-con-el-se%C3%B1or/66/ (19.11.2025)