In Gottes Händen
Worte des heiligen Josemaría in der Pfingstkapelle in Villa Tevere am 2. Oktober 1971, dem Jahrestag der Gründung des Opus Dei.
Sancte Pater, Omnipotens, Aeterne et Misericors Deus: Beata Maria intercedente, gratias tibi ago, pro universis beneficiis tuis, etiam ignotis.(a)
Sagen wir Dank, Kinder, denn der Herr hat immer mit eurer und meiner Kleinheit rechnen wollen. Ich erinnere mich jetzt an jene Vorahnungen, jene Unruhe, die ich verspürte, als ich fünfzehn oder sechzehn Jahre alt war und aus meiner Seele ein Rufen, bestehend aus Stoßgebeten, kam: Domine, ut sit! Domina, ut sit! Schon damals fühlte ich, dass ich wenig wert war, und jetzt spüre ich es mehr, denn da ist die Erfahrung meines langen Lebens, und ich war nie besonders geneigt, an außerordentliche Dinge zu glauben.
Vierundvierzig Jahre sind seit den Anfängen vergangen, und noch immer wandern wir durch die Wüste: länger als die lange Pilgerschaft des auserwählten Volkes durch den Sinai. Aber in dieser Wüste sind Blüten und Früchte so wunderbar gediehen, dass sie zu einer üppigen Oase geworden ist, auch wenn das ein Widerspruch zu sein scheint.
In diesen Jahren habe ich nie den Frieden verloren, Kinder, aber ich habe keinen Augenblick Ruhe gehabt. Ich danke Dir, Herr, dass Du dafür sorgtest, dass ich begriffen habe – weil es offensichtlich ist –, dass alles von Dir kommt: die Blüten und die Früchte, der Baum und die Blätter, und dieses klare Wasser, das ins ewige Leben hinübersprudelt. Gratias tibi, Deus!
Ich danke Dir, Herr, für Deinen beständigen Schutz und dafür, dass Du eingegriffen hast, gelegentlich auf ganz augenscheinliche Weise, damit es keinen Zweifel darüber gibt, dass das Werk von Dir ist, nur von Dir und ganz von Dir. Ich habe nicht darum gebeten, ich verdiene das nicht! Mir kommt dieses Wunder der Gotteskindschaft in den Sinn. Es war ein Tag mit viel Sonne, mitten auf der Straße, in einer Straßenbahn: Abba, Pater! Abba, Pater! …
Danke, Herr, dass niemand im Presbyterium predigt. Es wäre gerecht gewesen, mich zu erwähnen, aber ich hätte gelitten. Und es wäre auch eine Ungerechtigkeit gewesen, denn ich habe nichts gemacht, ich war immer ein Hindernis … Jeder meiner Söhne hätte Rührendes gesagt, aber ich hätte mich beschämt auf leisen Sohlen aus der Kapelle geschlichen und ganz leise die Tür geschlossen … Danke für diese Rücksichtnahme.
Beata Maria intercedente … Jetzt scheint mir alles staunenswert. Ich habe doch nur gestört! Ich hatte nicht daran gedacht, heute zu euch zu sprechen, meine Kinder, und ich habe nichts vorbereitet, nicht einmal im Geiste. Ich halte nur mein persönliches Gebet mit lauter Stimme. Haltet auch ihr euer Gebet, jeder für sich.
Bedankt euch nicht bei mir. Dankt für alles dem Herrn, dankt unserer Mutter, unserem Vater und Herrn, dem heiligen Josef, dem Patron unseres geistlichen Lebens; er gibt unserer Askese, die Mystik ist, Kraft: diesem kolossalen Faktum des beschaulichen Lebens mitten auf der Straße.
Danke, Herr, dass man mich wie einen Fetzen behandelt hat, auch wenn es gemessen an dem, was ich verdient habe, wenig war. Du hast mir bei diesem übernatürlichen Sport zugeschaut und hast gesehen, dass meine Muskeln unverhältnismäßig schwach waren, um aus eigenen Kräften in diesem Kampf voranzukommen und siegreich zu sein. Ich spüre in Wahrheit die Demütigung, dass ich keine persönlichen Voraussetzungen habe und sie niemals gehabt habe, um eine so göttliche Aufgabe zu vollbringen. Herr, ich bin zutiefst gedemütigt, weil ich nicht so mitgewirkt habe, wie ich es hätte tun sollen. Zutiefst gedemütigt und aus ganzer Seele dankbar: ex toto corde, ex tota anima!
Erinnern wir uns an unsere Verstorbenen. Ich denke an meine Eltern, die wir, ohne dass sie daran schuld waren, leiden ließen, auch wenn es manchmal notwendig war. Der Herr möge es ihnen im Himmel großzügig vergelten. Denken wir an unsere Brüder, die schon in der Herrlichkeit sind. Ich bitte sie, da sie ja zur triumphierenden Kirche gehören – jawohl, zur triumphierenden Kirche, es ist nicht wahr, dass sie nicht triumphiert! –, sie mögen sich mit jenen, die im Fegefeuer sind, vereinigen und danken helfen – uns, die wir auf Erden unterwegs sind und daher das Risiko laufen, nicht ans Ziel zu gelangen.
Immer ein Ritornello: ut sit!, ut sit!, ut sit! Gratias tibi, Deus, gratias tibi! Wir leiden, aber wir sind nicht unglücklich. Wir leben im Glück, auf Deine Hilfe zu bauen. Pro universis beneficiis tuis, etiam ignotis. Ich habe nichts: keine menschliche Eignung, keine Ehre, keine Verdienste … Aber dann gewährst Du mir alles: wann Du willst, wie Du willst. Mein Gott, Du bist Liebe!
Folgt dem Gang meiner Worte höchstens am Rande, meine Kinder. Jeder soll das Gebet halten, wie es ihm am besten liegt. Im Werk haben alle persönlichen Wege Platz, die zu Gott führen.
Wir sind in Sorge um Deine heilige Kirche. Das Werk macht mir keine Sorgen. Es ist voller Blüten und Früchte. Es ist ein laubreicher Wald, der sich leicht verpflanzen lässt und an allen Orten Wurzeln schlägt, in allen Rassen, in allen Familien. Vierundvierzig Jahre! Das Werk macht mir keine Sorgen. Aber wieso bin ich nicht schon tausendmal gestorben? Mir kommt es vor, als hätte ich geträumt: ein Traum ohne die Farben jener braunen Erde Kastiliens und auch ohne die meiner guten aragonischen Erde. In diesem Traum war ich zu vorsichtig, denn Du, Herr, gewährst immer mehr. Es gehört sich, dass meine Kinder aus diesem Mund, aus diesem befleckten Mund, immer und immer wieder Worte hören, die sie großzügig davon träumen lassen, wie dieser gewaltige Strom, fluvium pacis1, überall auf der Welt über die Ufer tritt. Träumt, und immer werden eure Träume hinter der Wirklichkeit zurückbleiben.
Meine Kinder, wollt ihr mit mir zusammen dem Herrn sagen, Er möge nicht auf meine Unzulänglichkeit und mein Elend schauen, sondern auf den Glauben, den Er mir gegeben hat? Nie habe ich gezweifelt! Und auch das kommt von Dir, Herr, denn es ist dem Menschen eigen, dass er schwankt.
Vierundvierzig Jahre! Meine Kinder, ich erinnere mich jetzt an das kleine Bild mit dem Portrait des heiligen Josef von Calasanz, das ich neben meinem Bett aufhängen ließ. Ich sehe den Heiligen nach Rom kommen; ich sehe, wie er hier bleibt, wie er misshandelt wird. Darin bin ich ihm ähnlich. Ich sehe ihn als Heiligen, worin ich ihm nicht ähnlich bin, und das bis in ein verehrungswürdiges Greisenalter.
Seid treu, Kinder meiner Seele, seid treu! Ihr seid die Kontinuität. Wie bei den Staffelläufen wird der Augenblick kommen – wann Gott will, wo Gott will, wie Gott will –, in dem ihr weiterlaufen und den Stab von einem zum anderen weitergeben müsst, denn ich werde nicht mehr können. Ihr werdet dafür sorgen, dass der gute Geist, den ich vom Herrn empfangen habe, nicht verlorengeht, dass die eigentümlichen und konkreten Merkmale unserer Berufung ohne Abstriche erhalten bleiben. Ihr werdet diese unsere Lebensweise, die göttlich und menschlich ist, an die nächste Generation weitergeben, und diese wiederum an die nächste.
Herr, ich bitte Dich um so vieles für meine Söhne und für meine Töchter … Ich bitte Dich um ihre Beharrlichkeit, um ihre Treue, um ihre Loyalität! Wir werden treu sein, wenn wir loyal sind. Schau über unsere Niederlagen hinweg, Herr. Keiner soll sich in Sicherheit wiegen, wenn er nicht kämpft, denn – so sagt das Sprichwort – der Hase hüpft hervor, wo man es am wenigsten vermutet. Und alle Sprichwörter sind voller Weisheit.
Versteht einander, entschuldigt einander, liebt einander. Wisst euch stets in Gottes Händen, getragen von seiner Güte, unter dem Schirm Mariens, unter der Schutzherrschaft des heiligen Josef und behütet von den Schutzengeln. Fühlt euch nie allein, sondern stets getragen. Dann werdet ihr immer standhaft bleiben: die Füße auf dem Boden und das Herz dort oben, um imstande zu sein, euch für das Gute zu entscheiden.
So werden wir immer die Lehre ohne Irrtum weitergeben, auch jetzt, da viele das nicht tun. Herr, wir lieben die Kirche, denn Du bist ihr Haupt; wir lieben den Papst, denn Er muss Dein Stellvertreter sein. Wir leiden mit der Kirche wie das Volk Israel in jenen Jahren in der Wüste. Der Vergleich stammt aus diesem Sommer. Warum so viele Leiden, Herr? Vielleicht damit wir Dir ähnlicher werden, damit wir verständnisvoller werden und mehr erfüllt sind von Deiner Liebe.
Bethlehem ist die Hingabe; Nazareth die Arbeit; das Apostolat ist das öffentliche Leben. Hunger und Durst. Verständnis im Umgang mit den Sündern. Und am Kreuz streckt Er mit der Geste des Priesters die Hände aus, damit wir alle am Holz Platz finden. Es ist unmöglich – außer vom Kreuz aus – die ganze Menschheit zu lieben; und wir lieben alle Seelen und weisen niemanden ab.
Man sieht, dass der Herr uns ein großes Herz geben möchte … Schaut, wie Er uns hilft, wie Er für uns sorgt, wie klar es ist, dass wir sein pusillus grex 2 sind, welche Stärke Er uns gibt, damit wir die Richtung weisen und den Kurs korrigieren; wie Er uns dazu antreibt, den einen oder anderen Stein dahin und dorthin zu werfen, damit die Herde sich nicht zerstreut; wie Er uns mit seinem liebevollen Pfiff in der Frömmigkeit beisteht.
Danke, Herr, denn ohne wirkliche Liebe hätte die Hingabe keinen Sinn. Die Seele mit Christus erfüllt – so müssen wir immer leben, und so wird unser Herz imstande sein, alle Dinge der Erde gereinigt aufzugreifen. Und so wird aus diesem Herzen, das Dein vielgeliebtes und erbarmungsreiches Herz widerspiegeln wird, Licht hervortreten, Salz, Feuer, das alles verzehrt.
Wenden wir uns an Maria, die Königin des Opus Dei. Bedenkt, dass diese Mutter glücklicherweise nicht stirbt. Sie kennt unsere Unzulänglichkeit. Für sie sind wir immer kleine Kinder, die in ihrem Schoß ausruhen können.
(a) Heiliger Vater, allmächtiger, ewiger und barmherziger Gott: auf die Fürsprache der heiligen Maria sage ich Dir Dank für alle Deine Wohltaten, auch für die, die ich nicht kenne.
Text gedruckt bei https://escriva.org/de/en-dialogo-con-el-se%C3%B1or/in-gottes-haenden/ (19.11.2025)