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Es gibt 21 Nummer in «Im Zwiegespräch mit dem Herrn» deren Stichwort lautet Demut.

Unser Opus Dei ist in höchstem Maß laikal, aber Priester sind notwendig. Obwohl ich das Priestertum so liebe, wie ich es liebe, habe ich bis vor kurzem immer gelitten, wenn einer eurer Brüder geweiht wurde. Jetzt geschieht das Gegenteil, jetzt macht mich das sehr glücklich. Aber es muss ohne Zwang geschehen, mit absoluter Freiheit. Gott missfällt es nicht, wenn einer meiner Söhne nicht Priester werden möchte. Außerdem brauchen wir viele heilige und gelehrte Laien. Diejenigen, die zum Priestertum berufen werden, haben also bis zum Tag, ja bis zum Augenblick der Weihe vollständige Freiheit. Wenn einer sagt: Vater, nein, ich möchte nicht Priester werden, ist das sehr gut. Ich sage dann: Mein Sohn, Gott segne dich, du enttäuschst mich nicht.

Trotzdem brauchen wir viele Priester, die ihren Schwestern und Brüdern und diesen großartigen Berufungen, die die Diözesanpriester sind, wie Knechte voll Freude dienen. Wir brauchen sie für die Arbeit vom heiligen Rafael und vom heiligen Gabriel, um allen Mitgliedern des Werkes die Sakramente spenden zu können und um den vielen Mitarbeitern zu helfen, die, wenn wir sie bilden, wie es sein soll, sehr wirksam sein werden. Ohne Priester ist das nicht möglich.

Das Werk breitet sich auf wunderbare Weise über die Welt aus. Herr, ich bin beschämt! Nicht leicht findet man jemanden, man erinnert sich nicht an einen Fall, wo jene, die eines Deiner Werke begonnen haben, hier auf Erden so viel Wunderbares sehen durften, wie ich es sehen darf: an Ausdehnung, an Zahl, an Qualität.

Wir brauchen Priester für die Suche nach Berufungen. Denn obwohl die meiste Arbeit von den Laien geleistet wird, stößt man an die sakramentale Mauer. Wenn man sich da an Kleriker wenden müsste, die nicht unseren Geist haben, dann würde die ganze Arbeit behindert werden, weil die einen es nicht können und andere nicht wollen.

Wir brauchen Priester auch für die Leitung des Werkes: wenige, weil die Ämter in den Häusern des Werkes sowie zwei Drittel der Ämter des Generalrates und der Regionalkommissionen von meinen Kindern, die Laien sind, bekleidet werden. Die restlichen werden Priester sein, die viel arbeiten und das Wie und Wo unserer Arbeit auf der ganzen Welt kennen. Es wird der Augenblick kommen, da eure Brüder, die an vielen Orten mit der apostolischen Arbeit des Werkes beginnen, wieder in ihre Länder zurückkehren und dort bei der Leitung mitarbeiten werden. Durch ihre persönliche Heiligkeit und ihre Erfahrung werden sie die Leitung mit viel Geschick unterstützen.

Wir brauchen Priester als Werkzeuge der Einheit. Der Priester muss also ganz besonders darauf achten, dass er keine Grüppchen bildet …! Man muss sich von den Seelen lösen! Ich hatte niemand, der mich das hätte lehren können – ich hatte keinen Vater(b) wie ihr –, es war der Herr, der mich anwies, das Persönliche immer zu vermeiden, noch bevor ich wusste, was Gott von mir wollte. Manchmal riet ich den Leuten, die zu meinem Beichtstuhl kamen: Geh zu einem anderen Priester; heute höre ich deine Beichte nicht. Ich tat das, damit sie sich frei fühlen, damit sie nicht an mir kleben, damit nicht die Anhänglichkeit an ein Geschöpf das Motiv für den Empfang des Sakramentes sei, sondern es aus göttlichen, aus übernatürlichen Motiven geschieht – aus Liebe zu Gott.

Mein Kind, denke niemals an dich. Fliehe vor dem Hochmut dessen, der sich wichtignimmt. Wenn du nicht an dich denkst, dann leistest du gute Arbeit. Wir dürfen nicht meinen, wir seien der Mittelpunkt, so dass sich alles um uns drehen müsste. Das Schlimmste daran ist nämlich, dass du, falls du diesen Fehler begehst, es nicht glauben wirst, wenn man dir sagt, dass du hochmütig bist. Denn während der Demütige sich für hochmütig hält, hält sich der Hochmütige für demütig.

Ich schaue euch an, meine Kinder … Wie froh wirst du sein, wenn der Augenblick für dich kommt, deinen Brüdern zu erklären, dass die Kinder Gottes in seinem Opus Dei beschaulich sein müssen, beschauliche Seelen mitten in der Welt! Ihr müsst ein beständiges Gebetsleben pflegen, vom Morgen bis zum Abend, und vom Abend bis zum Morgen. Vom Abend bis zum Morgen, Vater? Ja, mein Sohn, auch im Schlaf.

Du bewunderst genauso wie ich das schweigsame Leben jener Männer, die sich in ein altes Kloster einschließen, verborgen in ihren Zellen leben und ein Leben der Arbeit und des Gebetes führen. Wenn ich zuweilen die Kartäuser besuche, gehe ich erbaut von dort wieder fort, und ich liebe sie sehr. Ich verstehe ihre Berufung, ihre Absonderung von der Welt, und ich freue mich für sie … aber dort drinnen empfinde ich tiefe Traurigkeit. Wenn ich wieder auf der Straße bin, dann sage ich mir: Meine Zelle! Das ist meine Zelle! Unser Leben ist so beschaulich wie das ihre. Gott gibt uns die Mittel, damit unsere Zelle – unsere Einkehr – mitten in den Dingen der Welt ist, im Inneren unseres Herzens. Und so verbringen wir den Tag in einem ununterbrochenen Dialog mit Gott auf der Basis unserer Bildung, die wir im Werk erhalten.

Christus, Maria, die Kirche: das ist die dreifache Liebe, die dein Leben erfüllen soll. Maria, deine Mutter – fast hättest du »Mama« gesagt; das macht nichts, nenne sie ruhig so –, mit dem heiligen Josef und deinem Schutzengel.

Du wirst deine Brüder lehren, dass sie beschaulich und gelassen sein müssen. Auch wenn alles einstürzt, auch wenn alles untergeht, auch wenn alles Sprünge bekommt … Wir nicht. Wenn wir treu sind, werden wir die Stärke dessen haben, der demütig ist, weil er mit Christus einsgeworden ist. Meine Kinder, wir sind das Bleibende; alles andere vergeht. Es passiert nichts!

Vater, und wenn man mich niederschießt? Das wäre eine heilige Sache. Das ist nicht unser Weg, aber wir würden die Gnade des Martyriums wie eine Liebkosung Gottes annehmen – eine Liebkosung nicht für uns, sondern für unsere Familie, das Opus Dei –, damit uns nicht einmal in diesem Punkt der Hochmut überwältigt. Diese Liebkosung wird nicht ausbleiben … aber sie wird selten sein, denn sie ist nicht unser Weg.

Der Herr möchte, dass du auf Erden glücklich bist. Glücklich auch dann, wenn man dich vielleicht misshandelt und deine Ehre in den Schmutz zieht. Viele Leute empören sich, nicht selten wirst du angespuckt, und du bist »omnium peripsema«9, wie der Kehricht …

Das fällt schwer, mein Sohn, sehr schwer. Es ist hart, bis ein Mensch sich endlich zum Tabernakel begibt und sieht, wie er als Abschaum der Welt, als elender Wurm betrachtet wird, und aufrichtig sagt: Herr, wenn Du meine Ehre nicht brauchst, wozu will ich sie dann noch? Bis dahin weiß ein Sohn Gottes noch nicht, was es heißt, glücklich zu sein – bis er zu dieser Selbstentäußerung gelangt, zu dieser Hingabe, die Liebe ist, aber auf Schmerz und Buße gründet.

Ich möchte nicht, dass all das, was ich dir jetzt sage, über dich hinweggeht wie ein Sommergewitter: ein paar dicke Tropfen, dann wieder die Sonne und ein Weilchen später wieder Trockenheit. Nein, dieses Wasser soll in deine Seele eindringen, sich dort sammeln und auf göttliche Weise wirksam sein. Aber das wirst du nur erreichen, wenn du mich, der ich dein Vater bin, nicht allein beten lässt. Diese Zeit des Gesprächs, das wir gemeinsam hier ganz nahe beim Tabernakel führen, wird dann in dir eine fruchtbare Spur hinterlassen, wenn auch du, während ich spreche, in deinem Inneren sprichst. Während ich versuche, einen gemeinsamen Gedanken zu entwickeln, der euch allen nützlich sein kann, entwickelst du parallel dazu andere, intimere und persönlichere Gedanken. Auf der einen Seite überkommt dich die Scham, weil du es nicht verstanden hast, ganz und gar ein Mensch Gottes zu sein, auf der anderen Seite bist du voller Dankbarkeit, weil du trotz allem durch eine göttliche Berufung ausgewählt worden bist und weißt, dass dir niemals die Gnade des Himmels fehlen wird. Gott hat dir dieses Geschenk, die Berufung, gewährt, Er hat dich von Ewigkeit her auserwählt und dich deutlich jene Worte vernehmen lassen, die für mich wie Milch und Honig sind: »redemi te, et vocavi te nomine tuo: meus es tu!«10 Du gehörst Ihm, du gehörst dem Herrn. Wenn Er dir diese Gnade gewährt hat, wird Er dir auch die nötige Hilfe leisten, um als sein Sohn im Opus Dei treu zu sein.

Mit dieser deiner Loyalität, mein Sohn, wirst du dich bemühen, jeden Tag ein wenig besser zu werden, und du wirst das lebendige Vorbild eines Menschen des Opus Dei verkörpern. Das ist mein Wunsch, daran glaube ich, darauf hoffe ich. Und nachdem du den Vater über diesen unseren Geist beschaulicher Seelen hast sprechen hören, wirst du dich anstrengen, wirklich eine beschauliche Seele zu sein. Bitte jetzt Jesus darum: Herr, präge diese Wahrheiten meinem Leben ein, nicht nur meinem Verstand, sondern der Realität meines ganzen Daseins! Wenn du es so machst, dann versichere ich dir, dass du dir viele Leiden und Enttäuschungen ersparen wirst.

Wie viele Torheiten, wie viele Widrigkeiten verschwinden im Nu, wenn wir uns Gott im Gebet nähern, wenn wir mit Jesus sprechen, der uns fragt: Was ist los mit dir? – Mir ist folgendes passiert … und sofort die Erleuchtung. Oft geht uns auf, dass wir uns die Schwierigkeiten selbst erfinden. Du hältst ungeheuer viel von dir und meinst, dass du ganz außerordentliche Fähigkeiten besitzt. Wenn die anderen das nicht anerkennen, fühlst du dich gedemütigt, verletzt … Suche sofort das Gebet: Herr! … Und korrigiere dich. Es ist nie zu spät, sich zu korrigieren, aber tu es jetzt sofort. Dann wirst du erfahren, was es heißt, glücklich zu sein, auch dann, wenn du merkst, dass, wie bei einem Vogel, der zur Erde gefallen ist, an den Flügeln noch Lehm klebt, der erst trocknen muss. Durch Abtötung und Buße, durch das Bemühen, dir keine Ruhe zu gönnen, um deinen Brüdern das Leben angenehmer zu gestalten, wird dieser Lehm abfallen, und deine Flügel werden – verzeih mir den Vergleich, der mir gerade in den Sinn kommt – wie die eines Engels sein, rein und strahlend. Und es geht aufwärts!

Nicht wahr, mein Sohn, du bist dabei, konkrete Vorsätze zu fassen? Ist es nicht so, dass du dich im brüderlichen Gespräch und in der Beichte mit der übernatürlichen Einstellung, die man euch lehrt, sehen wirst, wie du bist, voll Demut vor Gott? Unterlasse es nie, in der geistlichen Begleitung davon zu sprechen, wie es um dein Gebetsleben, um dein Bewusstsein der Gegenwart Gottes, um deine Beschaulichkeit bestellt ist.

Wir wollen jetzt mit zwei Texten der Heiligen Schrift fortfahren, meine Kinder, der eine stammt vom heiligen Lukas, der andere vom heiligen Johannes. Der Herr hat seine ersten Jünger bei Booten und Netzen gefunden, und oft hat Er die Arbeit mit den Seelen mit der Arbeit der Fischer verglichen.

Erinnerst du dich an jenen wunderbaren Fischfang, bei dem die Netze zerrissen?3 Auch bei der apostolischen Arbeit reißt wegen unserer Unvollkommenheit manchmal das Netz. Der Fischfang ist zwar reichlich, aber nicht so groß, wie er hätte sein können.

Auf diesen apostolischen Fischfang, der auf alle Seelen abzielt, könnten wir jenen Text des heiligen Matthäus beziehen, der von einem Netz spricht, das, ins Meer geworfen, Fische sehr unterschiedlicher Art fängt4, Fische aller Größen und verschiedenster Qualität, denn in seinen Maschen hat alles Platz, was in den Wassern des Meeres schwimmt. Dieses Netz reißt nicht, mein Sohn, denn weder du noch ich, sondern unsere gute Mutter, das Werk, hat sich ans Fischen gemacht.

Aber ich wollte jetzt gar nicht von diesem Fischfang und von diesem riesigen Netz sprechen. Ich möchte vielmehr, dass du an das Netz denkst, von dem der heilige Johannes im 21. Kapitel spricht, als Simon Petrus ein Netz an Land zog und Jesus zu Füßen legte, das »mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen gefüllt«5 war. In dieses Netz mit den großen, erlesenen Fischen hat dich Christus kraft der überragenden Gnade der Berufung gesteckt. Vielleicht hat Ihn ein Blick seiner Mutter so gerührt, dass Er dir durch die unbefleckten Hände der Jungfrau Maria diese großartige Gabe zukommen ließ.

Meine Kinder, schaut, wir befinden uns alle im selben Netz. Und das Netz befindet sich im Boot, das das Opus Dei ist, in dem man Demut, Hingabe, Arbeit und Liebe den ihnen gebührenden Platz gibt. Ist das nicht herrlich? Hast du das vielleicht verdient?

Das ist der Moment, um nochmals zu sagen: Ich will mich ins Boot setzen lassen, ich werde mich zurechtschneiden, zerlegen, zerteilen, abschleifen, verspeisen lassen! Ich gebe mich ganz hin! Sage Ihm das in aller Wahrheit! Manchmal entsteht der Eindruck, dass du, wenn man dir einen Hinweis gibt, um dir auf deinem Weg der Heiligung zu helfen, aus Stolz rebellierst. Denn du schätzt dein eigenes Urteil höher ein als das Urteil der Leiter, obwohl das nicht stimmen kann, weil niemand ein guter Richter in eigener Sache ist und der liebevolle Hinweis deiner Brüder als Zurechtweisung dich stört …

Gib dich hin! Verschenke dich ganz! Aber sage Jesus Christus: Da ist diese alte Erfahrung mit dem Stolz! Herr, mache mich demütig! Und Er wird dir antworten: Wenn du demütig sein willst, dann pflege Umgang mit mir. Dann wirst du mich erkennen und wirst dich erkennen. Erfülle die Frömmigkeitsnormen, die ich dir durch deinen Gründer gegeben habe. Beherzige diese Normen. Sei treu in deinem inneren Leben, sei eine Seele des Gebetes, eine Seele des Opfers. Und allen Hindernissen, an denen es in diesem Leben nicht fehlt, zum Trotz werde ich dich glücklich machen.

Mein Sohn, setze dein ganz persönliches Gebet fort, das nicht das Geräusch der Sprache braucht. Sprich mit dem Herrn von Angesicht zu Angesicht, du und Er allein. Das Gegenteil ist sehr bequem. In der Anonymität trauen sich die Leute tausend Dinge zu, die sie allein nicht wagen würden. So mancher verschüchterte Feigling zögert nicht, wenn er sich inmitten der Menge befindet, eine Handvoll Schlamm zu packen und jemanden damit zu bewerfen. Ich wünsche mir, dass du, mein Sohn, in der Einsamkeit deines Herzens, das ja in Wirklichkeit alles andere als einsam ist, deinem Vater Gott unter die Augen trittst und Ihm sagst: Ich gebe mich hin!

Sei kühn, sei tapfer, sei mutig! Fahre fort mit deinem persönlichen Gebet und gib Ihm dein Wort: Herr, nie wieder! Nie wieder dieses Zögern, dieses Schwierigkeiten-Vorschieben, dieser Widerstand gegen Deine Gnade. Ich möchte der gute Sauerteig sein, der den ganzen Teig durchsäuert.

Möchtest du, dass wir uns jetzt weiter mit den Stellen der Heiligen Schrift beschäftigen, in denen wir die Apostel bei ihren Netzen und ihren Booten antreffen? Möchtest du, dass wir uns an ihrem Tun beteiligen und aus dem Munde Christi selbst die göttliche Lehre vernehmen?

»Er sagte zu Simon: Fahrt hinaus auf den See und werft eure Netze zum Fang aus! Simon antwortete Ihm: Meister, wir haben uns die ganze Nacht abgemüht und nichts gefangen.«6 Mit diesen Worten gestehen die Apostel ihre Ohnmacht ein. Eine ganze Nacht lang hatten sie gearbeitet und keinen einzigen Fisch gefangen. Das passiert auch dir und mir. Wir sind arme Menschen, die hochmütig sind. Wenn wir allein arbeiten möchten, wenn es nach unserem Willen gehen soll, wir uns vom eigenen Urteil leiten lassen, dann heißt das Ergebnis, das wir erzielen: Unfruchtbarkeit.

Aber hören wir Petrus weiter zu: »Doch wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen.«7 Und auf einmal ist das Meer voll, ja übervoll von Fischen, so dass die anderen Boote zu Hilfe kommen müssen, um die Menge Fische einzuholen. Siehst du? Wenn du dein Nichts und deine Unwirksamkeit zugibst und dich leiten lässt, statt dich auf das eigene Urteil zu verlassen, wirst nicht nur du wunderbare Früchte ernten, sondern werden auch die anderen aus deiner Fülle überreiche Früchte empfangen. Wieviel Gutes und wieviel Böses kannst du tun! Gutes, wenn du demütig bist und dich mit Freude und Opfergeist hinzugeben weißt; Gutes für dich und für deine Brüder, für die Kirche, für diese gute Mutter, das Werk. Und wieviel Böses, wenn du dich von deinem Hochmut leiten lässt. Dann wirst du sagen müssen: »Nihil cepimus!«8, nichts habe ich zustande gebracht! In der Nacht, in vollkommener Dunkelheit.

Mein Sohn, du bist vielleicht noch jung. Bei mir jedoch gibt es mehr Dinge, für die ich den Herrn um Verzeihung bitten muss, obwohl auch du deine verborgenen Winkel haben wirst, deine Niederlagen, deine Erfahrungen … Sage Jesus, dass du »wie der Ton in der Hand des Töpfers«9 sein willst, um gefügig und widerstandslos jene Formung anzunehmen, die das Werk dir auf mütterliche Weise zukommen lässt.

Ich sehe, dass du guten Willens bist und den echten Wunsch hast, heilig zu werden. Aber ich möchte dich daran erinnern, dass es, um heilig zu werden, erforderlich ist, dich in der Glaubenslehre gut auszukennen. Ferner müssen wir verstanden haben, die entsprechende Zeit an den entsprechenden Orten darauf zu verwenden, Kopf und Herz, das heißt dem ganzen Leben, das nötige Rüstzeug mitzugeben, um weiterhin mit Christus und den ersten Zwölf Seelenfischer zu sein.

Wir denken an unser Elend und halten uns vor Augen, wie oft wir wegen unseres Hochmuts gescheitert sind. Und vor der Majestät dieses Gottes, vor Christus, dem Fischer, müssen wir dasselbe sagen wie der heilige Petrus: »Herr, ich bin ein Sünder.«10 Dann wird Jesus Christus dir und mir dasselbe wiederholen, was er damals zu Simon Petrus gesagt hat: »Von nun an wirst du Menschen fangen«11, mit göttlichem Auftrag, mit göttlicher Sendung, mit göttlicher Wirksamkeit.

In diesem Meer der Welt befinden sich mitten in den aufgewühlten Wogen sehr viele Seelen. Aber höre die Worte des Jeremias: »Seht, ich hole viele Fischer – euch und mich –, die sollen sie fangen«12, mit dem Verlangen, alle Seelen zu retten, mit göttlicher Sorgfalt.

Werdet ihr, wirst du, mein Sohn, das Wirken Jesu behindern, oder wirst du es erleichtern? Setzt du dein Glück aufs Spiel, oder möchtest du treu sein, dem Willen des Herrn entsprechen und voll Wirksamkeit als Menschenfischer mit einer göttlichen Sendung über alle Meere fahren? Los, mein Sohn, auf zum Fischfang!

Ich schließe unser Gebet mit denselben Worten, mit denen ich es begonnen habe: Du bist der Sauerteig, der den ganzen Teig durchsäuert. Lass dich zubereiten. Vergiss nicht, dass du mit der Gnade deiner Berufung und mit deiner Hingabe, die die Antwort auf diese Gnade ist, kleine Hefe, kleiner Sauerteig sein kannst und dass du bewirken kannst, dass die ganze Masse der Menschen durchsäuert wird. Du stehst dabei unter dem Schutzmantel unserer Mutter, der heiligen Maria, die es stets verstanden hat, dich inmitten der Wogen zu behüten. Du bist unter dem Schutz und Schirm unserer himmlischen Mutter und wirst ebenfalls jene Sehnsucht erfahren, die mich schreiben ließ: omnes – alle!, keine einzige Seele darf verlorengehen! –, omnes cum Petro ad Iesum per Mariam!

Wir beginnen mit dem Einleitungsgebet: »Mein Herr und mein Gott, ich glaube fest, dass Du hier zugegen bist, dass Du mich siehst, dass Du mich hörst; ich bete Dich in tiefer Ehrfurcht an, ich bitte Dich um Verzeihung für meine Sünden« – und gleichzeitig, als Akt des Dankes und der Verehrung gegenüber der Gottesmutter, wollen wir nach diesem Gebet, das schon persönliches Beten ist, wie jeden Morgen und jeden Nachmittag betrachten, wie wir besser werden können.

Meine Kinder, heute, da mit dem neuen liturgischen Jahr eine Zeit voller Zuneigung zum Erlöser beginnt, ist ein guter Tag, um neu zu beginnen. Neu beginnen? Ja, neu beginnen. Ich beginne jeden Tag, jede Stunde, jedes Mal, wenn ich einen Reueakt verrichte. Und ich denke, dass du das auch tust.

»Ad te Domine levavi animam meam: Deus meus, in te confido, non erubescam«1, zu Dir, Herr, erhebe ich meine Seele, mein Gott, auf Dich vertraue ich. Lass mich nicht zuschanden werden! Ist dieses Vertrauen in Gott nicht die Stärke des Opus Dei? Im Laufe vieler Jahre haben wir in Augenblicken des Unverständnisses, ja des schonungslosen Unverständnisses so gebetet: »Non erubescam!« Aber wir sind nicht die einzigen Unverstandenen. Verständnislosigkeit erleiden alle, natürliche wie moralische Personen. Es gibt niemanden auf der Erde, der nicht mit oder ohne Berechtigung sagen könnte, dass er nicht verstanden wird, dass ihn Verwandte, Freunde, Nachbarn, Kollegen … nicht verstehen. Aber wenn er mit lauterer Absicht handelt, wird er sogleich sagen: »Ad te levavi animam meam« und mit dem Psalmisten fortfahren: »Etenim universi, qui te expectant, non confundetur«2, ja, alle, die auf dich harren, werden nicht zuschanden.

»In te confido …« Es handelt sich nicht mehr bloß um Unverständnis, sondern um Menschen, die hassen, die eine schlechte Absicht haben. Vor Jahren habe ich es nicht geglaubt, jetzt aber schon: »Neque irrideant me inimici mei«3: Lass meine Feinde mich nicht verlachen! Mein Sohn, Kind meiner Seele, sage Gott Dank dafür, dass Er diese Worte, die uns eine größere Stärke verleihen, in den Mund des Psalmisten gelegt hat. Und denke an jene Male, da du dich betroffen gefühlt und die Gelassenheit verloren hast, weil du dich nicht in der Lage sahst, dich an den Herrn zu wenden – Deus tuus, deinen Gott – und Ihm zu vertrauen.

Im inneren Kampf der Seele und im Kampf zur Ehre Gottes, um ein wirksames Apostolat im Dienst an Gott, den Menschen und der Kirche zu entfalten … dort in diesen Kämpfen habt Glauben und Vertrauen! »Aber Vater«, wirst du mich fragen, »wie verhält es sich dabei mit meinen Sünden?« Und ich antworte dir: Und was ist mit den Meinigen? So beten wir: »Ne respicias peccata nostra, sed fidem«4 und erinnern uns an die Worte aus der Heiligen Schrift: »Quia tu es, deus, fortitudo mea«5. Dann habe ich keine Angst mehr, weil Du, Herr, mehr auf meinen Glauben schaust als auf meine Erbärmlichkeit und weil Du meine Stärke bist. Und diese meine Kinder – ich bringe euch alle vor Gott – sind meine Stärke: sie sind stark, entschieden, sicher, gelassen, siegreich!

Aber auch demütig, demütig, weil wir den Ton, aus dem wir gemacht sind, sehr gut kennen und zumindest ein klein wenig unseres Stolzes und ein wenig unserer Sinnlichkeit haften bleibt. Und dabei wissen wir nicht alles. Wir wollen alles entdecken, was unseren Glauben, unsere Hoffnung, unsere Liebe behindert! Doch wir werden gelassen bleiben. Kurzum: Wir werden erahnen, dass wir bessere Kinder Gottes sind. So werden wir fähig sein, im neuen Jahr voranzukommen. Wir werden uns als Kinder Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes fühlen.

Uns hat der Herr den Weg zum Himmel gezeigt. Genauso wie Er Elija das unter der Asche verborgene gebackene Brot gab, hat Er es auch uns geschenkt, damit wir auf dem Weg vorangehen können. Dieser Weg kann der Weg eines Heiligen, eines Lauen oder – daran will ich gar nicht denken – eines schlechten Menschen sein. »Vias tuas, Domine, demonstra mihi; et semitas tuas edoce me«6: Zeige mir, Herr, Deine Wege, lehre mich Deine Pfade! Möchtest du darüber etwas mehr nachdenken?

Aber kommen wir zum ersten Punkt unserer Betrachtung. Seit Du, Herr, begannst, Dich meiner Seele zu zeigen, als ich fünfzehn oder sechzehn Jahre alt war; seit ich mit sechzehn oder siebzehn schon irgendwie wusste, dass Du mich suchtest und ich die ersten Impulse Deiner Liebe empfand, sind viele Jahre vergangen. Nachdem ich aus Bequemlichkeit und aus Feigheit so viele Schwierigkeiten gemacht hatte – das habe ich oft gesagt, und ich habe meine Kinder deswegen um Verzeihung gebeten –, brach an jenem 2. Oktober 1928 plötzlich das Werk in die Welt herein.

Ihr werdet mir helfen, dem Herrn zu danken und Ihn darum zu bitten, dass mein Vertrauen auf Ihn und meine Liebe zu Ihm niemals erkalten, jener einfache Umgang mit dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, auch wenn meine Schwächen und Erbärmlichkeiten noch so groß sind. Man soll mir anmerken – ohne äußerlich, noch innerlich seltsam zu sein –, dass ich weiß, dass ich ein armer Mensch bin: »pauper servus et humilis!« Diese Überzeugung soll nicht verlorengehen. Immer war mir klar, dass ich vom ersten bis zum letzten Augenblick meines Lebens die Barmherzigkeit Gottes brauchen werde.

Bittet den Herrn, dass Er mich gut arbeiten lässt und ich es zuwege bringe, jene Dinge, die eine menschliche, eine natürliche Grundlage haben, mit einer immer tieferen übernatürlichen Sicht in eine Quelle der Selbsterkenntnis und der Demut zu verwandeln – ohne Getue, mit Einfachheit.

Wann starb der Gründer?, fragen manche, denn sie denken, das Werk sei schon alt. Sie merken nicht, dass es ganz jung ist. Der Herr hat es schon mit übernatürlicher und menschlicher Reife ausstatten wollen, auch wenn wir in einigen Regionen noch am Anfang stehen, so wie die heilige Kirche selbst nach zwanzig Jahrhunderten am Anfang steht.

Nur ich weiß, wie wir begonnen haben. Menschlich gesehen gab es nichts. Ich hatte nur die Gnade Gottes, sechsundzwanzig Jahre und gute Laune. Aber einmal mehr hat sich das Gleichnis vom kleinen Samenkorn erfüllt, für das wir unserem Herrn zutiefst dankbar sein müssen. Die Zeit ist vergangen. Der Herr hat uns im Glauben gestärkt und uns gegeben, was wir damals am Anfang des Werkes gesehen haben, ja mehr als das. Es ist auf der ganzen Welt wunderbare Realität geworden: dieses Heer, das zu einer Schlacht für den Frieden angetreten ist, für das Gute, für die Freude, für die Ehre Gottes. Angesichts dieser göttlichen Arbeit von Männern und Frauen in den verschiedensten Situationen, von Laien und Priestern, dieser Arbeit, die sich großartig ausweitet, obwohl sie notwendigerweise auf peinvolle Momente stoßen wird, weil wir immer am Anfang stehen – angesichts all dessen müssen wir in Liebe unser Haupt senken, uns an Gott wenden und Ihm danken. Und wir müssen uns auch an unsere himmlische Mutter wenden, die vom ersten Augenblick an den ganzen Weg des Werkes mit uns gegangen ist.

Ein Grund, immer zu lächeln. Wir sollen lächeln auch inmitten der Härte mancher Umstände, indem wir immer wieder zum Herrn sagen: gratias tibi, Deus, gratias tibi! Nutzt diese Momente eures Gebetes, um die Welt in Gedanken zu durchstreifen und zu sehen, wie die Dinge liegen. Es ist notwendig, dass wir von Herzen lieben, die apostolischen Einrichtungen vorantreiben und die Leute bilden. Durchstreift mit eurer Phantasie, so sagte ich euch, alle Regionen der Welt. Haltet besonders bei jener inne, die eurem Herzen am nächsten liegen sollte. Haltet inne, um Dank zu sagen, und setzt durch euer Gebet die heiligen Schutzengel in Bewegung.

Wir kommen zum dritten Punkt unserer Betrachtung, und in diesem dritten Punkt bin nicht ich es, der euch bestimmte Überlegungen vorträgt; nun seid ihr es, die ihr euch mit euch selbst konfrontieren müsst, denn der Herr hat uns für dasselbe Ziel erwählt, und in euch und in mir ist diese wunderbare universale Wirklichkeit geboren worden. Jetzt ist der Augenblick gekommen, in dem jeder auf sich selbst schauen muss, um zu erkennen, ob er das Werkzeug ist, das Gott will, oder nicht: das ist eine ganz persönliche Arbeit, eine tiefinnerliche Arbeit jedes einzelnen von euch mit Gott.

Seid davon überzeugt, meine Kinder, dass der einzige Weg der Weg der Heiligkeit ist. Inmitten aller Erbärmlichkeiten – ich habe viele – bitten wir aus ganzer Seele um Vergebung. Und trotz dieser Erbärmlichkeiten seid ihr beschauliche Seelen. Ich sehe das so. Ich betrachte nicht nur eure Fehler, denn wir kämpfen unentwegt gegen dieses Elend an, indem wir zum Herrn, unserem Gott, und seiner gebenedeiten Mutter gehen, indem wir uns bemühen, die Normen zu leben, die ich euch gegeben habe. Es ist uns ein Bedürfnis, zu Gott und zu Maria – zu unserer Mutter – zu gehen, und wir pflegen beständigen Umgang mit ihnen. Tun nicht genau das die beschaulichen Seelen?

Als ich heute Morgen aufwachte, dachte ich, dass ihr wohl möchtet, dass ich ein paar Worte an euch richte. Ich bin wahrscheinlich rot geworden, denn ich fühlte mich beschämt. Dann wandte ich mein Herz Gott zu, und ich sah, wie viel noch zu tun bleibt; und ich dachte auch an euch: Da war ich überzeugt, dass ich nicht alles gebe, was ich dem Werk schulde. Er schon, Gott schon. Deshalb sind wir heute Morgen gekommen, um unseren Dank zu erneuern. Ich bin sicher, dass auch euer erster Gedanke am heutigen Tag eine Danksagung gewesen ist.

Der Herr ist wirklich treu. Aber wir, sind wir treu? Ihr müsst eine persönliche Antwort geben, meine Kinder. Wie sieht sich jeder in seinem eigenen Leben? Ich frage euch nicht, ob ihr seht, dass ihr besser oder dass ihr schlechter seid, denn manchmal glauben wir etwas und sind dabei nicht objektiv. Manchmal lässt der Herr zu, dass es uns so vorkommt, als ob wir zurückfielen. Dann ergreifen wir noch fester seine Hand und fühlen uns voll Frieden und Freude. Deshalb frage ich euch nicht, ob es mit euch besser oder schlechter geht, sondern ob ihr den Willen Gottes erfüllt, ob ihr das Verlangen habt zu kämpfen, nach der göttlichen Hilfe zu rufen und nie ein menschliches Mittel zu ergreifen, ohne zugleich die übernatürlichen Mittel einzusetzen.

Denkt nach, ob ihr bestrebt seid, euer Herz zu weiten, ob ihr imstande seid, den Herrn zu bitten; denn oft sind wir dazu nicht imstande, oder wir bitten Ihn zwar, aber damit Er es uns nicht gewährt. Fragt euch, ob ihr imstande seid, Ihn darum zu bitten, dass ihr die Letzten seid und eure Brüder die Ersten; dass ihr das Licht seid, das sich verzehrt, das Salz, das aufgebraucht wird. Darum sollen wir bitten: uns verausgaben zu können, damit die anderen glücklich sind. Das ist das große Geheimnis unseres Lebens, das ist die Wirksamkeit unseres Apostolates.

Es kam der 2. Oktober 1928. Ich machte Besinnungstage, weil man sie machen musste, und genau da kam das Opus Dei zur Welt. Noch heute klingen die Glocken der Kirche Unserer Lieben Frau von den Engeln, die ihre Patronin feierten, in meinen Ohren. Der Herr »ludens … omni tempore, ludens in orbe terrarum«1, der mit uns wie ein Vater mit seinen kleinen Kindern spielt, auch wenn wir gar nicht mehr so kleine Geschöpfe sind, sah meinen Widerstand und diese begeisterte und zugleich schwächliche Arbeit. Er fügte es, dass ich in scheinbarer Demut dachte, auf der Welt könnte es etwas geben, das sich von dem, was Er von mir verlangte, nicht unterscheide. Das war Feigheit, die wenig vernünftig war, eine Feigheit aus Bequemlichkeit und der Beweis dafür, dass ich keineswegs Gründer von irgendetwas sein wollte.

Ich war damals nicht besser als heute; ich war ein armer Mensch. Als dies alles geschah, gab es an mir nichts, was auch nur im Entferntesten zur Annahme berechtigt hätte, es wäre von mir selbst gekommen. Es war Liebe, ein Beweis der Liebe Gottes, der die Wege der gewöhnlichen Vorsehung verließ; denn wenn es notwendig war, gab es tatsächlich außergewöhnliche Eingriffe – ich würde lügen, wollte ich das Gegenteil behaupten –, und ich erlebte sie mit Angst. Wenn dergleichen geschah, spürte ich immer sofort das Ich bin es. Wenn ich das Vorgefallene rational zu erfassen suchte, wurde mir klar, dass es sich nicht um eine Sache der Nerven handeln konnte. Es war etwas, das von Gott kam. Und ich ging ruhig zu meinem Beichtvater, wenngleich noch schwankend.

Damit kein Zweifel daran aufkommen konnte, dass Er derjenige war, der sein Werk vollbringen wollte, bediente sich der Herr sichtbarer Zeichen. Ich hatte geschrieben: Nie wird es Frauen im Opus Dei geben – nicht einmal im Scherz. Und wenige Tage später … der 14. Februar: damit sichtbar würde, dass es sich nicht um eine Sache von mir handelte, sondern es gegen meine Neigung und meine Absicht geschah.

Ich besuchte das Haus einer alten, achtzigjährigen Dame, die bei mir zu beichten pflegte, um in ihrer kleinen Hauskapelle die Messe zu feiern. Und dort war es, in jener Heiligen Messe, nach der Kommunion, dass die weibliche Abteilung zur Welt kam. Nachher beeilte ich mich, meinen Beichtvater aufzusuchen, der mir sagte: Das kommt genauso von Gott wie alles andere.

Diese Eingriffe des Herrn bewegten, ja verwirrten mich. Sie ließen mich in dem Augenblick – trotz der vier oder vielleicht sechs Studienjahre Heilige Schrift mit den besten Noten – alles vergessen, was das Evangelium sagt. Ach, mein Gott, das ist der Teufel! Einmal ging ich von der Kirche Santa Isabel zur Wohnung meiner Mutter, um zu sehen, was im Evangelium geschrieben steht. Und es war alles genau richtig …

Als ich angesichts des Dilemmas, ob ich während des spanischen Bürgerkrieges auf die andere Seite hinüberwechseln sollte oder nicht, voller Sorgen war, kam mitten in der Verfolgung, auf der Flucht vor den Kommunisten, ein weiterer äußerer Beweis: jene hölzerne Rose(a). Dinge dieser Art: Gott behandelt mich wie ein unglückliches Kind, dem man anfassbare Beweise geben muss, aber auf gewöhnliche Art und Weise.

So also, auf ganz gewöhnliche Weise, hat mich Jesus, unser Herr, haben mich der Vater und der Heilige Geist, mit dem anmutigen Lächeln der Mutter Gottes, Tochter Gottes und Braut Gottes, vorangehen lassen, obwohl ich der bin, der ich bin: ein armer Mensch, ein kleiner Esel, den der Herr bei der Hand nehmen wollte: »ut iumentum factus sum apud te, et ego semper tecum«2.

Ein Priester hat kürzlich das Buch DerWeg kritisiert und gesagt, er sei kein »Kehrichteimer«(b), denn der Leib werde auferstehen. Er erinnert sich nicht an das, was der heilige Paulus schreibt: »Ich erachte alles als Kehricht«3; und an einer anderen Stelle: »Wir werden behandelt wie der Auswurf der Welt, wie der Abschaum aller«4; und nicht an die vielen Male, wo in der Heiligen Schrift steht, dass wir aus Lehm sind, aus dem Staub der Erde gebildet.5 Mich hat der Herr das sehr klar verstehen lassen. Das heißt, nicht nur wie der Eimer, sondern wie das, was im Eimer ist – so komme ich mir vor. Verzeih, Herr, verzeih!

Als ich vor einigen Tagen in der Messe einen Abschnitt aus dem Buch der Könige las, wurde mir in meinem Verstand und meinem Herzen die Einfachheit bewusst, die der Herr von uns in diesem Leben erwartet. Es ist dieselbe Einfachheit, die Josef gelebt hat. Als der syrische General Naaman schließlich Elisäus aufsucht, um von seinem Aussatz geheilt zu werden, verlangt der Prophet von ihm etwas Einfaches: »Geh und wasch dich siebenmal im Jordan! Dann wird dein Fleisch wieder gesund, und du wirst rein.«1 Jener arrogante Mann aber denkt: Führen die Flüsse meines Landes nicht genau so gutes Wasser wie die des Landes des Elisäus? Bin ich deshalb von Damaskus gekommen? Er erwartete etwas Auffallendes, Außergewöhnliches. Aber nein! Du bist befleckt; geh und wasch dich, sagt der Prophet. Nicht bloß einmal, sondern ziemlich oft: siebenmal. Ich denke, das ist eine Art Hinweis auf die Sakramente.

All dies erinnerte mich an das einfache, verborgene Leben des heiligen Josef, der nur gewöhnliche Dinge tut. Der heilige Josef bleibt völlig unbemerkt. Die Heilige Schrift berichtet uns fast nichts von ihm. Aber sie zeigt ihn uns, wie er seine Aufgabe als Oberhaupt der Familie erfüllt.

Wenn der heilige Josef also Patron unseres inneren Lebens ist, wenn er Ansporn für unser beschauliches Leben und der Umgang mit ihm eine Wohltat für alle Söhne und Töchter Gottes in seinem Opus Dei ist, dann scheint mir der heilige Josef für jene, die im Werk Leitungsfunktionen innehaben, ein hervorragendes Beispiel zu sein. Er greift nur ein, wenn es notwendig ist, und dann tut er es mit Festigkeit und ohne Gewalt. So ist Josef.

Wundert euch daher nicht, dass die Messe an seinem Fest damit beginnt, dass es heißt: »Iustus ut palma florebit«2. So erblühte die Heiligkeit Josefs. »Sicut cedrus Lybani multiplicabitur«3. Ich denke an euch. Jeder im Opus Dei ist wie der Vater oder die Mutter einer großen Familie und macht sich Sorgen um so viele Seelen auf der Welt. Wenn ich meinen jungen Töchtern und Söhnen erkläre, dass sie in der Arbeit vom heiligen Rafael mit drei, vier oder fünf Freunden besonderen Umgang pflegen sollen und von diesen Freunden vielleicht nur zwei wirklich mitmachen werden, jeder von ihnen aber drei oder vier weitere bringen wird, die an jedem seiner Finger hängen – was ist das anderes als das Aufblühen des Gerechten und ein Wachsen wie das der Zedern des Libanon?

»Plantatus in domo Domini: in atriis domus Dei nostri«4. Alle meine Kinder sind wie Josef in Sicherheit. Ihre Seele ist drinnen im Hause des Herrn. Und dies, während sie auf der Straße mitten im Trubel der Welt leben und die Sorgen ihrer Kollegen, ihrer Mitbürger, die unseresgleichen sind, spüren.

Es ist nicht verwunderlich, dass die Liturgie der Kirche die folgenden Worte des Buches der Weisheit auf den heiligen Patriarchen anwendet: »dilectus Deo et hominibus, cuius memoria in benedictione est«5. Sie sagt uns, dass er vom Herrn geliebt wird, und stellt ihn uns als Vorbild hin. Und sie lädt uns als gute Kinder Gottes auch dazu ein, diesen heiligen, wunderbaren, jungen Mann, der der Gemahl Mariens ist, zu preisen, auch wenn wir – wie ich – arme Menschen sind. Man hat ihn mir auf einem Relief in der Kapelle, die ich benutze, alt dargestellt. Nein! An anderen Orten habe ich ihn jung malen lassen, so wie ich ihn mir vorstelle: vielleicht ein paar Jahre älter als die Jungfrau Maria, aber jung, kräftig, in der Fülle der Jahre. Hinter dieser klassischen Form der Darstellung des heiligen Josef als alter Mann verbirgt sich der allzu menschliche Gedanke, dass es für einen jungen Menschen nicht leicht ist, die Tugend der Reinheit zu leben. Das stimmt nicht. Das christliche Volk nennt ihn einen Patriarchen, aber ich sehe ihn so: jung, was Herz und Leib angeht, alt, was die Tugenden betrifft, und deshalb auch jung im Hinblick auf die Seele.

»Glorificavit illum in conspectu regum, et iussit illi coram populo suo, et ostendit illi gloriam suam«6. Vergessen wir das nicht: Der Herr will ihn verherrlichen. Und wir haben ihn mitten in unsere Familie hineingenommen und ihn gleichfalls zum Patriarchen unseres Hauses gemacht. Deshalb ist das feierlichste und intimste Fest unserer Familie, das Fest, an dem wir Mitglieder des Werkes uns alle versammeln, um Jesus, unseren Heiland, darum zu bitten, Er möge Arbeiter in seine Ernte senden, besonders dem Bräutigam Mariens gewidmet. Er ist also auch Mittler. Er ist der Herr des Hauses. Wir ruhen aus in seiner Klugheit, seiner Reinheit, seiner Zuwendung, seiner Macht. Warum sollte unser Vater und Herr, der heilige Josef, nicht mächtig sein?

Wenn du springen willst und bloß hüpfst wie eine Henne, wird dich das erschrecken? Schau, was der heilige Petrus sagt: »Carissimi, nolite peregrinari in fervore, qui ad tentationem vobis fit, quasi novi aliquid vobis contingat«4. Wundert euch nicht, dass ihr nicht springen, dass ihr nicht siegen könnt. Ist doch die Niederlage unsere Sache! Der Sieg ist Sache der Gnade Gottes. Und vergesst nicht: eines ist der Gedanke, und etwas anderes, davon gänzlich verschieden, die Einwilligung. Das erspart viel Kopfzerbrechen.

Viele Dummheiten ersparen wir uns auch, wenn wir gut schlafen und die vorgesehenen Stunden einhalten; wenn wir genug essen; wenn ihr Sport treibt, wie es eurem Alter entspricht; wenn wir uns ausruhen. Aber ich hätte gern, dass ihr jedes Gericht mit dem Kreuzzeichen verseht. Das heißt nicht, dass wir nicht essen sollen. Es geht darum, ein bisschen mehr von dem zu essen, was euch nicht schmeckt, ein kleines bisschen, auch wenn es nur ein Kaffeelöffel voll ist; und ein bisschen weniger von dem, was euch schmeckt, und dabei immer Gott dankt.

Ihr werdet euch nicht darüber wundern, denn ihr wisst, dass wir den fomes peccati haben, die natürliche Hinneigung zu allem, was sündhaft ist – ich wenigstens genauso wie ihr oder vielleicht mehr. Ich betone, dass die Sünde des Fleisches nicht die schwerste ist. Es gibt andere, größere Sünden, auch wenn man natürlich die Begierlichkeit niederhalten muss. Ihr und ich, wir werden uns nicht wundern, wenn wir entdecken, dass wir in allen Dingen – nicht nur in der Sinnlichkeit, sondern in allem – auf eine natürliche Neigung zum Bösen stoßen. Einige jedoch sind verwundert, werden ganz hochmütig und gehen verloren.

Als ich vor vielen Jahren in öffentlichen Kirchen Beichte hörte, hielt ich es wie die alten Beichtväter. Nachdem ich haufenweise Unrat angehört hatte, fragte ich: Ist das alles, mein Sohn? Denn ich bin überzeugt: Wenn Gott seine Hand von mir nimmt, wird sich jeder dieser Sünder im Vergleich zu mir wie ein Pygmäe im Bösen ausnehmen. Denn ich fühle mich fähig zu allen Verirrungen und Greueltaten.

Erschreckt über nichts. Vermeidet, dass Überraschungen auftreten, indem ihr vorher klar sprecht; und wenn nicht vorher, so wenigstens nachher. Das ist ein guter Gedanke, um das Jahr zu beginnen.

Aber fahren wir fort mit dem heiligen Paulus. Dieses Ans-Ziel-Gelangen-Wollen muss einen Inhalt haben. Das Buch der Weisheit sagt, dass das Herz des Toren wie ein sprödes Gefäß ist5, das in seine Teile zerfällt, das zerbricht. Es behält die Weisheit nicht, denn sie fließt aus. Dadurch sagt uns der Heilige Geist, dass wir nicht einem brüchigen Gefäß gleichen dürfen, unser Wille nicht wie ein brüchiges Gefäß sein darf, einmal dahin und einmal dorthin strebend. Unser Wille muss ein einziges Ziel verfolgen: »porro unum est necessarium!«6

Macht euch keine Sorgen, wenn dieser Wille ein Gefäß ist, das mit Eisenklammern zusammengehalten wird. Ich bin ein großer Freund der Klammern, denn ich brauche sie. Und das Wasser läuft nicht aus, wenn es Klammern gibt. Ich finde dieses zerbrochene und wieder zusammengefügte Gefäß großartig. Es ist sogar elegant. Man sieht, dass es nützlich gewesen ist. Meine Kinder, diese Klammern sind der Beweis dafür, dass ihr gekämpft habt, dass ihr Grund habt, euch zu demütigen. Noch besser jedoch ist es, wenn ihr nicht zerbrecht.

Was ihr auf alle Fälle braucht, ist echte Bereitschaft. Vor vielen Jahren habe ich geschrieben, dass guter Wein in einem Gefäß, in das man noch mehr guten Wein hineingießt, guter Wein bleibt. Dasselbe geschieht mit unserem Herzen: Ihr müsst drinnen den guten Wein der Hochzeit von Kana haben. Wenn Essig in eurer Seele ist, dann kann man noch so viel guten Wein hineingießen – den Wein der Hochzeit von Kana –, und doch wird er euch widerlich vorkommen, denn in euch wird sich der gute Wein in Essig verwandeln. Wenn ihr schlecht reagiert, dann redet. Denn es wäre nicht vernünftig, dass jemand, der den Arzt aufsucht, damit er ihn gründlich untersucht, nichts von seinen Schwierigkeiten erzählt.

Unsere Arbeiten, unsere Wünsche und unsere Gedanken müssen also einem einzigen Ziel zustreben: »porro unum est necessarium«, ich wiederhole es. Da habt ihr schon ein Motiv für den sportlichen Kampf. Wir müssen die Dinge zu Gott führen, aber wie Menschen, nicht wie Engel. Wir sind keine Engel. Wundert euch also nicht über eure Begrenzungen. Es ist besser, dass wir Menschen sind, die Verdienste erwerben können … und geistlich zugrundegehen, sterben können. Denn auf diese Weise merken wir, dass alles Große, das der Herr durch unser Elend wirken möchte, sein Werk ist. Wie die Jünger, die über die Wunder, die sie im Namen Jesu wirkten, staunten7, werden wir merken, dass es nicht unsere Frucht ist, so wie eine Ulme auch keine Birnen tragen kann. Die Frucht ist von Gott Vater, der so sehr Vater und so großzügig gewesen ist, dass Er sie in unsere Seele gelegt hat.

Wir dürfen uns also nicht wundern, »quasi novi aliquid nobis contingat«, als würde uns etwas Außerordentliches zustoßen, wenn wir die Aufwallung der Leidenschaften spüren. Es ist logisch, dass das passiert, wir sind nicht wie eine Mauer. Ebensowenig darf es uns erstaunen, wenn der Herr durch unsere Hände Wunderbares vollbringt, denn das ist auch etwas Normales.

Schaut das Beispiel Johannes des Täufers. Als er seine Jünger zum Herrn schickt, um zu fragen, wer er sei, lenkt Jesus sie im Sinne einer Antwort auf die Wunder, die er vollbracht hatte.8 Ihr erinnert euch an diese Stelle. Seit mehr als vierzig Jahren habe ich meine Kinder gelehrt, sie zu betrachten. Diese Wunder wirkt der Herr weiterhin durch eure Hände: Leute, die blind waren, können jetzt sehen; Leute, die nicht sprechen konnten, weil sie den stummen Teufel in sich hatten, werfen ihn hinaus und reden; Leute, die sich nicht bewegen konnten und für alles gelähmt waren, was nicht rein menschlich ist, überwinden diese Tatenlosigkeit und vollbringen Werke der Tugend und des Apostolates. Andere scheinen zu leben, sind aber tot wie Lazarus: »iam foetet, quatriduanus est enim«9. Mit der Gnade Gottes und dem Zeugnis eures Lebens und eurer Lehre, mit eurem klugen und eurem unklugen Wort führt ihr sie zu Gott, und sie leben wieder.

Ihr dürft euch auch nicht wundern: Ihr seid Christus, und Christus macht das alles durch euch, wie Er es durch die ersten Jünger getan hat. Das ist gut, meine Töchter und Söhne, denn es festigt uns in der Demut, es nimmt uns die Möglichkeit des Hochmuts und hilft uns, in der Glaubenslehre gut gebildet zu sein. Die Kenntnis dieser Wunder, die Gott durch eure Arbeit vollbringt, macht euch wirksam, fördert eure Loyalität und bestärkt dadurch eure Beharrlichkeit.

Bittet um Verzeihung, Kinder, für diese Verwirrung, für diese Schändlichkeiten, die innerhalb der Kirche und von oben her begünstigt werden und die Seelen verderben fast von Kindheit an. Wenn wir nicht so handeln, nicht diesen Weg der Buße und der Wiedergutmachung beschreiten, werden wir nichts erreichen.

Wir sind wenige angesichts einer solchen Menge? Wir sind voller Erbärmlichkeiten und Schwächen? Menschlich gesehen vermögen wir nichts? – Betrachtet mit mir die Worte des heiligen Paulus: »Was töricht ist vor der Welt, wählte Gott aus, um die Weisen zu beschämen; und was schwach ist vor der Welt, wählte Gott aus, um das Starke zu beschämen; was niedrig ist vor der Welt und verachtet, wählte Gott aus; das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zunichte zu machen, damit niemand sich rühme vor Gott.«3

Trotz unseres Elends und unserer Irrtümer hat uns der Herr als seine Werkzeuge in diesen so schwierigen Zeiten der Geschichte der Kirche erwählt. Kinder, wir dürfen uns nicht hinter der persönlichen Bedeutungslosigkeit verschanzen. Wir dürfen das empfangene Talent nicht vergraben.4 Wir können nicht so tun, als gingen uns die Beleidigungen Gottes nichts an und als kümmerte uns das Böse nicht, das den Seelen angetan wird. »Ihr aber sollt das im Voraus wissen und achtgeben, dass ihr euch nicht von dem Irrtum der Gottesverächter mitreißen lasst, euren Halt verliert und zu Fall kommt.«5

Wir haben jeder in seinem Stand und alle mit der gleichen Berufung auf die göttliche Aufforderung mit einem Ja geantwortet, um Gott und der Kirche zu dienen und Seelen zu retten. Mehr als andere haben wir daher die Pflicht und das Recht, wachsam zu sein. Wir tragen mehr Verantwortung, um mit Starkmut zu leben; und wir haben auch mehr Gnade.

Habt ihr gesehen, wie aktuell die Worte der Lesung des ersten Fastensonntags sind? »Wir ermahnen euch, dass ihr nicht vergeblich die Gnade Gottes empfangt. Denn Er spricht: Zur Zeit der Gnade habe ich dich erhört, am Tag des Heils habe ich dir geholfen. Jetzt ist die Zeit der Gnade, jetzt ist der Tag des Heils. Geben wir niemand irgendwie Anstoß, damit nicht unser Amt in Verruf komme. Erweisen wir uns vielmehr in allen Stücken als Diener Gottes.«6

Nur die, die nicht aufrichtig sind, sind unglücklich. Lasst euch nicht vom stummen Teufel beherrschen, der uns manchmal durch Dummheiten den Frieden rauben möchte. Meine Kinder, ich wiederhole es: Wenn ihr einmal das Unglück habt, Gott zu beleidigen, dann hört auf den Rat des Vaters, der nur möchte, dass ihr heilig und treu seid. Geht schleunigst zur Beichte und zu diesem Gespräch mit eurem Bruder. Sie werden euch verstehen, euch helfen und euch mehr lieben. Spuckt die Kröte aus, und alles wird gut weitergehen.

Alles wird gut weitergehen – aus vielen Gründen: In erster Linie, weil der, der aufrichtig ist, demütiger ist. Dann, weil Gott, unser Herr, diese Demut mit seiner Gnade belohnt. Schließlich, weil der Bruder, der dir zugehört hat, weiß, dass du Hilfe brauchst, und die Verpflichtung spüren wird, für dich zu beten. Glaubt ihr, dass diejenigen, die eure Aussprache hören, Menschen sind, die euch nicht verstehen? Sie sind doch aus demselben Material wie ihr! Wer wird sich wundern, dass Glas zu Bruch gehen kann oder ein Tontopf Klammern braucht? Seid aufrichtig. Das ist etwas, wofür ich meinen Kindern sehr dankbar bin, denn so kommt alles in Ordnung – immer. Sich unverstanden fühlen, sich für das arme Opferlamm halten, führt dagegen – auch immer – zu großem geistlichen Hochmut.

Der Geist des Werkes führt notwendigerweise zur Einfachheit, und über diesen Weg werden die Menschen geleitet, die sich der Wärme unserer Arbeit nähern. Seit ihr zum Werk gekommen seid, hat man mit euch nichts anderes getan, als euch wie die Artischocken zu behandeln – die äußeren harten Blätter zu entfernen, damit das Innere zutage tritt. Wir alle sind ein wenig kompliziert. Deshalb lasst ihr immer wieder aus einer kleinen Sache ein Gebirge werden, das euch erdrückt – und das, obwohl ihr doch Talent habt. Übt euch doch stattdessen im Talent zu sprechen. Eure Geschwister werden euch helfen zu erkennen, dass diese Sorge eine Dummheit ist oder ihre Wurzeln im Stolz hat.

Vergesst darüber hinaus nicht, dass ihr mit der Darstellung einer subjektiven Wahrheit, die der Wirklichkeit nicht entspricht, euch selbst und die anderen täuscht. Man kann aus Stolz im Irrtum sein – ich wiederhole es –, denn dieses Laster macht blind, und der Mensch, der doch nicht sieht, meint zu sehen. Aber auch derjenige irrt, der sich selbst und die anderen täuscht. Nennt die Dinge beim Namen. Brot ist Brot, und Wein ist Wein. »Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen.«6 Dieses »ich glaubte, dass …«, »ich dachte, dass …« und »weil nämlich …« sind die Namen von drei fürchterlichen Teufeln, die ich nicht aus eurem Munde hören will. Sucht keine Ausreden. Ihr habt das Erbarmen Gottes und das Verständnis eurer Geschwister, und das ist genug.

Sagt die Dinge ohne Zweideutigkeiten. Ein Sohn von mir, der die Fehler beschönigt, das Vorgefallene verzerrt darstellt und mit unnötigen Worten ausschmückt, geht einen schlechten Weg. Meine Töchter und Söhne, bedenkt, dass man, wenn man eine Torheit begangen hat, dazu neigt, für das Fehlverhalten alle möglichen Rechtfertigungen zu finden – künstlerische, intellektuelle, wissenschaftliche, ja sogar geistliche –, um zu guter Letzt zu behaupten, dass die Gebote altmodisch scheinen oder sind. Wenn im Laufe dieser dreiundvierzig langen Jahre des Werkes einer meiner Söhne vom Weg abgekommen ist, dann immer aus Mangel an Aufrichtigkeit oder weil ihm der Dekalog altmodisch erschienen ist. Und er soll mir nicht mit anderen Begründungen kommen, denn sie sind nicht wahr.

Versucht niemals, ein schwächliches Verhalten mit der Heiligkeit, die das Werk von euch fordert, in Einklang zu bringen. Bildet euch klare Kriterien und vergesst nicht, dass euer Gewissen täglich feinfühliger und anspruchsvoller werden wird, wenn ihr täglich aufrichtiger seid. Es gibt Dinge, mit denen ihr euch vor Jahren abgefunden habt, jetzt aber nicht mehr, denn ihr spürt den Anruf Gottes, der von euch mehr Feingefühl verlangt und euch die notwendige Gnade gibt, damit ihr seinen Erwartungen entsprechen könnt.

Ihr seid mit dem Entschluss zum Opus Dei gekommen, Kinder meiner Seele – lasst mich euch einmal mehr daran erinnern –, euch formen zu lassen, euch darauf vorzubereiten, Sauerteig zu werden, der die große Masse der Menschheit durchsäuern wird. Diese Formung erlaubt einerseits die Ausprägung eurer Persönlichkeit mit ihren charakteristischen Merkmalen und verleiht euch andrerseits einen gemeinsamen Nenner, den des Geistes unserer Familie, der für alle derselbe ist. Zu diesem Zweck müsst ihr, ich sage es nochmals, bereit sein, euch den Händen der Leiter zu überantworten und euch übernatürlich formen zu lassen wie der Ton in den Händen des Töpfers.

Schaut, meine Kinder, wir sind alle in diesem Netz, und das Netz ist im Boot, das heißt im Opus Dei. Wir haben eine wunderbare Bereitschaft zur Demut, zur Hingabe, zur Arbeit, zur Liebe. Ist das nicht herrlich? Hast du das vielleicht verdient? Gott hat dich doch irgendwo aufgelesen, auf der Straße, als Er vorüberging! Wir sind keine Besonderheit, wir sind keine Elite. Er hätte andere, Bessere suchen können, als wir es sind. Aber Er hat uns erwählt, und das zu bedenken ist nicht Hochmut, sondern Dankbarkeit.

Unsere Antwort muss sein: Ich werde mich besser erkennen lassen, werde mich mehr leiten, reinigen, gestalten lassen! Niemals will ich mich aus Hochmut auflehnen, wenn ich einen Hinweis erhalte, der dazu dient, mein inneres Leben zu verbessern; ich will nicht mein eigenes Urteil höher stellen – es kann nicht richtig sein, weil niemand Richter in eigener Sache ist – als das Urteil der Leiter; die liebevolle Mahnung meiner Brüder, die mir durch die brüderliche Zurechtweisung helfen, darf mich nicht empören.

Ich komme zum Schluss, meine Töchter und Söhne, und rufe euch jenen Text der Heiligen Schrift ins Gedächtnis, der in unserem Mund süß wie Honig schmeckt: »elegit nos in ipso ante mundi constitutionem, ut essemus sancti et immaculati in conspectu eius«7. Der Herr hat jeden einzelnen von uns erwählt, damit wir heilig seien in seiner Gegenwart. Und das noch vor Erschaffung der Welt, von aller Ewigkeit her. Das ist die wunderbare Vorsehung unseres Vaters Gott. Wenn ihr auf Ihn eingeht, wenn ihr kämpft, dann werdet ihr auch auf Erden ein glückliches Leben führen. Sicherlich wird es Momente der Dunkelheit geben, ein paar schmerzvolle Augenblicke, die ihr jedoch nicht übertreiben dürft; denn sie verschwinden, sobald wir das Herz öffnen. Ihr müsst mir doch zugeben, dass ihr wieder ruhig, gelassen und froh seid, sobald ihr erzählt habt, was euch Sorge bereitet oder euch peinlich ist.

Auf diese Weise werden wir überdies niemals allein sein. »Vae solis!«8 Wehe dem, der allein ist, sagt die Heilige Schrift. Wir sind niemals allein, in welchen Umständen auch immer. An jedem Ort der Erde nehmen uns unsere Geschwister liebevoll auf; sie hören uns zu und verstehen uns. Immer begleiten uns der Herr und seine heiligste Mutter. Und in unserer Seele im Stande der Gnade lebt, wie in einem Tempel, der Heilige Geist, Gott mit uns.

Mir, der ich so vieles erlebt habe, kommt es wie ein Traum vor, wenn ich diese herrliche Wirklichkeit unseres Opus Dei betrachte und mich von der Loyalität meiner Kinder gegenüber Gott, der Kirche und dem Werk überzeuge. Es ist logisch, dass manchmal jemand auf der Strecke bleibt. Wir geben zwar allen die richtige Nahrung, aber trotz der größten Sorgfalt bei der diätetischen Auswahl der Speisen wird nicht alles verarbeitet. Das heißt nicht, dass sie schlechte Menschen sind. Diese Armen kommen später mit riesigen Tränen in den Augen, aber dann ist es zu spät.

Dieses Unglück kann uns allen zustoßen, meine Töchter und Söhne, auch mir. Solange ich auf Erden bin, bin auch ich imstande, eine große Dummheit zu begehen. Mit der Gnade Gottes und euren Gebeten, mit dem bisschen Anstrengung, das ich aufbringe, wird es mir aber nie zustoßen.

Es gibt niemanden, der vor dieser Gefahr gefeit wäre. Aber wenn wir darüber sprechen, passiert nichts. Unterlasst es nie zu sprechen, wenn euch etwas zustößt, von dem ihr lieber hättet, dass niemand davon etwas erführe. Erzählt es sofort. Besser schon im Vorfeld, und wenn nicht, dann nachher. Aber sprecht. Vergesst nicht, dass die größte Sünde der Stolz ist. Er verblendet am meisten. Es gibt einen alten asketischen Merksatz, der lautet: Unzucht verbirgt sich, Stolz verrät sich.

Ich werde nie müde werden, euch auf die Bedeutung der Demut hinzuweisen, denn der Feind der Liebe ist immer der Stolz. Er ist die übelste Leidenschaft. Er ist jener Geist der grundlosen Begründungen, der sich im Innersten unserer Seele verborgen hält und uns einredet, wir hätten recht, während die anderen im Irrtum wären. Dabei stimmt das nur ausnahmsweise.

Seid demütig, meine Kinder. Nicht mit der unterwürfigen Demut derer, die auf der Straße gebückt einherzugehen pflegen. Eine martialische Haltung des Körpers ist durchaus mit der Demut vereinbar. So werdet ihr einen starken, ungebrochenen Willen haben; einen ausgeglichenen Charakter, nicht einen schwächlichen; einen, der herausgemeißelt und nicht bloß angedeutet ist. Und das Gefäß wird nicht zerbrechen.

Seid treu, seid loyal! Im Leben werdet ihr oft Gelegenheit haben, nicht treu und nicht loyal zu sein, denn wir sind keine Treibhausgewächse. Wir sind der Kälte und der Hitze, dem Schnee und dem Sturm ausgesetzt. Wir sind Bäume, die manchmal von Staub bedeckt sind, weil sie allen Winden trotzen, die aber sauber und herrlich werden, sobald die Gnade Gottes wie ein Regen über sie kommt. Lasst euch durch nichts erschrecken. Wenn ihr nicht hochmütig seid – ich wiederhole es –, werdet ihr immer vorankommen!

Und wie könnt ihr alles richtig machen, um der Liebe dieser schönen Mutter, die das Werk ist, zu entsprechen, um loyal zu sein? Das ist ganz einfach, ganz einfach. Zunächst einmal müsst ihr – ohne Widerrede – gestatten, dass an euch gearbeitet wird, denn ihr kennt euch nicht. Ich bin schon siebzig Jahre alt, und noch immer kenne ich mich selbst nicht wirklich. Da wird es auch mit eurer Selbsterkenntnis nicht so weit her sein!

Mir erteilt man keine brüderliche Zurechtweisung, aber zwei eurer Brüder sagen mir mit aller Klarheit, was sie für angezeigt halten, und ich bin ihnen dafür von ganzer Seele dankbar. Die brüderliche Zurechtweisung muss geübt werden! Sie ist ein ganz feiner Liebeserweis, wenn sie unter den Bedingungen erfolgt, die wir aufgestellt haben, damit sie nicht unangenehm ist. Sie ist unangenehm für den, der sie erteilt; der sie empfängt hingegen, muss dankbar dafür sein, so wie man dem Arzt dankbar ist, der sich mit dem Messer an eine infizierte Wunde heranmacht, um sie zu heilen.

Ferner müsst ihr selber etwas tun. Unzählige Male habe ich euch gesagt, dass niemand, der zum Werk kommt, seine Persönlichkeit einbüßt; dass die Vielfalt, dass der gesunde Pluralismus Ausdruck des guten Geistes ist. Handelt also selbständig – niemand wird es euch verwehren. Das Opus Dei respektiert vollkommen die Eigenart eines jeden seiner Kinder. Wir verlieren in gewisser Weise die Freiheit, ohne sie zu verlieren, weil es uns so passt. Das ist der übernatürlichste Grund: weil es uns so passt, aus Liebe.

Wisst ihr, was ich für gewöhnlich mache? Das, was ein guter General macht: den Kampf an vorderster Front führen, weit entfernt von der Festung, an kleinen Fronten da und dort. Ich schätze es sehr, den Segen eines anderen Priesters zu empfangen, und bilde mit diesem Segen gewissermaßen eine Mauer, die mich beschützt.

Auch ich muss kämpfen. Ich versuche es dort zu tun, wo es mir guttut: weit weg, in Dingen, die an sich keine große Bedeutung haben, deren Unterlassung nicht einmal einen Fehler darstellt. Jeder muss seine persönlichen Gefechte an der Front führen, die ihm zukommt, aber mit heiliger Schlauheit.

Solange wir die Gewissheit des ganzen Glaubens Christi haben und kämpfen, wird uns der Herr in reichem Maß seine Gnade geben und uns weiter segnen: mit Leiden, die es immer geben wird, aber ihr dürft nicht übertreiben, denn normalerweise sind sie klein; mit einer Fülle von Berufungen auf der ganzen Welt und mit dem Aufblühen von apostolischen Werken und Initiativen, die viel Arbeit und viel Opfergeist verlangen. Und das Schönste an unserem Wirken ist das, was meine Töchter und Söhne – jeder für sich und spontan – an dem Platz tun, an dem sie sich befinden. Denn die Kinder Gottes im Opus Dei sind Licht und Feuer, und oftmals loderndes Feuer. Sie sind etwas, das brennt, sie sind Sauerteig, der alles ringsum durchsäuert.

Seien wir nicht stolz und arrogant, auch wenn der Kontrast zu anderen armen Leuten so deutlich ist. Danken wir dem Herrn für alles, wohl wissend, dass nichts von all dem unser ist. Gott gibt es uns, weil Er will, und Er sendet uns auch seine Gnade: heller Glanz, damit wir kämpfen. Wir wollen also trotz unserer persönlichen Armseligkeiten, Unvollkommenheiten und Irrtümer den Weg nicht verlassen, wollen nie das Gefäß zerbrechen, das der Heilige Geist in seinem Erbarmen mit Weisheit und Güte gefüllt hat.

Zum Schluss möchte ich, dass euch eine tiefe Verehrung des Heiligen Geistes fest eingeprägt bleibt: »der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht«11. Und mit dieser Verehrung die Überzeugung, dass wir – wenn wir fügsam sind – seine Werkzeuge sein werden. Nicht mit der Fügsamkeit einer leblosen Sache, sondern mit der Fügsamkeit der Vernunft und des Verstandes, der seinen kleinen Bruder, die Sinnlichkeit, zu unterwerfen weiß, um ihn in den Dienst Gottes zu stellen. So werden diese beiden Brüder dasselbe Erbe haben. Sie werden schon auf Erden Kinder Gottes sein und im Himmel die Liebe genießen. Unser Herz wird nie ein zerbrochenes Gefäß sein, und die göttliche Essenz der Weisheit wird uns unser ganzes Leben lang berauschen, denn auf das Licht »folgt die Nacht, doch über die Weisheit siegt keine Schlechtigkeit«12.

»Lasst uns nach Bethlehem gehen, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr kundgetan hat!«15 Kinder, wir sind in einem günstigen Augenblick hier, denn wir erleben – gerade jetzt – eine sehr schlechte Nacht für die Seelen. Eine Nacht, in der die großen Leuchten, die Licht spenden sollten, Dunkelheit verbreiten; in der jene, die Salz sein sollten, um die Welt vor der Verderbnis zu bewahren, sich als schal erweisen und manchmal als offensichtlich verfault.

Es ist unmöglich, diese Übel zu betrachten, ohne darunter zu leiden. Aber ich bin sicher, Töchter und Söhne meiner Seele, dass wir mit der Hilfe Gottes imstande sein werden, reichen Nutzen und fruchtbaren Frieden daraus zu gewinnen, weil wir im Gebet und in der Buße beharrlich sein werden, weil wir eine größere Gewissheit haben werden, dass alles in Ordnung kommen wird. Weil wir den Vorsatz bestärken werden, mit der Fügsamkeit guter Werkzeuge treu zu sein. Weil wir aus dieser Weihnacht lernen werden, nicht von dem Weg abzuweichen, den uns der Herr in Bethlehem zeigt: den der wahren Demut ohne Absonderlichkeiten. Demütig sein bedeutet nämlich nicht, schmutzig oder vernachlässigt herumzulaufen, noch gleichgültig zu bleiben gegenüber allem, was rings um uns geschieht, indem wir ständig Rechte preisgeben. Noch weniger heißt es, dumme Behauptungen über uns auszuposaunen. Demut kann nicht sein, wo Theater und Heuchelei ist, denn Demut ist Wahrheit.

Ohne unsere Zustimmung, ohne unser Wollen kann uns Gott, unser Herr, trotz seiner grenzenlosen Güte nicht heiligen und nicht retten. Mehr noch: Ohne Ihn werden auch wir rein gar nichts, was von Nutzen ist, zuwegebringen. So wie man von einem Feld sagt, dass es etwas Bestimmtes hervorbringt, von anderen Feldern aber, dass sie anderes hervorbringen, so kann man von einer Seele sagen, dass sie heilig ist, und von einer anderen, dass sie viele gute Werke vollbracht hat. In Wahrheit freilich »ist niemand gut außer der eine Gott«16. Er ist es, der das Feld fruchtbar macht, der dem Samen die Möglichkeit gibt, sich zu vervielfältigen, und der einem scheinbar dürren Pflock die Kraft schenkt, Wurzeln zu schlagen. Er ist es, der die menschliche Natur mit seiner Gnade gesegnet und ihr so die Möglichkeit gegeben hat, sich christlich zu verhalten und auf eine Weise zu leben, dass wir glücklich sind, indem wir in Erwartung des künftigen Lebens, das Glückseligkeit und Liebe für immer bedeutet, kämpfen. Demut, Kinder, heißt zu wissen: »So ist weder der etwas, der pflanzt, noch der, der begießt, sondern nur Gott, der wachsen lässt.«17

Was lehrt uns der Herr aller Dinge, der Herrscher über das Universum? In diesen Weihnachtstagen besingen die Lieder aller Länder, mögen sie von mehr oder weniger christlichem Gehalt sein, den König der Könige, der schon gekommen ist. Und wie zeigt sich seine Königswürde? Er liegt in einer Krippe! Er hat nicht einmal die paar Dinge, mit denen wir das Jesuskind voller Liebe in unseren Kapellen bedenken. In Bethlehem fehlt unserem Schöpfer alles: so groß ist seine Demut!

So wie man die Nahrungsmittel mit Salz würzt, damit sie nicht geschmacklos sind, so muss es in unserem Leben immer die Demut geben. Meine Töchter und Söhne, dieser Vergleich ist nicht von mir, die geistlichen Autoren verwenden ihn seit vier Jahrhunderten: Macht es nicht wie jene Hühner, die – kaum, dass sie ein Ei gelegt haben – gackernd durch das ganze Haus laufen. Man muss arbeiten, die intellektuelle oder manuelle, aber immer apostolische Arbeit ausführen mit großzügigen Wünschen und Zielen – der Herr wird sie Wirklichkeit werden lassen –, Gott zu dienen und unbemerkt zu bleiben.

Kinder, lernen wir nach und nach von Jesus, unserem Meister, indem wir Ihn als Neugeborenes in den Armen seiner Mutter und unter dem beschützenden Blick Josefs betrachten. Josef ist so sehr ein Mann Gottes, dass er vom Herrn dazu ausersehen wurde, Ihm auf Erden Vater zu sein. Mit seinem Blick, mit seiner Arbeit, mit seinen menschlichen Mitteln verteidigt er das Leben des Neugeborenen.

In diesen Zeiten, in denen man Jesus Christus so oft von neuem kreuzigt, unter diesen Umständen, in denen es scheint, dass die alten christlichen Völker den Glauben verlieren, von der Spitze bis zur Basis, wie einige sagen, in diesen Zeiten müssen wir, ihr und ich, uns sehr darum bemühen, Josef in seiner Demut und auch in seiner Wirksamkeit ähnlich zu werden. Erfüllt es euch nicht mit Freude, wenn ihr daran denkt, dass wir unseren Herrn, unseren Gott gewissermaßen beschützen dürfen?

Ich bin sicher, dass der Heilige Geist euch manchmal, gleichsam als Unterpfand für den Lohn, den Er für eure Treue bereithält, sehen lässt, dass ihr gute Frucht bringt. Dann sagt: Ja, Herr, es ist wahr, Du hast erreicht, dass trotz meiner Erbärmlichkeiten inmitten einer solchen Wüste die Frucht gereift ist. Dank sei Dir, Deo gratias!

Andere Male aber ist es vielleicht der Teufel – er macht niemals Urlaub –, der euch versucht, damit ihr euch Verdienste zuschreibt, die nicht eure sind. Wenn ihr merkt, dass in Gedanken und Wünsche, in Worte und Taten und in die Arbeit sich eitle Wohlgefälligkeit einschleicht, alberner Stolz, dann müsst ihr dem Teufel antworten: Ja, ich bringe Frucht, Deo gratias!

Deshalb ist dieses Jahr in besonderer Weise eine Zeit der Danksagung, und ich habe meine Töchter und Söhne mit Worten, die aus der Liturgie genommen sind, angewiesen: »ut in gratiarum semper actione maneamus!«18 Wir sollen immer in einer beständigen Danksagung an Gott leben – für alles: für das, was gut scheint, und für das, was schlecht scheint, für das Süße und für das Bittere, für das Weiße und für das Schwarze, für das Kleine und für das Große, für das Wenige und für das Viele, für das, was zeitlich ist, und für das, was Ewigkeitswert hat. Danken wir unserem Herrn für das, was in diesem Jahr geschehen ist, und in gewisser Weise auch für unsere Treulosigkeiten, weil wir sie erkannt und sie uns dazu geführt haben, Ihn um Verzeihung zu bitten und den Vorsatz zu fassen, der unseren Seelen viel Gutes bringen wird: niemals mehr untreu zu sein.

Wir dürfen keinen anderen Wunsch hegen, als ganz auf Gott ausgerichtet zu sein, seinen Namen unentwegt zu loben und zu verherrlichen und Ihn bei seinem göttlichen Werk der Erlösung zu unterstützen. Dann wird unser ganzer Eifer darin bestehen zu lehren, wie man Jesus Christus kennenlernt und durch Ihn den Vater und den Heiligen Geist; denn wir wissen, dass wir zu Jesus kommen durch Maria und durch den Umgang mit dem heiligen Josef und mit unseren heiligen Schutzengeln.

Schon vor Jahren habe ich euch geschrieben: Sogar die schlechten Früchte, die trockenen Zweige, die herabgefallenen Blätter können, wenn sie am Fuß des Stammes vergraben werden, den Baum, von dem sie herabgefallen sind, kräftigen. Warum haben unsere Irrtümer und Fehler, mit einem Wort unsere Sünden – die wir ja nicht wollen, die wir verabscheuen –, uns nützen können? Weil dann die Reue kam, weil wir uns geschämt und uns vorgenommen haben, uns zu bessern und mit der Gnade Gottes mitzuwirken. Durch die Demut verwandelt sich der Tod in Leben, was Unfruchtbarkeit und Untergang zu verheißen schien, wird zum Triumph und trägt überreiche Frucht.

Jeden Tag lege ich bei der Gabenbereitung der Messe, wenn ich die Heilige Hostie darbringe, alle meine Töchter und Söhne, die krank und in Bedrängnis sind, auf die Patene. Ich füge auch die falschen Sorgen hinzu, die ihr euch manchmal selbst sucht, weil es euch so passt; damit wenigstens der Herr euch diese Dummheiten aus dem Kopf nimmt.

»Als die Engel von ihnen in den Himmel zurückgekehrt waren«, eilten die Hirten nach Bethlehem »und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag«19. Wenn wir uns dem Sohn Gottes nähern, dann gelangen wir zur Überzeugung, dass wir Pygmäen sind neben einem Giganten. Wir fühlen uns ganz klein, gedemütigt, und gleichzeitig übervoll von Liebe zu Gott, unserem Herrn, der, obwohl Er so groß, so unermesslich und unendlich ist, uns zu seinen Kindern gemacht hat. Wir fühlen uns gedrängt, Ihm zu danken: jetzt, im Verlauf dieses Jahres, während des ganzen irdischen Lebens und in der Ewigkeit. Wie schön klingen beim gregorianischen Gesang die Strophen der Präfation! »Vere dignum et iustum est, aequum et salutare, nos tibi semper et ubique gratias agere!«20 Wir sind klein, sehr klein; und Er ist unser allmächtiger und ewiger Vater.

Vergesst nicht, meine Töchter und Söhne, dass die Demut eine so wichtige Tugend ist, dass, wenn sie fehlte, es keine andere gäbe. Ich wiederhole, im inneren Leben ist sie wie das Salz, das alle Speisen würzt. Auch wenn eine Handlung tugendhaft aussieht, wird sie nicht tugendhaft sein, wenn sie Folge des Stolzes, der Eitelkeit, der Dummheit ist; wenn wir sie verrichten, indem wir an uns selbst denken und uns wichtiger nehmen als den Dienst Gottes, das Wohl der Seelen, die Ehre des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Wenn sich die Aufmerksamkeit auf unser eigenes Ich richtet, wenn wir mit der Frage beschäftigt sind, ob man uns loben oder uns kritisieren wird, fügen wir uns großen Schaden zu. Nur Gott darf uns interessieren; und um seinetwillen alle, die wir dem Opus Dei angehören, und alle Seelen der Welt ohne Ausnahme. Also, weg mit dem Ich! Es stört.

Wenn ihr so handelt, meine Töchter und meine Söhne, wie viele Schwierigkeiten werden verschwinden! Wie viele schwere Stunden werdet ihr euch ersparen! Wenn es euch einmal schlecht geht und ihr merkt, dass eure Seele unruhig wird, dann heißt das, dass ihr um euch selbst kreist. Der Herr kam, um zu erlösen, um zu retten, und um nichts anderes hat Er sich gekümmert. Und wir wollen uns darum kümmern, den eigenen Stolz zu nähren?

Wenn du dich selbst zum Mittelpunkt machst, mein Kind, schlägst du nicht nur einen falschen Weg ein, sondern wirst außerdem das christliche Glück in diesem Leben verlieren, das Wohlbefinden und die Freude, die hier nie vollendet sein werden, weil nur im Himmel das Glück vollkommen sein wird.

Ich las in einem alten geistlichen Buch, dass Bäume mit sehr hohen und aufragenden Zweigen unfruchtbar sind. Bäume mit niedrigen, herabhängenden Zweigen hingegen sind voll fester Frucht mit saftigem Fruchtfleisch; und je näher sie dem Boden sind, desto mehr Früchte tragen sie. Kinder, bittet um die Demut, die eine so kostbare Tugend ist. Warum sind wir so dumm? Immer sind wir davon überzeugt, das Unsere sei das Beste; immer sind wir sicher, dass wir im Recht sind. Wie das Wasser ein Stück Zucker durchtränkt, so dringen Eitelkeit und Stolz in die Seele. Wenn ihr glücklich sein wollt, seid demütig. Weist die lügnerischen Einflüsterungen des Teufels zurück, wenn er euch weismachen will, dass ihr bewundernswert seid. Ihr und ich, wir haben begriffen, dass wir leider nur recht wenig wert sind. Aber wenn wir auf Gott, unseren Herrn, bauen, sieht es anders aus. Ihm verdanken wir alles. Erneuern wir unsere Dankbarkeit: ut in gratiarum semper actione maneamus!

Die Danksagung, meine Töchter und Söhne, kommt aus einem heiligen Stolz, der die Demut nicht zerstört und die Seele nicht mit Hochmut erfüllt, weil er sich nur auf die Macht Gottes stützt und aus Liebe besteht, aus Sicherheit im Kampf. Jetzt, da das Jahr beginnt und man die Vorsätze erneuert, in novitate vitae21, das Leben neu zu gestalten, können wir dem Herrn schon für alles danken, was kommen wird, für alles, und besonders für das, was uns weiterhin Schmerz bereiten wird.

Wie bearbeitet man den Stein, der in die Fassade des Gebäudes eingepasst werden soll, um den Bogen zu krönen? Er benötigt eine andere Behandlung als der, der für das Fundament verwendet wird. Man muss ihn gut behauen, mit vielen Meißelschlägen, bis er in Schönheit vollendet ist. Deshalb, Kinder, müssen wir Gott für alle persönlichen Widerwärtigkeiten, für alle Demütigungen danken, für alles, was die Leute schlecht nennen, obwohl es das in Wahrheit gar nicht ist. Für ein Kind Gottes wird es eine Prüfung der göttlichen Liebe sein, die uns vielleicht gut ins rechte Licht stellen will und uns mit sicheren und genauen Schlägen bearbeitet. Wir müssen mit Ihm mitarbeiten, zumindest keinen Widerstand leisten und Ihn gewähren lassen.

Daher kommt es, dass der größte Teil unserer geistlichen Arbeit darin besteht, unser Ich zu erniedrigen, damit der Herr mit seiner Gnade hinzufügt, was Er möchte. Solange die Zeit unseres Lebens währt, ob es nun lang oder kurz ist, werden wir uns nicht über Gott, unseren Vater, beklagen, auch wenn wir das Gefühl haben, gleichsam am Rande eines Abgrunds von Unreinheit, von Eitelkeit, von Torheit zu stehen. Deshalb bestehe ich so auf der persönlichen Demut. Es ist eine herrliche Tugend für die Söhne und Töchter Gottes im Opus Dei.

Wer demütig ist, weiß es nicht und hält sich für stolz. Und wer stolz, eingebildet und töricht ist, betrachtet sich als hervorragend. Das hat kaum eine Lösung, solange man nicht aus dem Leim geht und erlebt, wie man am Boden liegt; ja sogar dort kann man weiter großtun. Auch deswegen brauchen wir die geistliche Begleitung. Von weitem erkennen sie gut, was wir sind: höchstens Steine, die man unten verwenden kann, im Fundament; nicht wie der, der als Schlussstein des Bogens dient.

Anmerkungen
(b)

(b) Im Opus Dei wird der Prälat – in der Zeit vor der Errichtung des Opus Dei als Personalprälatur der Generalpräsident – familiär Vater genannt.

Anmerkungen
9

1 Kor 4, 13.

10

Jes 43, 1: Ich habe dich ausgelöst, ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
3

Vgl. Lk 5, 6.

4

Vgl. Mt 13, 47.

5

Joh 21, 11.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
6

Lk 5, 4-5.

7

Lk 5, 5.

8

Ebd.

9

Jer 18, 6.

10

Lk 5, 8

11

Lk 5, 10.

12

Jer 16, 16.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
1

Ps 24, 1-2.

2

Ebd.

3

Ebd.

4

Gebet bei der Hl. Messe.

5

Ps 42, 2.

6

Ps 24, 4.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
1

Spr 8, 30-31.

(a)

(a) Es handelt sich um einen sichtbaren Erweis (eine hölzerne Rose), um den der Gründer auf der Flucht über die Pyrenäen im Spanischen Bürgerkrieg gebeten hatte, in welche Richtung die Flucht gehen sollte: nach Andorra oder zurück nach Madrid.

2

Ps 72, 23.

(b)

(b) Er bezieht sich auf den Punkt 592: »Vergiss nicht, was du bist … ein Kehrichteimer. – Wenn dich der göttliche Gärtner nimmt und schrubbt und reinigt und mit herrlichen Blumen füllt … dann dürfen dich weder der Duft noch die Farbe, die deine Hässlichkeit schön machen, zum Stolz verleiten. Demütige dich: weißt du nicht, dass du ein Eimer für Abfälle bist?«

3

Phil 3, 8.

4

1 Kor 4, 13.

5

Vgl. Gen 3, 19; 18, 27; Ijob 10, 9.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
1

2 Kön 5, 10.

2

Ps 91, 13: Der Gerechte gedeiht wie die Palme.

3

Ebd.: Er wächst wie die Zedern des Libanon.

4

Ps 91, 14: Gepflanzt im Hause des Herrn, gedeihen sie in den Vorhöfen unseres Gottes.

5

Sir 45, 1: Geliebt von Gott und den Menschen, sein Andenken sei zum Segen.

6

Sir 45, 3: Er verlieh ihm Macht vor dem König; er sandte ihn zum Volk und zeigte ihm seine Herrlichkeit.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
4

1 Petr 4, 12.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
5

Vgl. Sir 21, 17.

6

Lk 10, 42: Nur eines ist notwendig.

7

Vgl. Lk 10, 17.

8

Vgl. Mt 11, 4-6.

9

Joh 11, 39: Er riecht aber schon, denn es ist bereits der vierte Tag.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
3

1 Kor 1, 27-29.

4

Vgl. Lk 19, 20.

5

2 Petr 3, 17.

6

2 Kor 6, 1-4.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
6

Mt 5, 37.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
7

Eph 1, 4.

8

Koh 4, 10.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
11

Jes 11, 2-3.

12

Weish 7,30.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
15

Lk 2, 15.

16

Lk 18, 19.

17

1 Kor 3, 7.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
18

Dom. infra oct. Ascens. (Postcom.).

19

Lk 2, 15-16.

20

Ordo Missae, Praef.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
21

Röm 6, 4.

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