Zeit der Sühne

 In mehreren Beisammensein zu Beginn der Fastenzeit 1972 öffnete der heilige Josemaría vor seinen Söhnen sein Herz. Er offenbarte seinen Schmerz über die Beleidigungen Gottes und spornte sie an, dem Herrn großzügig Sühne zu leisten, besonders für die Sünden, die in der Kirche begangen werden. Aus Texten dieser Familientreffen stellte er diese Betrachtung zusammen, die er in Crónica und Noticias 1972 veröffentlichen ließ, um auf diese Weise seine Töchter und Söhne auf der ganzen Welt seine Hirtensorge spüren zu lassen.


Meine Töchter und Söhne, euer Vater möchte euch aufs Neue sein Herz öffnen: Wir müssen weiter beten, mit Vertrauen, was die erste Voraussetzung für ein gutes Gebet ist, und in der Sicherheit, dass der Herr uns erhört. Seht, der Herr selbst sagt uns jetzt am Beginn der Fastenzeit: »Invocabit me, et ego exaudiam eum: eripiam eum, et glorificabo eum.«1 Ihr werdet zu mir rufen, und ich werde euch erhören; ich werde euch befreien und euch verherrlichen.

Aber wir müssen beten mit dem Wunsch wiedergutzumachen. Es gibt vieles zu sühnen, außer- und innerhalb der Kirche Gottes. Wählt euch ein paar Worte aus, formt ein persönliches Stoßgebet, wiederholt es täglich viele Male und bittet den Herrn um Verzeihung: zuerst für unsere persönliche Schwäche und dann für die vielen Verbrechen, die gegen seinen heiligen Namen begangen werden, gegen seine Sakramente, gegen seine Lehre. »Nun aber höre, Du unser Gott, auf das Gebet Deines Dieners und auf sein Flehen und lass Dein Antlitz leuchten über Dein verwüstetes Heiligtum um Deiner selbst willen, o Herr! Neige, mein Gott, Dein Ohr und höre, öffne Deine Augen und blicke auf die Verwüstungen bei uns und auf die Stadt, über die Dein Name ausgerufen wird. Denn nicht im Vertrauen auf unsere Verdienste legen wir unsere flehentlichen Bitten Dir vor, sondern im Vertrauen auf Deine große Barmherzigkeit.«2

Bittet um Verzeihung, Kinder, für diese Verwirrung, für diese Schändlichkeiten, die innerhalb der Kirche und von oben her begünstigt werden und die Seelen verderben fast von Kindheit an. Wenn wir nicht so handeln, nicht diesen Weg der Buße und der Wiedergutmachung beschreiten, werden wir nichts erreichen.

Wir sind wenige angesichts einer solchen Menge? Wir sind voller Erbärmlichkeiten und Schwächen? Menschlich gesehen vermögen wir nichts? – Betrachtet mit mir die Worte des heiligen Paulus: »Was töricht ist vor der Welt, wählte Gott aus, um die Weisen zu beschämen; und was schwach ist vor der Welt, wählte Gott aus, um das Starke zu beschämen; was niedrig ist vor der Welt und verachtet, wählte Gott aus; das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zunichte zu machen, damit niemand sich rühme vor Gott.«3

Trotz unseres Elends und unserer Irrtümer hat uns der Herr als seine Werkzeuge in diesen so schwierigen Zeiten der Geschichte der Kirche erwählt. Kinder, wir dürfen uns nicht hinter der persönlichen Bedeutungslosigkeit verschanzen. Wir dürfen das empfangene Talent nicht vergraben.4 Wir können nicht so tun, als gingen uns die Beleidigungen Gottes nichts an und als kümmerte uns das Böse nicht, das den Seelen angetan wird. »Ihr aber sollt das im Voraus wissen und achtgeben, dass ihr euch nicht von dem Irrtum der Gottesverächter mitreißen lasst, euren Halt verliert und zu Fall kommt.«5

Wir haben jeder in seinem Stand und alle mit der gleichen Berufung auf die göttliche Aufforderung mit einem Ja geantwortet, um Gott und der Kirche zu dienen und Seelen zu retten. Mehr als andere haben wir daher die Pflicht und das Recht, wachsam zu sein. Wir tragen mehr Verantwortung, um mit Starkmut zu leben; und wir haben auch mehr Gnade.

Habt ihr gesehen, wie aktuell die Worte der Lesung des ersten Fastensonntags sind? »Wir ermahnen euch, dass ihr nicht vergeblich die Gnade Gottes empfangt. Denn Er spricht: Zur Zeit der Gnade habe ich dich erhört, am Tag des Heils habe ich dir geholfen. Jetzt ist die Zeit der Gnade, jetzt ist der Tag des Heils. Geben wir niemand irgendwie Anstoß, damit nicht unser Amt in Verruf komme. Erweisen wir uns vielmehr in allen Stücken als Diener Gottes.«6

Im Werk sind wir alle eine Liebesbindung mit Gott, unserem Herrn, eingegangen, die wir frei übernommen haben. Eine Bindung, die durch die persönliche Gnade gestärkt wird, die dem Stand eines jeden entspricht, und durch jene andere, spezifische Gnade, die der Herr den Seelen gewährt, die Er zu seinem Opus Dei ruft. Wie Honig und Waben empfinde ich jene göttliche Liebeserklärung: »Ego redemi te, et vocavi te nomine tuo, meus es tu!«7 – ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein! Wir gehören nicht uns selbst, meine Kinder, wir gehören Ihm, dem Herrn, denn es ist unser Wille gewesen, Ihm zu antworten: »Ecce ego, quia vocasti me!«8 – hier bin ich, weil Du mich gerufen hast.

Eine Liebesbindung, die zugleich ein Band der Gerechtigkeit ist. Ich spreche nicht gern nur von Gerechtigkeit, wenn ich von Gott spreche. In seiner Gegenwart suche ich seine Barmherzigkeit, sein Mitleid, so wie ich eure kindliche Zuneigung suche, damit ihr für mich betet, denn ihr wisst ja, dass euch mein Gebet zu keiner Zeit des Tages und der Nacht fehlt.

Aber welchen Inhalt hat diese Liebesbindung? Was fordert sie von uns? Zu kämpfen, meine Töchter und Söhne! Zu kämpfen mit dem Ziel, die asketischen Mittel anzuwenden, die das Werk uns gibt, um heilig zu werden; zu kämpfen, um unsere Normen und Gewohnheiten zu erfüllen; uns anzustrengen, um uns die gute Glaubenslehre anzueignen und sie zu verteidigen, und um unser Verhalten zu verbessern; zu versuchen, ein Leben des Gebetes, des Opfers und der Arbeit zu führen und – wenn es möglich ist – dabei zu lächeln. Denn ich verstehe, meine Kinder, dass es manchmal nicht leicht ist zu lächeln.

Vater, werdet ihr mir sagen, müssen wir kämpfen, um gutes Beispiel zu geben? Ja, meine Kinder, aber ohne Beifall auf Erden zu suchen. Schwankt nicht, wenn ihr auf Spott, Verleumdungen, Hass und Verachtung stoßt. Wir müssen kämpfen – wiederum spricht jetzt die Liturgie des Tages – »bei Ehre und Schmach, bei Lästerungen und Lobsprüchen; als Schwindler betrachtet und doch wahrhaftig; als Unbekannte und doch wohlbekannt; als Sterbende und doch bei guter Gesundheit; als Gezüchtigte, doch nicht gedemütigt; als Trauernde, doch allzeit fröhlich; als Arme, die dennoch viele bereichern; als solche, die nichts haben und dennoch alles besitzen.«9

Erwartet in eurem christlichen Kampf kein Lob, keine aufmunternden Worte. Wir müssen es in unserem Gewissen ganz klar haben: Wissen wir, dass unser innerer Kampf notwendig ist, um Gott, der Kirche und den Seelen zu dienen? Sind wir überzeugt davon, dass der Herr – in diesen Zeiten schrecklicher Treulosigkeit – sich unserer geringen Anstrengung, treu zu sein, bedienen will, um den Glauben, die Hoffnung und die Liebe in Tausenden von Seelen zu vermehren? Kämpfen wir also, meine Töchter und Söhne, mit dem Blick auf Gott und immer zufrieden, ohne an menschliches Lob zu denken.

Herr, obwohl wir mit Dir Umgang haben, verraten wir Dich. Aber wir kommen zu Dir zurück. Was würde aus uns werden ohne diesen Umgang? Wie könnten wir Deine Nähe suchen? Wie wären wir imstande, uns mit Dir am Kreuz zu opfern, uns dort aus Liebe zu Dir festzuheften, um den Geschöpfen zu dienen?

»Mein Gott, Dich zu verlassen heißt, zu Tode kommen; Dir zu folgen heißt lieben; Dich zu sehen heißt, Dich besitzen. Gib mir, Herr, einen festen Glauben, reiche Hoffnung, immerwährende Liebe. Ich rufe zu Dir, o Gott, durch den wir den Feind überwinden; Gott, durch dessen Gunst wir nicht ganz zugrundegehen. Gott, Du warnst uns, damit wir wachsam sind. Gott, mit Deiner Gnade vermeiden wir das Böse und tun das Gute. Gott, Du stärkst uns, damit wir nicht verlorengehen in den Widrigkeiten: Gott, von dem unser Gehorsam und unsere rechte Führung kommt.«10

Kämpfen, meine Kinder, kämpfen! Handelt nicht wie jene, die sagen, dass die Firmung uns nicht zu milites Christi macht. Vielleicht wollen sie nicht Krieg führen und sind deshalb so, wie sie sind: Gescheiterte, Besiegte, Menschen ohne Glauben, gefallene Seelen, wie Satan. Sie haben den Rat des Apostels nicht befolgt: »Trage die Arbeit und Mühe als guter Soldat Christi Jesu.«11

Als Soldaten Christi müssen wir die Schlachten Gottes schlagen. In hoc pulcherrimo caritatis bello! Es bleibt nichts anderes übrig, als sich in diesem wunderschönen Krieg der Liebe ernsthaft einzusetzen, wenn wir wirklich den inneren Frieden wollen, Gottes Ruhe für die Kirche und die Seelen.

Ich möchte euch daran erinnern: »Unser Kampf richtet sich nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Mächte, gegen die Gewalten, gegen die bösen Geister in den Himmelshöhen. Darum ergreift die Waffenrüstung Gottes, damit ihr am bösen Tage Widerstand leisten und, wenn ihr alles überwunden habt, bestehen könnt.«12

Auf der Erde dürfen wir nie die Gemächlichkeit der Faulenzer genießen, die sich gehen lassen, weil sie meinen, die Zukunft sei gesichert. Unser aller Zukunft ist insofern unsicher, als wir unseren Herrn, die Berufung und den Glauben verraten können. Wir müssen den Vorsatz fassen, uns immer anzustrengen. Am letzten Tag des Jahres, das vergangen ist, habe ich auf einem Zettel notiert: Das ist unsere Bestimmung auf Erden: aus Liebe kämpfen bis zum letzten Augenblick. Deo gratias!

Ich werde mich bemühen, bis zum letzten Moment zu kämpfen, und ihr genauso. Innerer Kampf, aber auch nach außen hin, indem ich mich, so gut ich kann, der Zerstörung der Kirche und dem Untergang der Seelen widersetze. Der Soldat, der im Krieg und auf dem Schlachtfeld nur darauf bedacht ist, sich durch die Flucht zu retten, verliert sich selbst und die anderen. Der mutige dagegen, der kämpft, um die anderen zu retten, rettet auch sich selbst.

»Da unsere Religion ein Krieg ist und der härteste von allen, mit heftigen Angriffen und Schlachten, wollen wir die Frontlinie einnehmen, wie unser König uns befohlen hat, immer bereit, unser Blut zu vergießen, indem wir die Rettung aller anstreben, die Starken stützen und die Gefallenen aufrichten. Sicher, viele unserer Freunde liegen auf dem Boden, verwundet und blutüberströmt, und niemand nimmt sich ihrer an: niemand, nicht das Volk, keiner der Priester, keine Gruppe sonst. Sie haben keinen Schirmherrn, keinen Freund, keinen Bruder.«13

Wenn einer meiner Söhne aufgibt und nicht mehr Krieg führt oder wenn er uns den Rücken kehrt, so soll er wissen, dass er an uns allen Verrat übt: an Jesus Christus, an der Kirche, an seinen Geschwistern im Werk, an allen Seelen. Niemand ist ein Stück für sich. Alle sind wir Glieder des einen Mystischen Leibes Christi, der die Heilige Kirche ist14, und alle sind wir durch unsere Liebesbindung außerdem Glieder des Werkes Gottes. Wenn einer daher aufhört zu kämpfen, dann fügt er seinen Geschwistern – ihrer Heiligkeit und ihrer apostolischen Arbeit – schweren Schaden zu. Dann ist er ein Hindernis für die Überwindung dieser Zeit der Prüfung.

Meine Töchter und Söhne, wir alle haben in der Seele ein Auf und Ab. Es gibt Momente, in denen der Herr uns die menschliche Begeisterung nimmt: Wir fühlen uns müde, es scheint, als wollte der Pessimismus die Seele einschläfern, und wir spüren, dass uns etwas die Sehkraft nehmen will, so dass wir nur die Schatten des Bildes wahrnehmen. Dann ist die Stunde gekommen, mit Aufrichtigkeit zu sprechen und sich wie ein Kind an der Hand führen zu lassen.

Deswegen gibt es regelmäßig das vertrauensvolle brüderliche Gespräch. Deswegen gibt es die Beichte, die ihr, weil ihr guten Geist habt, immer bei einem Priester des Werkes ablegt, wenn ihr könnt. Wenn ihr zu reagieren sucht, werden die hellen Stellen des Bildes sofort wieder sichtbar, und wir werden verstehen, dass jene Schatten zur Vorsehung gehören, denn ohne sie würde dem Bild unseres Lebens das Relief fehlen. »Wer im Schutz des Höchsten wohnt und ruht im Schatten des Allmächtigen, der spricht zu Gott: Mein Hort bist Du und meine Burg; mein Gott, dem ich vertraue. Denn Er rettet ihn aus der Schlinge des Jägers und aus allem Verderben. Er beschirmt ihn mit seinen Flügeln, unter seinen Schwingen gewährt Er ihm Zuflucht. Schild und Schutz ist dir seine Treue.«15

Ich bitte Jesus auf die Fürsprache seiner heiligen Mutter und des heiligen Josef, unseres Vaters und Herrn, den ich so sehr liebe, dass ihr mich versteht. Immer, aber noch viel mehr in diesen Augenblicken, wäre es Verrat, nicht wachsam zu sein, Konzessionen zu machen, die kleinste Untreue zuzulassen. Wenn es so viele unloyale Menschen gibt, sind wir um so mehr verpflichtet, unserer Liebesbindung treu zu bleiben. Macht euch nichts daraus, wenn es euch vorkommt, dass ihr andere Motive verloren habt, die euch früher halfen voranzukommen, und dass euch jetzt nur mehr dieses eine bleibt: die Loyalität Gott gegenüber.

Loyalität! Treue! Rechtschaffenheit! Im Großen und im Kleinen, wo es um wenig geht und wo es um viel geht. Kämpfen wollen, auch wenn es manchmal scheint, als könnten wir nicht wollen. Wenn der Moment der Schwäche kommt, so öffnet die Seele ganz weit und lasst euch sanft führen: heute steige ich zwei Stufen hoch, morgen vier … tags darauf vielleicht keine, weil uns die Kräfte verlassen haben. Aber wir wollen wollen. Wir haben wenigstens den Wunsch zu wünschen. Meine Kinder, das heißt schon kämpfen.

Sollte einer nicht entschlossen sein, seinen Verpflichtungen beharrlich nachzukommen, fest im Glauben zu bleiben und tadellos in seinem Verhalten, so würde ich ihm raten, er soll aufhören zu heucheln, er soll weggehen und uns in Ruhe auf unserem Weg ziehen lassen. In meiner Heimat sagt man: Entweder ordentlich oder gar nicht. Entweder die Pflichten erfüllen, wie es sich für einen Christen gehört, oder den Platz verlassen, an dem man nichts tut.

Unsere übernatürliche Aufgabe ist es, Gott wahrhaft zu lieben, denn dafür hat Er uns ein Herz gegeben und es ganz für sich beansprucht. Wir können uns nicht verstellen: Ich weiß, dass keines meiner Kinder das tun wird. Trotzdem bestehe ich darauf: Wenn ihr nicht betrachtet, was ich euch sage, wenn ihr euch nicht bemüht, aufmerksam zu sein, dann werdet ihr die Zeit verlieren und der Kirche und dem Werk großen Schaden zufügen. Der Herr wartet immer auf unsere Antwort, Töchter und Söhne meiner Seele, und dabei rechnet Er damit, dass wir zerbrechlich sind und jeder Erbärmlichkeit fähig. Deshalb hilft Er uns immer: »Weil er auf mich vertraut hat, rette ich ihn; ich schütze ihn, weil er meinen Namen kennt«16, sagt der Psalm.

Was werdet ihr tun, wenn ihr seht – denn das merkt man –, dass einer eurer Brüder nachlässt und nicht kämpft? Ihm beistehen natürlich, ihm helfen! Wenn ihr merkt, dass es ihm schwerfällt, den Rosenkranz zu beten, warum sollt ihr ihn nicht einladen, ihn zusammen mit euch zu beten? Wenn ihm die Pünktlichkeit schwerfällt: Hörst du? In fünf Minuten beginnt das Gebet oder das Beisammensein. Wozu gibt es die brüderliche Zurechtweisung? Wozu dient das persönliche Gespräch, das wir zu Hause haben? Wenn ihm jemand ausweicht, genauso wie wenn es jemand zu sehr ausdehnt – Achtung!

Und die Beichte? Unterlasst sie nie, wenn sie fällig ist, und beichtet immer, wenn ihr es braucht, meine Töchter und Söhne. Ihr habt die Freiheit, zu beichten bei wem ihr wollt, aber es wäre eine Torheit, dass ihr euch Händen anvertraut, die sich vielleicht schämen, gesalbt zu sein. Darauf wäre kein Verlass!

Alle diese geistlichen Mittel, die uns durch unsere gegenseitige Zuneigung leichtgemacht werden, sind dazu da, uns zu helfen, von Neuem zu beginnen. Sie sind dazu da, dass wir wieder damit anfangen, Zuflucht zur Gegenwart Gottes zu nehmen – durch die Frömmigkeit, die kleinen Abtötungen, die Sorge für die anderen. Das ist es, was uns stark, gelassen und siegreich macht.

Jetzt müssen wir mehr denn je im Gebet und in der Sorge vereint sein, die trüben Wasser, die die Kirche überfluten, aufzuhalten und zu reinigen. »Possumus!«17 Wir können in dieser Schlacht siegen, auch wenn die Schwierigkeiten groß sind. Gott rechnet mit uns. »Deshalb seid ihr voll Freude, obwohl ihr jetzt vielleicht kurze Zeit unter mancherlei Prüfungen leiden müsst. Dadurch soll sich euer Glaube bewähren, und es wird sich zeigen, dass er wertvoller ist als Gold, das im Feuer geprüft wurde und doch vergänglich ist. So wird eurem Glauben Lob, Herrlichkeit und Ehre zuteil bei der Offenbarung Jesu Christi.«18

Die Situation ist ernst, meine Töchter und Söhne. Die ganze Kriegsfront ist bedroht. Es darf nicht sein, dass sie wegen einem von uns durchbrochen wird. Das Übel – ich höre nicht auf, euch darauf hinzuweisen – kommt von innen und von hoch oben. Es gibt eine wirkliche Fäulnis, und manchmal scheint es, als wäre der mystische Leib Christi ein in Verwesung begriffener Kadaver, der übel riecht. Wie viele Beleidigungen Gottes! Wir, die wir genauso zerbrechlich, ja zerbrechlicher als die anderen, aber eine Liebesbindung eingegangen sind – ich habe davon schon gesprochen –, müssen unser Dasein jetzt irgendwie als Wiedergutmachung verstehen. Cor Iesu Sacratissimum et Misericors, dona nobis pacem!

Kinder, ihr habt ein großes und junges Herz, ein brennendes Herz. Spürt ihr nicht die Notwendigkeit, Sühne zu leisten? Führt die Seele über diesen Weg: den Weg des Lobes Gottes, indem jeder darauf achtet, wo er fest und zäh sein soll, und den Weg der Wiedergutmachung, indem er liebt, wo ein Vakuum entstanden ist, ein Mangel an Treue bei anderen Christen.

»De profundis … Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir! Höre, Herr, meine Stimme! Dein Ohr möge achten auf mein flehentliches Rufen! Wolltest Du, Herr, auf die Sünden achten, Herr, wer könnte da bestehen?«19 Bitten wir Gott, dass dieses Bluten seiner Kirche aufhört, dass die Wasser in ihr Bett zurückkehren. Sagt Ihm, Er möge nicht auf die Wahnsinnstaten der Menschen achten, sondern seine Milde und seine Macht zeigen.

Es darf uns nicht Traurigkeit überkommen. Wir sind Optimisten, auch weil der Geist des Opus Dei optimistisch ist. Aber wir leben nicht auf dem Mond. Wir leben in der Realität, und die Realität ist bitter.

All dieser Verrat an der Person, der Lehre und den Sakramenten Christi und auch an seiner reinsten Mutter … wirkt wie Rache: wie die Rache eines erbärmlichen Geistes gegen die Liebe Gottes, gegen seine großzügige Liebe, gegen die Hingabe Jesu Christi – dieses Gottes, der sich erniedrigte und Mensch wurde, der sich mit Nägeln ans Holz schlagen ließ, obwohl Er der Nägel nicht bedurfte, denn, um fest am Kreuz zu hängen, genügte Ihm seine Liebe zu uns; und der bei uns im Sakrament des Altares geblieben ist.

Klarheit mit Dunkelheit – so haben wir Ihm vergolten. Großzügigkeit mit Egoismus – so haben wir Ihm vergolten. Liebe mit Lauheit und Gleichgültigkeit – so haben wir Ihm vergolten. Meine Töchter und Söhne, schämt euch nicht, unser ständiges Elend zu sehen. Aber bitten wir um Verzeihung: »Verschone, Herr, Dein Volk und gib Dein Erbe nicht der Schmach preis, so dass Heiden darüber herrschen.«20

Jeden Tag erkenne ich diese Wirklichkeiten deutlicher. Und jeden Tag suche ich mehr durch Wiedergutmachung und Sühne die Nähe Gottes. Führen wir Ihm die vielen Seelen vor Augen, die verlorengehen und die nicht hätten verlorengehen müssen, wenn man sie nicht der Gelegenheit ausgesetzt hätte; die Seelen, die den Glauben aufgegeben haben, weil heute für jederlei Unwahrheit und Häresie straflos Propaganda gemacht werden kann; die Seelen, denen durch so viel Abfall und Bosheit Ärgernis gegeben wurde; die Seelen, denen die Hilfe der Sakramente und der guten Lehre versagt wurde.

Unter den Besuchern, die ich empfange, gibt es viele, die sich beklagen, die die Tragödie erfassen und erkennen, dass es unmöglich ist, durch den Einsatz menschlicher Mittel das Übel zu beheben. Allen sage ich: Bete, bete, bete und tu Buße. Ich kann ihnen nicht zum Ungehorsam raten, wohl aber zum passiven Widerstand, damit sie mit jenen, die zerstören, nicht zusammenarbeiten, ihnen Schwierigkeiten bereiten, sich persönlich verteidigen. Und besser noch ist der aktive Widerstand, das innere Leben zu pflegen, diese Quelle der Wiedergutmachung und des flehenden Gebetes.

Du, Herr, hast gesagt, dass wir rufen sollen: »Clama, ne cesses!«21 Auf der ganzen Welt erfüllen wir Deine Wünsche und bitten Dich um Verzeihung, denn inmitten unserer Erbärmlichkeiten hast Du uns den Glauben und die Liebe geschenkt. »Ich erhebe meine Augen zu Dir, der Du thronst im Himmel. Wie die Augen der Knechte auf die Hand ihres Herrn und wie die Augen der Magd auf die Hände der Herrin, so blicken unsere Augen zum Herrn, unserem Gott, damit Er sich unser erbarmt.«22

Bittet den Herrn auf die Fürsprache der heiligen Maria und des heiligen Josef, dass Er in uns den Geist der Sühne vermehrt, dass unsere Sünden uns schmerzen und wir es verstehen, unsere Zuflucht zum Sakrament der Buße zu nehmen. Kinder, hört auf euren Vater: Es gibt keinen besseren Akt der Reue und der Genugtuung als eine gute Beichte. Dort empfangen wir die Stärke, die wir brauchen, um zu kämpfen, obwohl unsere armen Füße aus Ton sind. »Non est opus valentibus medicus, sed male habentibus«23, der Arzt ist nicht für die Gesunden da, sondern für die Kranken.

Herr, Du bist froh, wenn wir uns mit unserem Aussatz an Dich wenden, mit unserer Schwäche, mit unserem Schmerz und mit unserer Reue; wenn wir Dir unsere Wunden zeigen, damit Du sie heilst, damit Du die Hässlichkeit unseres Lebens zum Verschwinden bringst. Sei gepriesen!

Mach, dass alle meine Kinder verstehen, dass wir die Pflicht haben, Dir Genugtuung zu leisten, auch wenn wir aus trockenem Lehm sind, manchmal zerbrechen und es notwendig ist, dass uns die anderen stützen. Hilf uns, unseren Liebespflichten treu zu bleiben, denn Du bist die Stärke, auf die unsere Schwäche angewiesen ist, besonders wenn man der Grausamkeit der Feinde in der Schlacht ausgesetzt ist.

Ich fasse den Vorsatz, aufs neue fünf Marienheiligtümer in Buße und Danksagung zu besuchen, wenn Du endlich Abhilfe schaffst – damit beginnst, Abhilfe zu schaffen. Ich weiß schon, dass Du als erstes willst, dass wir uns an Deine Mutter wenden – »Ecce Mater tua!«24 – und an unsere Mutter. Ich werde es im Geist der Liebe, der Dankbarkeit und der Wiedergutmachung tun, ohne Aufsehen.

Gib, dass wir hart gegen uns selbst sind und verständnisvoll gegenüber den anderen. Gib, dass wir nicht müde werden, die gute Glaubenslehre in das Herz der Seelen zu säen, »opportune, importune«25, jederzeit, mit unseren Gedanken, die uns in Deine Gegenwart versetzen, mit unseren brennenden Wünschen, mit unserem stürmischen Wort, mit unserem Leben als Deine Kinder.

Gib, dass wir allen bewusst machen, dass es die herrliche, wunderbare Möglichkeit gibt, mit Dir Umgang zu pflegen, ohne Gefühlsduselei. Das, was Du uns gibst – suche ich es mit Freuden? Herr, sei gepriesen! Wenn Du nicht willst, dann gib uns diesen Trost nicht, aber wir können nicht denken, dass es schlecht ist, ihn zu wünschen. Es ist gut, wie wenn wir den Geschmack einer Frucht begehren, einer Nahrung. Kinder, es gehört zu Gottes Wirkweise, dass Er diesen Ansporn gibt.

Gib, dass uns die göttlichen Tröstungen nicht fehlen und wir – wenn Du willst, dass wir ihrer entbehren – begreifen, dass Du uns wie Erwachsene behandelst, statt uns wie einem Neugeborenen Milch zu geben oder einen Brei wie dem Kleinkind, das gerade die ersten Zähne bekommen hat. Gewähre uns die Gelassenheit, die daher kommt, dass wir verstehen, dass Du uns feste Nahrung gibst, weil wir uns schon allein zurechtfinden können. Aber ich bitte Dich, dass Du uns gnädig eine Fingerspitze voll Honig gewährst, denn diese Zeit ist so leidvoll für alle.

Ich bitte Dich durch die Vermittlung Mariens und nehme meinen Vater und Herrn, den heiligen Josef, als Fürsprecher, ich rufe zu allen Engeln und Heiligen und zu den Seelen, die in Deiner Glorie sind und sich Deiner Anschauung erfreuen, sie mögen für uns eintreten, damit Du uns die Gaben des Heiligen Geistes sendest.

Ich bitte Dich auch, uns begreifen zu lassen, dass Du es bist, der im Sakrament des Altares zu uns kommt, und dass Du, mein Gott, nicht weggehst, wenn sich die eucharistischen Gestalten auflösen: Du bleibst! Dann beginnt in uns das Wirken des Trösters. Und niemals ist eine Person allein: da sind die Drei, der einzige Gott. Dieser Leib und diese Seele, dieses arme Geschöpf, dieser arme Mensch, der ich bin, soll sich immer dessen bewusst sein, dass er gleichsam ein Tabernakel ist, in dem die Heiligste Dreifaltigkeit wohnt.

Meine Töchter und Söhne, sprecht mit mir: Ich glaube an Gott Vater, ich glaube an Gott Sohn, ich glaube an Gott Heiliger Geist, ich glaube an die Heiligste Dreifaltigkeit. Und mit der Hilfe meiner Mutter, der heiligen Maria, werde ich kämpfen, um so voller Liebe zu sein, dass ich in dieser Wüste zu einer großen Oase werde, in der Gott Erquickung finden kann. »Cor contritum et humiliatum, Deus, non despicies!«26 Der Herr lässt die bußfertigen und demütigen Herzen nicht im Stich.

Anmerkungen
1

Ps 90, 15.

2

Dan 9, 17-18.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
3

1 Kor 1, 27-29.

4

Vgl. Lk 19, 20.

5

2 Petr 3, 17.

6

2 Kor 6, 1-4.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
7

Jes 43, 1.

8

1 Sam 3, 6.

9

2 Kor 6, 8-10.

10

Augustinus, Soliloquia 1,1,3.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
11

2 Tim 2, 3.

12

Eph 6, 12-13.

13

Johannes Chrysostomus, In Matthaeum homiliae 59,5.

14

Vgl. 1 Kor 12, 26-27.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
15

Ps 90, 1-4.

16

Ps 90, 14.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
17

Mt 20, 22.

18

1 Petr 1, 6-7.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
19

Ps 129, 1-3.

20

Joël 2, 17.

21

Jes 58, 1.

22

Ps 122, 1-2.

23

Mt 9, 12.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
24

Vgl. Joh 19, 27.

25

2 Tim 4, 2.

26

Ps 50, 19.

Verzeichnis der Schriftstellen
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