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Die ersten Grundkenntnisse über das Gebet hast du schon in die Tat umgesetzt, nachdem du begonnen hast, die geistliche Leitung, wie sie im Opus Dei geübt wird, in Anspruch zu nehmen. Später hast du von deinen Brüdern viele wunderbare Ratschläge erhalten, die umzusetzen du versucht hast. Und jetzt, nach Jahren der Arbeit für den Herrn – seien es viele oder wenige –, weist dich der Vater erneut eindringlich auf das Gebet hin. Warum? Weil man ohne Gebet nicht heilig werden kann: Ich kenne kein anderes Rezept, um die Heiligkeit zu erlangen.

Falls du das nicht schon erlebt hast, wirst du bald erkennen, dass du, wenn du die Normen erfüllst, vom Morgen bis zum Abend und vom Abend bis zum Morgen betest, ohne es zu merken. Es sind Akte der Liebe, der Sühne, des Dankens; mit dem Herzen, mit dem Mund, mit kleinen Abtötungen, die die Seele entzünden.

Das alles kann man nicht als belanglos abtun. Es ist ständiges Gebet, liebevolles Zwiegespräch. Es wird dir keinerlei seelischen Schaden zufügen, denn für einen Christen soll es so natürlich und spontan sein wie das Schlagen des Herzens.

Wenn alles leicht von der Hand geht, dann sage: Danke, mein Gott! Kommt ein schwieriger Augenblick, dann sprich: Herr, verlass mich nicht! Und wie könnte es dir dieser Gott, der »gütig und von Herzen demütig«7 ist, abschlagen?

Ich möchte, dass unser ganzes Leben Gebet ist: angesichts des Angenehmen wie des Unangenehmen, des Trostes wie der Trostlosigkeit, etwa beim Verlust eines geliebten Menschen. Sprich über alles sofort mit Gott, deinem Vater, indem du den Herrn im Innern deiner Seele aufsuchst.

Dazu, mein Sohn, bedarf es einer klaren habituellen wie aktuellen Haltung der Abkehr von der Sünde. Entschieden und mit aller Kraft musst du die schwere Sünde verabscheuen. Und ebenso brauchst du eine tief wurzelnde Haltung der Verachtung der freiwilligen lässlichen Sünde.

Gott leitet unser Gebet, und du, mein Sohn, sprichst mit Ihm, wie man mit einem Bruder, mit einem Freund, mit einem Vater spricht; voll Vertrauen. Sag Ihm: Herr, Du bist die Größe selbst, die Güte, die Barmherzigkeit. Ich weiß, dass Du mich hörst! Deshalb liebe ich Dich immer mehr, mit all meiner Ungeschliffenheit, mit meinen armseligen Händen, die schmutzig sind vom Staub des Weges. Auf diese Weise ist die Selbstverleugnung ein Genuss. Was vorher vielleicht demütigend war, macht froh. So wird das Leben der Hingabe gelingen. Sich Gott so nahe zu wissen, ist ein großes Glück! Deswegen fühle ich mich stark und sicher, was immer auch geschehen mag, denn Du bist mein Fels und meine Burg.8

Vater, flüsterst du mir jetzt ins Ohr, was Sie uns da sagen, ist einerseits altbekannt und andererseits so hart … Und ich wiederhole dir erneut, dass es notwendig ist, ein Mensch des Gebetes zu sein. Nur so kannst du glücklich sein, selbst wenn man dich verkennt, selbst wenn du auf deinem Weg großen Schwierigkeiten begegnest.

Anmerkungen
7

Mt 11, 29.

8

Vgl. 2 Sam 22, 2.

Verzeichnis der Schriftstellen
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