Die Logik Gottes
Betrachtung, gehalten in der Pfingstkapelle am 6. Januar 1970, Fest der Erscheinung des Herrn.
»Ubi est qui natus est rex Iudaeorum?«1 Kaum ist Christus geboren, da wird seine Königswürde schon anerkannt. Wo ist der König der Juden, der gerade zur Welt gekommen ist? Männer aus dem Orient sind gekommen, um Ihn anzubeten, mächtige Leute – vielleicht waren es Fürsten oder Weise –, die sich von einem äußeren Zeichen bestimmen lassen, das nicht vollkommen vernünftig zu sein scheint. Ein Ruf ist an sie ergangen, eine undeutliche Botschaft: der außergewöhnliche Glanz eines Sternes. Aber sie leisten keinen Widerstand. Menschlich gesehen, scheint es ein wenig unlogisch, dass sie sich auf den Weg machen, eine Reise ohne klares Ziel antreten und schließlich ausgerechnet in Jerusalem, wo ein anderer an der Herrschaft ist, fragen: »Ubi est rex Iudaeorum?« Wo befindet sich der König der Juden?
Auch in eurem und in meinem Leben gibt es viele unlogische Dinge, Kinder meiner Seele. Auch wir haben ein Licht gesehen, auch wir haben einen Ruf vernommen, auch wir haben wie diese Männer eine Unruhe empfunden, die uns Entscheidungen treffen ließ, die den Menschen, die uns liebten und die an unserer Seite lebten, vielleicht nicht vernünftig erschienen sind. Menschlich gesehen, hatten sie recht. Aber du und ich, mein Sohn, wir könnten sagen: »vidimus stellam eius …«2 Wir haben seinen Stern gesehen und sind gekommen, Ihn anzubeten.
Wer könnte genau sagen, wie man die erste Entscheidung zur Hingabe trifft, wann sich diese erste Anwandlung einstellt, dieser – sagen wir es noch einmal – Mangel an Logik? Ich habe meine Erfahrung, und jeder von euch hat die seine. Es ist eine Hingabe, die man jeden Augenblick erneuern muss, jeden Tag, und bisweilen oftmals am Tag, wenn vielleicht die kindliche Unschuld der ersten Zeit verlorengegangen ist. Denn wir sind an Christus herangetreten und haben gespürt, wie sein Herz sehr fest schlägt; wir haben seine Wonnen verkostet, die darin bestehen, »bei den Menschenkindern zu sein«3. Deswegen wissen wir, was die Liebe Gottes wert ist.
Ja, man muss die Hingabe erneuern. Man muss wiederholt sagen: Herr, ich liebe Dich! Und man muss es aus ganzer Seele sagen. Auch wenn der sinnliche Teil nicht mittut, wollen wir Ihm mit der Wärme der Gnade und mit unserem Willen sagen: Mein Jesus, König des Universums, wir lieben Dich.
Ich möchte bei diesem Mangel an Logik verweilen, den man im Verlauf dieser zweiundvierzig Jahre unserer Geschichte sieht. Wir sind Herodes begegnet, der diese große göttliche Wirklichkeit unseres Lebens – es ist keine Einbildung –, die uns völlig umgewandelt hat, töten wollte. Auch das Werk ist mehr als einmal auf seinem Weg Herodes begegnet. Bleiben wir trotzdem ruhig! Nicht wegen einer Nichtigkeit haben wir so vieles verlassen. Die Magier taten dasselbe. Sie haben sogar ihren Wohnsitz verlassen, wo sie vielleicht Macht besaßen und als sehr bedeutende Persönlichkeiten geachtet waren. Wir haben unsere persönlichen Interessen nicht wegen einer Nichtigkeit preisgegeben. Jetzt wissen wir ganz klar, dass das göttliche Motiv, das uns beunruhigt und aus unserer Gemächlichkeit herausgerissen hat, ein Motiv dafür ist, dass die Mühe sich lohnt. Es lohnt sich! Es spricht dafür, dass wir treu sind. Es spricht dafür, so viel Liebe zu haben, so dass in unserem Leben die Angst keinen Platz hat.
Nach dem Bekenntnis: Herr, ich bitte Dich um Verzeihung für meine Sünden, kann sich jeder von euch auf dem Grunde seines Gewissens mit absolutem, kindlichem Vertrauen an Gott wenden; mit jenem Vertrauen, das dieser Vater verdient, der einen jeden von uns liebt, wie eine Mutter ihr Kind … Ich werde nicht müde, das zu wiederholen. Ja, noch viel mehr, viel mehr als eine Mutter ihr Kind und ein Vater seinen Erstgeborenen. Jetzt ist der Augenblick gekommen, um diesem unserem Vater, der unendlich mächtig, unendlich weise ist, der einen jeden von uns bis in den Tod geliebt hat, bis in den Tod am Kreuz, zu sagen, dass wir die Gelassenheit nicht verlieren werden, auch wenn die Dinge sich scheinbar verschlimmern. Wir wollen ruhig weitergehen auf unserem Weg, Kinder, denn Gott, unser Herr, wird nicht zulassen, dass man seine Kirche zerstört. Er wird nicht erlauben, dass sich die Spuren seines göttlichen Wandels in der Welt verlieren.
Zu unserem Leidwesen und zu dem der ganzen Christenheit erleben wir jetzt den diabolischen Versuch einer Demontage der Kirche. Man nimmt ihr zahllose Ausdrucksformen ihrer göttlichen Schönheit, man greift auf unverschämte Weise und in den wichtigsten Punkten direkt den Glauben, die Moral, die Disziplin und den Kult an. Es ist ein höllisches Gekreisch, das die Grundbegriffe des katholischen Glaubens trüben will. Aber sie werden nichts vermögen, Herr, weder gegen Deine Kirche noch gegen Dein Werk. Dessen bin ich mir sicher.
Einmal mehr bitte ich Dich, ohne es laut auszusprechen, dass Du dieses und jenes Heilmittel anwenden mögest. Herr, Du hast uns die Vernunft gegeben, damit wir sie zum Denken gebrauchen und Dir besser dienen. Wir haben die Pflicht, unsererseits alles zu tun, was möglich ist: beständig zu sein, hartnäckig, in unserem Gebet ausdauernd, indem wir der Worte gedenken, die Du an uns gerichtet hast: »Bittet, und ihr werdet empfangen; sucht, und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch aufgetan werden.«4
Die Magier sind nach Bethlehem gekommen. Die apokryphen Evangelien, die im allgemeinen fromme Beachtung, aber keinen Glauben verdienen, erzählen, wie sie ihre Gaben dem Kind zu Füßen legen, Es vorbehaltlos anbeten, obwohl sie den König, den sie gesucht haben, nicht in einem königlichen Palast finden, umgeben von zahlreicher Dienerschaft, sondern in einer Krippe, zwischen einem Ochsen und einem Esel, in Windeln gewickelt, auf den Armen seiner Mutter und des heiligen Josef, wie irgend ein Geschöpf, das gerade zur Welt gekommen ist.
Der heilige Matthäus schreibt am Schluss des Abschnitts des Evangeliums, den uns die Kirche heute lesen lässt: »Nachdem sie im Traum die Weisung erhielten, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg in ihre Heimat zurück.«5 Es sind außergewöhnliche Menschen ihrer Zeit, die im Besitz einer anerkannten Wissenschaft stehen und gleichwohl einen Traum beachten. Wiederum ist ihr Verhalten wenig logisch. Wieviel menschlich Unlogisches, das aber voll göttlicher Logik ist, gibt es auch in unserem Leben!
Meine Kinder, nähern wir uns der Gruppe, die diese Dreifaltigkeit der Erde bildet: Jesus, Maria und Josef. Ich stelle mich in einen Winkel. Ich wage es nicht, mich Jesus zu nähern, denn all mein vergangenes und gegenwärtiges Elend steht vor mir auf. Irgendwie schäme ich mich, aber ich verstehe auch, dass Jesus Christus mir einen liebevollen Blick zuwirft. Dann wende ich mich an seine Mutter und an den heiligen Josef, diesen Menschen, der Jahrhunderte hindurch ignoriert wurde und Ihm auf Erden Vater war. Und zu Jesus sage ich: Herr, ich möchte wirklich Dir gehören; dass meine Gedanken, meine Werke, mein ganzes Leben Dein sind. Aber Du siehst ja: Dieses armselige menschliche Elend hat mich so oft in die Irre gehen lassen …
Ich hätte gern vom ersten Augenblick an Dir gehört: seit dem ersten Schlag meines Herzens, seit dem ersten Augenblick, da mein Verstand sich regte. Ich bin nicht würdig – und ohne Deine Hilfe werde ich es nie sein –, Dein Bruder, Dein Sohn, Deine Liebe zu sein. Du hingegen bist sehr wohl mein Bruder und meine Liebe, und ich bin auch Dein Sohn.
Und wenn ich Christus nicht nehmen und an meine Brust drücken kann, dann mache ich mich klein. Denn das können wir, und es hat in unserem Geist Platz, es passt zur Atmosphäre unserer Familie. Ich mache mich klein und gehe zu Maria. Wenn sie ihren Sohn Jesus auf ihrem rechten Arm hält, dann werde ich, der ich auch ihr Sohn bin, dort ebenfalls einen Platz finden. Die Mutter Gottes wird mich auf ihren anderen Arm nehmen und wird uns zusammen an ihre Brust drücken.
Verzeiht, meine Kinder, dass ich euch diese Dinge sage, die wie Dummheiten klingen. Aber sind wir nicht beschaulich? Eine Überlegung dieser Art kann uns, wenn es notwendig ist, helfen, das Leben wiederzuerlangen; sie kann uns unendlich viel Trost und unendliche Stärke geben.
Vor dem Herrn, vor allem aber vor dem Herrn als wehrlosem, hilfsbedürftigem Kind, wird alles Reinheit sein. Und wenn ich auch erkenne, dass ich wie alle Menschen die Möglichkeit habe, Ihn zu beleidigen, ein Tier zu sein, so ist das nicht beschämend, wenn es uns hilft, zu kämpfen und unsere Liebe zu zeigen; wenn es uns Gelegenheit gibt, allen Menschen, allen Geschöpfen brüderlich zu begegnen.
Es ist notwendig, ständig einen Akt der Reue, der Umkehr, der Besserung zu erwecken, ein fortwährendes Aufwärtssteigen. Ja, Herr, der Du uns hörst: Du hast zugelassen, dass nach dem Fall des Menschengeschlechts in unseren Stammeltern dieses Geschöpf, das Mensch heißt, sich wie ein Tier benimmt. Wenn ich daher einmal nicht in den Armen Deiner Mutter und an Deiner Seite sein kann, dann werde ich mich neben das Maultier und neben den Ochsen stellen, die Dir im Stall Gesellschaft geleistet haben. Ich werde der Hund der Familie sein. Dort werde ich Dich mit sanften Augen anschauen und versuchen, dieses Zuhause sozusagen zu verteidigen. So werde ich an Deiner Seite die Wärme finden, die reinigt, die Liebe Gottes, die aus dem Tier, das wir Menschen alle in uns tragen, einen Sohn Gottes macht, etwas, was mit keiner Würde der Erde verglichen werden kann.
Unser Leben, meine Kinder, ist das Leben eines kleinen braven und guten Esels, der sich manchmal, die Füße nach oben, auf dem Boden wälzt und sein Iah von sich gibt. Normalerweise aber ist er treu, trägt die Last, die man ihm auflegt, und ist zufrieden mit dem immer gleichen kargen und spärlichen Fressen. Und er hat eine harte Haut, um zu arbeiten. Die Gestalt des kleinen Esels rührt mich. Er ist loyal und wirft die Last nicht ab. Ich bin ein kleiner Esel, Herr: Hier bin ich. Glaubt nicht, meine Kinder, dass das eine Torheit ist. Es ist keine. Ich zeige euch die Gebetsweise, die ich anwende und die in Ordnung ist.
Ich halte meinen Rücken der Mutter Gottes hin, die ihren Sohn auf den Armen trägt, und wir ziehen nach Ägypten. Später werde ich Ihm neuerlich den Rücken anbieten, damit er darauf Platz nimmt: »perfectus Deus, perfectus Homo«6. So werde ich mich in den Thron Gottes verwandeln.
Welchen Frieden geben mir diese Erwägungen! Welchen Frieden muss uns das Wissen geben, dass der Herr uns immer verzeiht, uns so sehr liebt, dass Er die menschlichen Schwächen so genau kennt, dass Er weiß, aus welch erbärmlichem Ton wir gebildet sind. Aber Er weiß auch, dass Er uns den Atem eingehaucht hat, das Leben, das göttlich ist. Über diese Gabe hinaus, die zur Ordnung der Natur gehört, hat der Herr uns die Gnade eingegossen, die uns erlaubt, sein eigenes Leben zu leben. Und Er gibt uns die Sakramente, Aquädukte dieser göttlichen Gnade: in erster Linie die Taufe, durch die wir eintreten, um dieser Familie Gottes anzugehören.
Ich kann euch nicht verhehlen, meine Kinder, dass ich leide, wenn ich sehe, wie man anordnet, die Spendung der Taufe der Kinder aufzuschieben; wenn ich feststelle, dass einige sich weigern, sie zu taufen, wenn nicht eine Reihe von Garantien gegeben sind, die viele Eltern schwerlich werden erbringen können. So lassen sie sie Heiden bleiben, »Gefäße des Zornes«7, Sklaven Satans. Ich leide sehr, wenn ich sehe, dass die Taufe der Neugeborenen mit voller Absicht hinausgeschoben wird, weil sie es vorziehen, später eine Zeremonie zu feiern – mit der Gemeinde, wie sie sagen – mit vielen Kindern auf einmal, als würde Gott das brauchen, um in jeder Seele seine Wohnung zu nehmen.
Dann denke ich an meine Eltern, die am selben Tag getauft wurden, an dem sie zur Welt kamen, obwohl sie gesund waren. Und meine Großeltern waren nichts weiter als gute Christen. Jetzt hingegen wird die Herde Gottes von einigen, die sich für eine Autorität halten, darin unterwiesen, von Anfang an Kälte zu zeigen, wie schlechte Gläubige.
Meine Kinder, wir sind nahe bei Christus. Wir sind Christusträger, wir sind seine Esel – wie der in Jerusalem. Solange wir Ihn nicht hinauswerfen, bleibt der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, bleibt die Heiligste Dreifaltigkeit bei uns. Wir sind Christusträger. Wir müssen Licht und Wärme, Salz und geistliches Feuer sein, müssen ständiges Apostolat, Vibration, der stürmische Wind des Pfingstfestes sein.
Es kommt der Augenblick des ganz persönlichen Zwiegesprächs. Nimm das Jesuskind heute, nachdem es die Huldigung der Magier entgegengenommen hat, in deine Arme und drücke es an deine Brust, von der so oft unsere Beleidigungen ausgegangen sind. Ich sage es Ihm mit lauter Stimme, der Wahrheit entsprechend: Lass mich nie im Stich, gestatte nicht, dass ich Dich aus meinem Herzen vertreibe. Denn das tun wir durch die Sünde: Ihn fortjagen aus unserer Seele.
Meine Kinder, schaut, ob es auf Erden eine treuere Liebe gibt als die Liebe Gottes zu uns. Er schaut auf uns durch die Fensterritzen – das sind Worte der Schrift.8 Er schaut auf uns mit der Liebe einer Mutter, die die bevorstehende Ankunft des Sohnes erwartet: gleich wird er da sein, gleich wird er da sein … Er schaut auf uns mit der Liebe der keuschen und treuen Gattin, die auf ihren Ehemann wartet. Er ist es, der uns erwartet, und wir haben Ihn so oft warten lassen.
Wir haben das Gebet damit begonnen, um Verzeihung zu bitten. Ist das nicht der rechte Augenblick, meine Kinder, damit jeder nun konkret sagt: Herr, Schluss damit!?
Herr, Du bist die Liebe meiner Lieben. Herr, Du bist mein Gott und mein Alles. Herr, ich weiß, dass es mit Dir keine Niederlagen gibt. Herr, ich möchte mich vergöttlichen, auch wenn das menschlich unlogisch ist und man mich nicht versteht. Ergreife einmal mehr Besitz von meiner Seele und schmiede mich mit Deiner Gnade.
Mutter, meine Herrin; heiliger Josef, mein Vater und Herr; helft mir, niemals die Liebe eures Sohnes preiszugeben.
Im Laufe des Tages könnt ihr so oft das Gespräch mit der Dreifaltigkeit der Erde suchen, die zum Umgang mit der Dreifaltigkeit des Himmels führt. Habt vor Augen, dass die Mutter uns zum Sohn führt und der Sohn uns durch den Heiligen Geist zum Vater geleitet, seinen Worten gemäß: »Wer mich sieht, sieht auch den Vater«9. Wendet euch an jede einzelne Person der Heiligsten Dreifaltigkeit und wiederholt ohne Angst: Ich glaube an Gott den Vater, ich glaube an Gott den Sohn, ich glaube an Gott den Heiligen Geist. Ich hoffe auf Gott den Vater, ich hoffe auf Gott den Sohn, ich hoffe auf Gott den Heiligen Geist. Ich liebe Gott den Vater, ich liebe Gott den Sohn, ich liebe Gott den Heiligen Geist. Ich glaube, ich hoffe und ich liebe die Heiligste Dreifaltigkeit. Ich glaube, ich hoffe und ich liebe meine Mutter, die heilige Maria, denn sie ist die Mutter Gottes.
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