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Es gibt 18 Nummer in «Im Zwiegespräch mit dem Herrn» deren Stichwort lautet Asketischer Kampf, Kampf im inneren Leben.

Der Herr möchte, dass du auf Erden glücklich bist. Glücklich auch dann, wenn man dich vielleicht misshandelt und deine Ehre in den Schmutz zieht. Viele Leute empören sich, nicht selten wirst du angespuckt, und du bist »omnium peripsema«9, wie der Kehricht …

Das fällt schwer, mein Sohn, sehr schwer. Es ist hart, bis ein Mensch sich endlich zum Tabernakel begibt und sieht, wie er als Abschaum der Welt, als elender Wurm betrachtet wird, und aufrichtig sagt: Herr, wenn Du meine Ehre nicht brauchst, wozu will ich sie dann noch? Bis dahin weiß ein Sohn Gottes noch nicht, was es heißt, glücklich zu sein – bis er zu dieser Selbstentäußerung gelangt, zu dieser Hingabe, die Liebe ist, aber auf Schmerz und Buße gründet.

Ich möchte nicht, dass all das, was ich dir jetzt sage, über dich hinweggeht wie ein Sommergewitter: ein paar dicke Tropfen, dann wieder die Sonne und ein Weilchen später wieder Trockenheit. Nein, dieses Wasser soll in deine Seele eindringen, sich dort sammeln und auf göttliche Weise wirksam sein. Aber das wirst du nur erreichen, wenn du mich, der ich dein Vater bin, nicht allein beten lässt. Diese Zeit des Gesprächs, das wir gemeinsam hier ganz nahe beim Tabernakel führen, wird dann in dir eine fruchtbare Spur hinterlassen, wenn auch du, während ich spreche, in deinem Inneren sprichst. Während ich versuche, einen gemeinsamen Gedanken zu entwickeln, der euch allen nützlich sein kann, entwickelst du parallel dazu andere, intimere und persönlichere Gedanken. Auf der einen Seite überkommt dich die Scham, weil du es nicht verstanden hast, ganz und gar ein Mensch Gottes zu sein, auf der anderen Seite bist du voller Dankbarkeit, weil du trotz allem durch eine göttliche Berufung ausgewählt worden bist und weißt, dass dir niemals die Gnade des Himmels fehlen wird. Gott hat dir dieses Geschenk, die Berufung, gewährt, Er hat dich von Ewigkeit her auserwählt und dich deutlich jene Worte vernehmen lassen, die für mich wie Milch und Honig sind: »redemi te, et vocavi te nomine tuo: meus es tu!«10 Du gehörst Ihm, du gehörst dem Herrn. Wenn Er dir diese Gnade gewährt hat, wird Er dir auch die nötige Hilfe leisten, um als sein Sohn im Opus Dei treu zu sein.

Mit dieser deiner Loyalität, mein Sohn, wirst du dich bemühen, jeden Tag ein wenig besser zu werden, und du wirst das lebendige Vorbild eines Menschen des Opus Dei verkörpern. Das ist mein Wunsch, daran glaube ich, darauf hoffe ich. Und nachdem du den Vater über diesen unseren Geist beschaulicher Seelen hast sprechen hören, wirst du dich anstrengen, wirklich eine beschauliche Seele zu sein. Bitte jetzt Jesus darum: Herr, präge diese Wahrheiten meinem Leben ein, nicht nur meinem Verstand, sondern der Realität meines ganzen Daseins! Wenn du es so machst, dann versichere ich dir, dass du dir viele Leiden und Enttäuschungen ersparen wirst.

Wie viele Torheiten, wie viele Widrigkeiten verschwinden im Nu, wenn wir uns Gott im Gebet nähern, wenn wir mit Jesus sprechen, der uns fragt: Was ist los mit dir? – Mir ist folgendes passiert … und sofort die Erleuchtung. Oft geht uns auf, dass wir uns die Schwierigkeiten selbst erfinden. Du hältst ungeheuer viel von dir und meinst, dass du ganz außerordentliche Fähigkeiten besitzt. Wenn die anderen das nicht anerkennen, fühlst du dich gedemütigt, verletzt … Suche sofort das Gebet: Herr! … Und korrigiere dich. Es ist nie zu spät, sich zu korrigieren, aber tu es jetzt sofort. Dann wirst du erfahren, was es heißt, glücklich zu sein, auch dann, wenn du merkst, dass, wie bei einem Vogel, der zur Erde gefallen ist, an den Flügeln noch Lehm klebt, der erst trocknen muss. Durch Abtötung und Buße, durch das Bemühen, dir keine Ruhe zu gönnen, um deinen Brüdern das Leben angenehmer zu gestalten, wird dieser Lehm abfallen, und deine Flügel werden – verzeih mir den Vergleich, der mir gerade in den Sinn kommt – wie die eines Engels sein, rein und strahlend. Und es geht aufwärts!

Nicht wahr, mein Sohn, du bist dabei, konkrete Vorsätze zu fassen? Ist es nicht so, dass du dich im brüderlichen Gespräch und in der Beichte mit der übernatürlichen Einstellung, die man euch lehrt, sehen wirst, wie du bist, voll Demut vor Gott? Unterlasse es nie, in der geistlichen Begleitung davon zu sprechen, wie es um dein Gebetsleben, um dein Bewusstsein der Gegenwart Gottes, um deine Beschaulichkeit bestellt ist.

Seht, wie sich Josef gegenüber Maria und Jesus verhält, um dem Auftrag des Vaters, der Regung des Heiligen Geistes Folge zu leisten? Er schenkt Ihm sein ganzes Sein, er stellt Ihm sein Leben als Arbeiter zur Verfügung. Josef, der ein Geschöpf ist, ernährt den Schöpfer. Er, ein armer Handwerker, heiligt seine berufliche Arbeit. Jahrhunderte lang hatten die Christen es vergessen. Das Opus Dei ist gekommen, um daran zu erinnern. Er gibt Ihm sein Leben, er schenkt Ihm die Liebe seines Herzens und die Zärtlichkeit seiner Zuwendung, er leiht Ihm die Kraft seiner Arme, er gibt Ihm alles, was er ist und was er vermag: die gewöhnliche berufliche Arbeit, wie sie seiner Stellung entspricht.

»Beatus vir qui timet Dominum«10. Selig der Mann, der den Herrn fürchtet, selig das Geschöpf, das den Herrn liebt und vermeidet, Ihn zu enttäuschen. Das ist der timor Domini, die einzige Furcht, die ich verstehe und die ich empfinde. »Beatus vir qui timet Dominum; in mandatis eius cupit nimis«11. Selig die Seele, die dafür eifert, die sich danach sehnt, die göttlichen Anweisungen zu befolgen. Diese Unruhe bleibt immer. Wenn wir einmal schwanken, weil der Verstand nicht klar sieht oder weil unsere Leidenschaften sich wie die Vipern erheben, dann ist der Augenblick gekommen, um zu sagen: Mein Gott, ich möchte Dir dienen, ich will Dir dienen, es hungert mich danach, Dich zu lieben mit der ganzen Reinheit meines Herzens!

Was wird uns dann fehlen? Nichts! »Gloria et divitiae erunt in domo eius«12. Wir suchen keine irdische Glorie. Es wird also die Glorie des Himmels sein. Alle Mittel – denn das sind die Reichtümer der Erde – müssen uns dazu dienen, uns zu heiligen, die Arbeit zu heiligen und die anderen mit der Arbeit zu heiligen. Und in unserem Herzen wird immer eine tiefe Gelassenheit herrschen. »Et iustitia eius«, die Gerechtigkeit Gottes, die Logik Gottes, »manet in saeculum saeculi«13, wird in alle Ewigkeit bleiben, wenn wir sie nicht durch die Sünde aus unserem Leben hinaustreiben. Diese Gerechtigkeit Gottes, diese Heiligkeit, die Er in unsere Seele gelegt hat, verlangt immer mit Freude und Frieden einen persönlichen inneren Kampf, der keinen Lärm macht, kein Aufsehen erregt. Es ist etwas ganz Intensives, ganz Persönliches, das nicht verlorengeht, es sei denn, wir zerbrechen es wie einen Tonkrug. Um ihn wieder zu reparieren, gibt es die Normen, gibt es die Beichte und das brüderliche Gespräch mit dem Leiter. Von neuem stellen sich der Friede und die Freude ein! Und danach spüren wir ein noch größeres Verlangen, die Gebote des Herrn zu erfüllen und einen größeren und echten Eifer, Gott und um seinetwillen allen Geschöpfen zu dienen!

Wenn du springen willst und bloß hüpfst wie eine Henne, wird dich das erschrecken? Schau, was der heilige Petrus sagt: »Carissimi, nolite peregrinari in fervore, qui ad tentationem vobis fit, quasi novi aliquid vobis contingat«4. Wundert euch nicht, dass ihr nicht springen, dass ihr nicht siegen könnt. Ist doch die Niederlage unsere Sache! Der Sieg ist Sache der Gnade Gottes. Und vergesst nicht: eines ist der Gedanke, und etwas anderes, davon gänzlich verschieden, die Einwilligung. Das erspart viel Kopfzerbrechen.

Viele Dummheiten ersparen wir uns auch, wenn wir gut schlafen und die vorgesehenen Stunden einhalten; wenn wir genug essen; wenn ihr Sport treibt, wie es eurem Alter entspricht; wenn wir uns ausruhen. Aber ich hätte gern, dass ihr jedes Gericht mit dem Kreuzzeichen verseht. Das heißt nicht, dass wir nicht essen sollen. Es geht darum, ein bisschen mehr von dem zu essen, was euch nicht schmeckt, ein kleines bisschen, auch wenn es nur ein Kaffeelöffel voll ist; und ein bisschen weniger von dem, was euch schmeckt, und dabei immer Gott dankt.

Ihr werdet euch nicht darüber wundern, denn ihr wisst, dass wir den fomes peccati haben, die natürliche Hinneigung zu allem, was sündhaft ist – ich wenigstens genauso wie ihr oder vielleicht mehr. Ich betone, dass die Sünde des Fleisches nicht die schwerste ist. Es gibt andere, größere Sünden, auch wenn man natürlich die Begierlichkeit niederhalten muss. Ihr und ich, wir werden uns nicht wundern, wenn wir entdecken, dass wir in allen Dingen – nicht nur in der Sinnlichkeit, sondern in allem – auf eine natürliche Neigung zum Bösen stoßen. Einige jedoch sind verwundert, werden ganz hochmütig und gehen verloren.

Als ich vor vielen Jahren in öffentlichen Kirchen Beichte hörte, hielt ich es wie die alten Beichtväter. Nachdem ich haufenweise Unrat angehört hatte, fragte ich: Ist das alles, mein Sohn? Denn ich bin überzeugt: Wenn Gott seine Hand von mir nimmt, wird sich jeder dieser Sünder im Vergleich zu mir wie ein Pygmäe im Bösen ausnehmen. Denn ich fühle mich fähig zu allen Verirrungen und Greueltaten.

Erschreckt über nichts. Vermeidet, dass Überraschungen auftreten, indem ihr vorher klar sprecht; und wenn nicht vorher, so wenigstens nachher. Das ist ein guter Gedanke, um das Jahr zu beginnen.

Aber fahren wir fort mit dem heiligen Paulus. Dieses Ans-Ziel-Gelangen-Wollen muss einen Inhalt haben. Das Buch der Weisheit sagt, dass das Herz des Toren wie ein sprödes Gefäß ist5, das in seine Teile zerfällt, das zerbricht. Es behält die Weisheit nicht, denn sie fließt aus. Dadurch sagt uns der Heilige Geist, dass wir nicht einem brüchigen Gefäß gleichen dürfen, unser Wille nicht wie ein brüchiges Gefäß sein darf, einmal dahin und einmal dorthin strebend. Unser Wille muss ein einziges Ziel verfolgen: »porro unum est necessarium!«6

Macht euch keine Sorgen, wenn dieser Wille ein Gefäß ist, das mit Eisenklammern zusammengehalten wird. Ich bin ein großer Freund der Klammern, denn ich brauche sie. Und das Wasser läuft nicht aus, wenn es Klammern gibt. Ich finde dieses zerbrochene und wieder zusammengefügte Gefäß großartig. Es ist sogar elegant. Man sieht, dass es nützlich gewesen ist. Meine Kinder, diese Klammern sind der Beweis dafür, dass ihr gekämpft habt, dass ihr Grund habt, euch zu demütigen. Noch besser jedoch ist es, wenn ihr nicht zerbrecht.

Was ihr auf alle Fälle braucht, ist echte Bereitschaft. Vor vielen Jahren habe ich geschrieben, dass guter Wein in einem Gefäß, in das man noch mehr guten Wein hineingießt, guter Wein bleibt. Dasselbe geschieht mit unserem Herzen: Ihr müsst drinnen den guten Wein der Hochzeit von Kana haben. Wenn Essig in eurer Seele ist, dann kann man noch so viel guten Wein hineingießen – den Wein der Hochzeit von Kana –, und doch wird er euch widerlich vorkommen, denn in euch wird sich der gute Wein in Essig verwandeln. Wenn ihr schlecht reagiert, dann redet. Denn es wäre nicht vernünftig, dass jemand, der den Arzt aufsucht, damit er ihn gründlich untersucht, nichts von seinen Schwierigkeiten erzählt.

Unsere Arbeiten, unsere Wünsche und unsere Gedanken müssen also einem einzigen Ziel zustreben: »porro unum est necessarium«, ich wiederhole es. Da habt ihr schon ein Motiv für den sportlichen Kampf. Wir müssen die Dinge zu Gott führen, aber wie Menschen, nicht wie Engel. Wir sind keine Engel. Wundert euch also nicht über eure Begrenzungen. Es ist besser, dass wir Menschen sind, die Verdienste erwerben können … und geistlich zugrundegehen, sterben können. Denn auf diese Weise merken wir, dass alles Große, das der Herr durch unser Elend wirken möchte, sein Werk ist. Wie die Jünger, die über die Wunder, die sie im Namen Jesu wirkten, staunten7, werden wir merken, dass es nicht unsere Frucht ist, so wie eine Ulme auch keine Birnen tragen kann. Die Frucht ist von Gott Vater, der so sehr Vater und so großzügig gewesen ist, dass Er sie in unsere Seele gelegt hat.

Wir dürfen uns also nicht wundern, »quasi novi aliquid nobis contingat«, als würde uns etwas Außerordentliches zustoßen, wenn wir die Aufwallung der Leidenschaften spüren. Es ist logisch, dass das passiert, wir sind nicht wie eine Mauer. Ebensowenig darf es uns erstaunen, wenn der Herr durch unsere Hände Wunderbares vollbringt, denn das ist auch etwas Normales.

Schaut das Beispiel Johannes des Täufers. Als er seine Jünger zum Herrn schickt, um zu fragen, wer er sei, lenkt Jesus sie im Sinne einer Antwort auf die Wunder, die er vollbracht hatte.8 Ihr erinnert euch an diese Stelle. Seit mehr als vierzig Jahren habe ich meine Kinder gelehrt, sie zu betrachten. Diese Wunder wirkt der Herr weiterhin durch eure Hände: Leute, die blind waren, können jetzt sehen; Leute, die nicht sprechen konnten, weil sie den stummen Teufel in sich hatten, werfen ihn hinaus und reden; Leute, die sich nicht bewegen konnten und für alles gelähmt waren, was nicht rein menschlich ist, überwinden diese Tatenlosigkeit und vollbringen Werke der Tugend und des Apostolates. Andere scheinen zu leben, sind aber tot wie Lazarus: »iam foetet, quatriduanus est enim«9. Mit der Gnade Gottes und dem Zeugnis eures Lebens und eurer Lehre, mit eurem klugen und eurem unklugen Wort führt ihr sie zu Gott, und sie leben wieder.

Ihr dürft euch auch nicht wundern: Ihr seid Christus, und Christus macht das alles durch euch, wie Er es durch die ersten Jünger getan hat. Das ist gut, meine Töchter und Söhne, denn es festigt uns in der Demut, es nimmt uns die Möglichkeit des Hochmuts und hilft uns, in der Glaubenslehre gut gebildet zu sein. Die Kenntnis dieser Wunder, die Gott durch eure Arbeit vollbringt, macht euch wirksam, fördert eure Loyalität und bestärkt dadurch eure Beharrlichkeit.

Wir wollen mit einem Text des Apostels schließen: »aemulamini autem charismata meliora«10; strebt beständig nach den besten Gaben. Meine Kinder, ihr und ich, wir wollen uns richtig verhalten, wie es dem Herrn wohlgefällig ist. Und wenn uns die Dinge einmal ein wenig danebengehen, dann macht das nichts. Wir werden kämpfen, denn die Heiligkeit liegt im Kampf.

»Aemulamini charismata meliora«: Strebt nach dem Besseren, nach dem, was Gott wohlgefälliger ist. Gebt euch nicht zufrieden mit dem, was ihr vor Gott seid. Bittet Ihn voll Demut durch die fürsprechende Allmacht der seligsten Jungfrau Maria, Er und der Vater mögen uns den Heiligen Geist senden, der von beiden ausgeht. Durch seine Gaben, besonders durch die Gabe der Weisheit, möge Er uns rasch zu unterscheiden lehren, damit wir jederzeit wissen, was richtig und was falsch ist. Als viatores wollen wir uns dem widmen, was richtig ist, und vermeiden, was falsch ist.

Bewahrt diese Betrachtungspunkte im Kopf und im Herzen. Sie werden euch viel Gutes bringen. »Aemulamini charismata meliora!« Mehr, mit dem Blick auf Gott! Mehr Liebe, mehr Opfergeist! Unsere Mütter jammerten nicht über die Opfer, die sie unseretwegen reichlich erbrachten. Und wir dürfen uns nicht darüber beklagen, dass wir ein wenig vom Kreuz des Herrn verkosten, denn es ist kein Schandpfahl mehr, sondern ein Thron des Triumphes.

Ruft zum Heiligen Geist, und Gott möge euch segnen.

Im Werk sind wir alle eine Liebesbindung mit Gott, unserem Herrn, eingegangen, die wir frei übernommen haben. Eine Bindung, die durch die persönliche Gnade gestärkt wird, die dem Stand eines jeden entspricht, und durch jene andere, spezifische Gnade, die der Herr den Seelen gewährt, die Er zu seinem Opus Dei ruft. Wie Honig und Waben empfinde ich jene göttliche Liebeserklärung: »Ego redemi te, et vocavi te nomine tuo, meus es tu!«7 – ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein! Wir gehören nicht uns selbst, meine Kinder, wir gehören Ihm, dem Herrn, denn es ist unser Wille gewesen, Ihm zu antworten: »Ecce ego, quia vocasti me!«8 – hier bin ich, weil Du mich gerufen hast.

Eine Liebesbindung, die zugleich ein Band der Gerechtigkeit ist. Ich spreche nicht gern nur von Gerechtigkeit, wenn ich von Gott spreche. In seiner Gegenwart suche ich seine Barmherzigkeit, sein Mitleid, so wie ich eure kindliche Zuneigung suche, damit ihr für mich betet, denn ihr wisst ja, dass euch mein Gebet zu keiner Zeit des Tages und der Nacht fehlt.

Aber welchen Inhalt hat diese Liebesbindung? Was fordert sie von uns? Zu kämpfen, meine Töchter und Söhne! Zu kämpfen mit dem Ziel, die asketischen Mittel anzuwenden, die das Werk uns gibt, um heilig zu werden; zu kämpfen, um unsere Normen und Gewohnheiten zu erfüllen; uns anzustrengen, um uns die gute Glaubenslehre anzueignen und sie zu verteidigen, und um unser Verhalten zu verbessern; zu versuchen, ein Leben des Gebetes, des Opfers und der Arbeit zu führen und – wenn es möglich ist – dabei zu lächeln. Denn ich verstehe, meine Kinder, dass es manchmal nicht leicht ist zu lächeln.

Vater, werdet ihr mir sagen, müssen wir kämpfen, um gutes Beispiel zu geben? Ja, meine Kinder, aber ohne Beifall auf Erden zu suchen. Schwankt nicht, wenn ihr auf Spott, Verleumdungen, Hass und Verachtung stoßt. Wir müssen kämpfen – wiederum spricht jetzt die Liturgie des Tages – »bei Ehre und Schmach, bei Lästerungen und Lobsprüchen; als Schwindler betrachtet und doch wahrhaftig; als Unbekannte und doch wohlbekannt; als Sterbende und doch bei guter Gesundheit; als Gezüchtigte, doch nicht gedemütigt; als Trauernde, doch allzeit fröhlich; als Arme, die dennoch viele bereichern; als solche, die nichts haben und dennoch alles besitzen.«9

Erwartet in eurem christlichen Kampf kein Lob, keine aufmunternden Worte. Wir müssen es in unserem Gewissen ganz klar haben: Wissen wir, dass unser innerer Kampf notwendig ist, um Gott, der Kirche und den Seelen zu dienen? Sind wir überzeugt davon, dass der Herr – in diesen Zeiten schrecklicher Treulosigkeit – sich unserer geringen Anstrengung, treu zu sein, bedienen will, um den Glauben, die Hoffnung und die Liebe in Tausenden von Seelen zu vermehren? Kämpfen wir also, meine Töchter und Söhne, mit dem Blick auf Gott und immer zufrieden, ohne an menschliches Lob zu denken.

Herr, obwohl wir mit Dir Umgang haben, verraten wir Dich. Aber wir kommen zu Dir zurück. Was würde aus uns werden ohne diesen Umgang? Wie könnten wir Deine Nähe suchen? Wie wären wir imstande, uns mit Dir am Kreuz zu opfern, uns dort aus Liebe zu Dir festzuheften, um den Geschöpfen zu dienen?

»Mein Gott, Dich zu verlassen heißt, zu Tode kommen; Dir zu folgen heißt lieben; Dich zu sehen heißt, Dich besitzen. Gib mir, Herr, einen festen Glauben, reiche Hoffnung, immerwährende Liebe. Ich rufe zu Dir, o Gott, durch den wir den Feind überwinden; Gott, durch dessen Gunst wir nicht ganz zugrundegehen. Gott, Du warnst uns, damit wir wachsam sind. Gott, mit Deiner Gnade vermeiden wir das Böse und tun das Gute. Gott, Du stärkst uns, damit wir nicht verlorengehen in den Widrigkeiten: Gott, von dem unser Gehorsam und unsere rechte Führung kommt.«10

Kämpfen, meine Kinder, kämpfen! Handelt nicht wie jene, die sagen, dass die Firmung uns nicht zu milites Christi macht. Vielleicht wollen sie nicht Krieg führen und sind deshalb so, wie sie sind: Gescheiterte, Besiegte, Menschen ohne Glauben, gefallene Seelen, wie Satan. Sie haben den Rat des Apostels nicht befolgt: »Trage die Arbeit und Mühe als guter Soldat Christi Jesu.«11

Als Soldaten Christi müssen wir die Schlachten Gottes schlagen. In hoc pulcherrimo caritatis bello! Es bleibt nichts anderes übrig, als sich in diesem wunderschönen Krieg der Liebe ernsthaft einzusetzen, wenn wir wirklich den inneren Frieden wollen, Gottes Ruhe für die Kirche und die Seelen.

Ich möchte euch daran erinnern: »Unser Kampf richtet sich nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Mächte, gegen die Gewalten, gegen die bösen Geister in den Himmelshöhen. Darum ergreift die Waffenrüstung Gottes, damit ihr am bösen Tage Widerstand leisten und, wenn ihr alles überwunden habt, bestehen könnt.«12

Auf der Erde dürfen wir nie die Gemächlichkeit der Faulenzer genießen, die sich gehen lassen, weil sie meinen, die Zukunft sei gesichert. Unser aller Zukunft ist insofern unsicher, als wir unseren Herrn, die Berufung und den Glauben verraten können. Wir müssen den Vorsatz fassen, uns immer anzustrengen. Am letzten Tag des Jahres, das vergangen ist, habe ich auf einem Zettel notiert: Das ist unsere Bestimmung auf Erden: aus Liebe kämpfen bis zum letzten Augenblick. Deo gratias!

Ich werde mich bemühen, bis zum letzten Moment zu kämpfen, und ihr genauso. Innerer Kampf, aber auch nach außen hin, indem ich mich, so gut ich kann, der Zerstörung der Kirche und dem Untergang der Seelen widersetze. Der Soldat, der im Krieg und auf dem Schlachtfeld nur darauf bedacht ist, sich durch die Flucht zu retten, verliert sich selbst und die anderen. Der mutige dagegen, der kämpft, um die anderen zu retten, rettet auch sich selbst.

»Da unsere Religion ein Krieg ist und der härteste von allen, mit heftigen Angriffen und Schlachten, wollen wir die Frontlinie einnehmen, wie unser König uns befohlen hat, immer bereit, unser Blut zu vergießen, indem wir die Rettung aller anstreben, die Starken stützen und die Gefallenen aufrichten. Sicher, viele unserer Freunde liegen auf dem Boden, verwundet und blutüberströmt, und niemand nimmt sich ihrer an: niemand, nicht das Volk, keiner der Priester, keine Gruppe sonst. Sie haben keinen Schirmherrn, keinen Freund, keinen Bruder.«13

Wenn einer meiner Söhne aufgibt und nicht mehr Krieg führt oder wenn er uns den Rücken kehrt, so soll er wissen, dass er an uns allen Verrat übt: an Jesus Christus, an der Kirche, an seinen Geschwistern im Werk, an allen Seelen. Niemand ist ein Stück für sich. Alle sind wir Glieder des einen Mystischen Leibes Christi, der die Heilige Kirche ist14, und alle sind wir durch unsere Liebesbindung außerdem Glieder des Werkes Gottes. Wenn einer daher aufhört zu kämpfen, dann fügt er seinen Geschwistern – ihrer Heiligkeit und ihrer apostolischen Arbeit – schweren Schaden zu. Dann ist er ein Hindernis für die Überwindung dieser Zeit der Prüfung.

Meine Töchter und Söhne, wir alle haben in der Seele ein Auf und Ab. Es gibt Momente, in denen der Herr uns die menschliche Begeisterung nimmt: Wir fühlen uns müde, es scheint, als wollte der Pessimismus die Seele einschläfern, und wir spüren, dass uns etwas die Sehkraft nehmen will, so dass wir nur die Schatten des Bildes wahrnehmen. Dann ist die Stunde gekommen, mit Aufrichtigkeit zu sprechen und sich wie ein Kind an der Hand führen zu lassen.

Deswegen gibt es regelmäßig das vertrauensvolle brüderliche Gespräch. Deswegen gibt es die Beichte, die ihr, weil ihr guten Geist habt, immer bei einem Priester des Werkes ablegt, wenn ihr könnt. Wenn ihr zu reagieren sucht, werden die hellen Stellen des Bildes sofort wieder sichtbar, und wir werden verstehen, dass jene Schatten zur Vorsehung gehören, denn ohne sie würde dem Bild unseres Lebens das Relief fehlen. »Wer im Schutz des Höchsten wohnt und ruht im Schatten des Allmächtigen, der spricht zu Gott: Mein Hort bist Du und meine Burg; mein Gott, dem ich vertraue. Denn Er rettet ihn aus der Schlinge des Jägers und aus allem Verderben. Er beschirmt ihn mit seinen Flügeln, unter seinen Schwingen gewährt Er ihm Zuflucht. Schild und Schutz ist dir seine Treue.«15

Ich bitte Jesus auf die Fürsprache seiner heiligen Mutter und des heiligen Josef, unseres Vaters und Herrn, den ich so sehr liebe, dass ihr mich versteht. Immer, aber noch viel mehr in diesen Augenblicken, wäre es Verrat, nicht wachsam zu sein, Konzessionen zu machen, die kleinste Untreue zuzulassen. Wenn es so viele unloyale Menschen gibt, sind wir um so mehr verpflichtet, unserer Liebesbindung treu zu bleiben. Macht euch nichts daraus, wenn es euch vorkommt, dass ihr andere Motive verloren habt, die euch früher halfen voranzukommen, und dass euch jetzt nur mehr dieses eine bleibt: die Loyalität Gott gegenüber.

Loyalität! Treue! Rechtschaffenheit! Im Großen und im Kleinen, wo es um wenig geht und wo es um viel geht. Kämpfen wollen, auch wenn es manchmal scheint, als könnten wir nicht wollen. Wenn der Moment der Schwäche kommt, so öffnet die Seele ganz weit und lasst euch sanft führen: heute steige ich zwei Stufen hoch, morgen vier … tags darauf vielleicht keine, weil uns die Kräfte verlassen haben. Aber wir wollen wollen. Wir haben wenigstens den Wunsch zu wünschen. Meine Kinder, das heißt schon kämpfen.

Sollte einer nicht entschlossen sein, seinen Verpflichtungen beharrlich nachzukommen, fest im Glauben zu bleiben und tadellos in seinem Verhalten, so würde ich ihm raten, er soll aufhören zu heucheln, er soll weggehen und uns in Ruhe auf unserem Weg ziehen lassen. In meiner Heimat sagt man: Entweder ordentlich oder gar nicht. Entweder die Pflichten erfüllen, wie es sich für einen Christen gehört, oder den Platz verlassen, an dem man nichts tut.

Unsere übernatürliche Aufgabe ist es, Gott wahrhaft zu lieben, denn dafür hat Er uns ein Herz gegeben und es ganz für sich beansprucht. Wir können uns nicht verstellen: Ich weiß, dass keines meiner Kinder das tun wird. Trotzdem bestehe ich darauf: Wenn ihr nicht betrachtet, was ich euch sage, wenn ihr euch nicht bemüht, aufmerksam zu sein, dann werdet ihr die Zeit verlieren und der Kirche und dem Werk großen Schaden zufügen. Der Herr wartet immer auf unsere Antwort, Töchter und Söhne meiner Seele, und dabei rechnet Er damit, dass wir zerbrechlich sind und jeder Erbärmlichkeit fähig. Deshalb hilft Er uns immer: »Weil er auf mich vertraut hat, rette ich ihn; ich schütze ihn, weil er meinen Namen kennt«16, sagt der Psalm.

Im Opus Dei, meine Töchter und Söhne, sollten wir alle wirklich reife Menschen sein; jeder mit seinen besonderen Eigenschaften, die das Werk nicht nur respektiert, sondern fördert und verteidigt. Im geistlichen Leben hingegen müssen wir alle wie kleine Kinder sein, einfach und durchsichtig. Deshalb wiederhole ich gerne, dass ich gerade sieben Jahre alt geworden bin. Ich rate euch, über diese Altersstufe nicht hinauszuwachsen, denn ein Kind von acht oder neun Jahren hat bereits gelernt, faustdicke Lügen aufzutischen.

Gerade wegen meiner sieben Jahre Erfahrung möchte ich euch etwas in Erinnerung rufen, das ihr mich viele Male habt sagen hören. Dieser euer Vater sieht sich dazu imstande, dieselben Fehler und schrecklichen Verirrungen zu begehen, die die verdorbensten Menschen begehen können. Und wenn ihr euch nur ein bisschen kennt, werdet ihr euch genauso fühlen. Wenn ihr also einmal das Pech habt zu straucheln – und schwer zu straucheln, was nicht geschehen wird –, dann seid nicht erstaunt. Bringt es wieder in Ordnung, sprecht sofort! Wenn ihr aufrichtig seid, wird euch der Herr mit seiner Gnade erfüllen, und ihr werdet mit mehr Kraft, mehr Freude und mehr Liebe zum Kampf zurückkehren.

Dann wollen Sie also, Vater, dass wir fallen, dass wir uns irren? Nein, meine Kinder! Wie könnte ich so etwas wollen! Aber wenn ihr einmal aus menschlicher Schwäche zu Boden geht, dann verliert nicht den Mut. Es wäre eine Reaktion des Stolzes, dann zu denken: Ich tauge nicht. Natürlich taugst du! Du bist das ganze Blut Christi wert: »empti enim estis pretio magno«1, ihr seid um einen hohen Preis erkauft worden. Geht schleunigst zum Sakrament der Buße, sprecht aufrichtig mit eurem Bruder und beginnt von neuem, denn Gott rechnet mit euch, um sein Werk zu vollbringen.

Werdet nicht traurig, wenn in den wunderbarsten Momenten eures Lebens euch plötzlich die Versuchung überkommt – die ihr vielleicht für ein Verlangen haltet, dem ihr zustimmt, obwohl es nicht so ist –, die größten Scheußlichkeiten zu begehen, die man sich nur vorstellen kann. Nehmt Zuflucht zur Barmherzigkeit Gottes und rechnet mit der Fürsprache seiner und unserer Mutter, und alles kommt in Ordnung. Und dann brecht in Lachen aus: Gott behandelt mich wie einen Heiligen! Das hat überhaupt keine Bedeutung. Seid davon überzeugt, dass der alte Mensch, den wir alle mit uns tragen, sich jeden Augenblick erheben kann. Seid zufrieden und kämpft wie bisher! Heutzutage, da niemand von Kämpfen und Schlachten reden will, bleibt nichts anderes übrig, als die Worte der Heiligen Schrift in Erinnerung zu rufen: »militia est vita hominis super terram«2. Euer Krieg wird gewöhnlich nur eine Guerrilla sein, ein Kampf in Dingen ohne große Bedeutung, weit weg von den Hauptmauern der Festung, wenn ihr, meine Töchter und Söhne, die Ratschläge eures Vaters beachtet, der als Priester, aufgrund seines Alters und aus eigener Erfahrung, viel Erfahrung mit der menschlichen Schwäche hat.

Hin und wieder werdet ihr vielleicht auf heftigeren Widerstand stoßen, auf einen lebhafteren Stolz und einen stärkeren Sog der Dinge, die in den Schmutz ziehen. Das Dümmste, was ihr dann tun könntet, wäre zu schweigen. »Solang ich es verschwieg«, heißt es in einem Psalm, »waren meine Glieder matt, den ganzen Tag musste ich stöhnen. Denn Deine Hand lag schwer auf mir bei Tag und bei Nacht; meine Lebenskraft war verdorrt wie durch die Glut des Sommers.«3 Aber alles kommt in Ordnung, wenn ihr redet, wenn ihr in diesem persönlichen, vertraulichen und brüderlichen Gespräch, das es zuhause im Werk gibt, und in der Beichte von euren Schwierigkeiten, euren Fehlern und Erbärmlichkeiten erzählt. Meine Kinder, sprecht schon vorher klar, sobald ihr das erste Anzeichen bemerkt, auch wenn es geringfügig, wenn es scheinbar ohne Bedeutung ist. Sprecht klar und bedenkt, dass ihr euch sonst nur mit dummen Empfindungen der Scham belastet und euch wie eine Novizin aufführt, während ihr euch doch tapfer wie Soldaten verhalten solltet. Ich meine nicht bloß Schwächen des Fleisches, obwohl ich auch diese einbeziehe, allerdings an ihrem Platz, an fünfter oder sechster Stelle. Ich meine vor allem den Stolz, der unser ärgster Feind ist, weil er uns alles verkehrt herum sehen lässt.

Seid darum nicht erstaunt, wenn ihr einmal eine Dummheit begeht. Zeigt die angeschlagene Stelle, die Wunde, und lasst den heran, der euch heilen kann, auch wenn es schmerzt. So werdet ihr die Gesundheit wiedererlangen. So werdet ihr vorankommen, und euer Leben wird für die Seelen sehr förderlich sein.

Unser Gott ist so überaus gut, dass Er uns, wenn wir nur ein wenig kämpfen, mit seiner Gnade geradezu überflutet. Der Herr hat das Herz eines Vaters, das größer ist als alle unsere Herzen zusammen. Er ist allmächtig und will uns alle in seiner Nähe haben. Da es »seine Wonne ist, bei den Menschenkindern zu sein«4, ist es seine Seligkeit, jeden mit Freude zu erfüllen, der sich Ihm nähert. Und wisst ihr, wie wir uns Gott nähern? Durch Akte der Reue, die uns läutern und uns helfen, reiner zu sein.

Wir müssen uns verhalten wie ein kleines Kind, das weiß, dass es ein schmutziges Gesicht hat, und den Entschluss fasst, sich zu waschen, damit es von seiner Mutter ein paar Küsse bekommt. Im Fall der zerknirschten Seele freilich ist es Gott, der uns reinigt und der uns – dabei und danach – wie eine Mutter nicht ausschimpft, sondern uns nimmt, uns hilft, an seine Brust drückt, uns sucht, reinigt und uns seine Gnade gewährt, das Leben, den Heiligen Geist. Wenn wir mit der rechten Einstellung zu Ihm kommen, verzeiht und tröstet Er uns nicht nur, sondern Er heilt und nährt uns.

Man muss so rasch wie möglich zu Gott zurückkehren und immer wieder zurückkehren. Ich kehre oftmals am Tag zurück. Bisweilen beichte ich sogar zweimal in der Woche. Dann wieder nur einmal, dann dreimal, immer wenn ich es brauche, um meine Ruhe zu finden. Ich bin kein Frömmler und auch nicht skrupelhaft, aber ich weiß, was meiner Seele guttut.

Jetzt geben Leute ohne Frömmigkeit und Bildung vielerorts den Rat, man solle nicht zur Beichte gehen. Sie greifen das heilige Bußsakrament auf brutalste Weise an. Sie möchten eine Komödie aufführen: ein paar Worte, alle gemeinsam, und danach die Lossprechung. Nein, Kinder! Liebt die Ohrenbeichte! Und nicht nur die Beichte der schweren Sünden, sondern auch die Beichte unserer lässlichen Sünden und sogar der Fehler. Die Sakramente bewirken die Gnade ex opere operato, das heißt kraft des Sakraments selbst, und auch ex opere operantis, das heißt nach Maßgabe der Bereitschaft dessen, der sie empfängt. Die Beichte erweckt die Seele nicht nur zu neuem Leben und reinigt sie von den Erbärmlichkeiten, die sie in Gedanken, Wünschen, Worten und Werken begangen haben mag. Sie bewirkt auch eine Vermehrung der Gnade, stärkt uns und stattet uns mit mehr Waffen aus, um diesen inneren, persönlichen Sieg zu erringen. Liebt das heilige Bußsakrament!

Habt ihr je ein großartigeres Zeichen der Barmherzigkeit unseres Herrn gesehen? Gott als Schöpfer erfüllt uns mit Bewunderung und Dank. Gott als Erlöser erschüttert uns. Ein Gott, der in der Eucharistie zugegen ist, der aus Liebe zu uns unsere Speise wird, erfüllt uns mit dem Verlangen, seiner Liebe zu entsprechen. Ein Gott, der Leben spendet, der all unserem Tun einen übernatürlichen Sinn verleiht, indem Er im Zentrum der begnadeten Seele wohnt, ist etwas Unaussprechliches … Ein Gott, der verzeiht, ist einfach wunderbar! Wer gegen das Bußsakrament redet, widersetzt sich dieser Großtat der göttlichen Barmherzigkeit. Ich habe festgestellt, meine Kinder, dass viele, die Christus nicht kannten, innerlich tief bewegt wurden, als sie hörten, dass wir Katholiken einen Gott haben, der die menschlichen Schwächen versteht und verzeiht, und dass sie darum baten, dass man ihnen die Lehre Jesu erklärt.

Sollten jene, die darauf aus sind, dass wir dem Herrn für die Einsetzung dieses Sakramentes nicht danken, ihr Ziel auch nur in geringem Maß erreichen, würden sie die Spiritualität der Kirche zerstören. Wenn ihr mich fragt: Vater, sagen diese Leute denn etwas Neues?, dann muss ich euch antworten: nichts Neues, meine Kinder. Der Teufel wiederholt sich ständig. Es sind immer dieselben Dinge. Der Teufel ist sehr schlau, denn er war ein Engel und ist sehr alt, aber gleichzeitig ist er hoffnungslos dumm. Ihm fehlt nämlich Gottes Beistand, und er tut nichts anderes, als unentwegt auf denselben Dingen herumzureiten. Alle Irrtümer, die man heute verbreitet, alle diese Formen von Lüge und Häresie sind alt, uralt, und wurden bereits tausendfach von der Kirche verurteilt.

Wenn gewisse Leute behaupten, dass sie die Notwendigkeit der Ohrenbeichte nicht verstehen, liegt das dann nicht daran, dass sie das Gift in ihrem Inneren nicht offenbaren wollen? Gehören sie nicht vielleicht zu jenen, die zum Arzt gehen, ihm aber nicht sagen wollen, seit wann sie krank sind, welche Symptome ihre Krankheit hat und wo es ihnen weh tut …? Sie sind verrückt! Diese Leute sollten den Tierarzt aufsuchen, da sie sich wie Tiere benehmen, die nicht sprechen.

Wisst ihr, warum solche Dinge in der Kirche geschehen? Weil viele nicht tun, was sie predigen, oder weil sie Irrtümer lehren, und dann stimmt ihr Verhalten mit dem überein, was sie sagen. Die asketischen Mittel sind nach wie vor unentbehrlich für ein christliches Leben. In diesem Punkt hat es keine Fortschritte gegeben, noch wird es je welche geben. »Jesus Christus, heri et hodie, ipse et in saecula!«5, Jesus Christus ist derselbe, gestern und heute, und Er wird immer derselbe sein. Man kann ein Ziel nicht erreichen, ohne die entsprechenden Mittel anzuwenden. Und im geistlichen Leben waren und sind die Mittel immer dieselben und werden immer dieselben sein: die Kenntnis der christlichen Lehre, der häufige Empfang der Sakramente, das Gebet, die Abtötung, das Frömmigkeitsleben, die Flucht vor den Versuchungen – und vor den Gelegenheiten – und die Öffnung des Herzens, damit die Gnade Gottes bis auf den Grund dringt und man die Geschwüre öffnen und die Wunden ausbrennen, säubern und reinigen kann.

Ich bin davon überzeugt, dass es in dieser Zeit viele Seelen gibt, die verlorengehen, weil sie die Mittel nicht anwenden. Deshalb ist die Beichte so hilfreich. Denn sie ist nicht nur ein von Jesus Christus eingesetztes Sakrament, sondern darüber hinaus – selbst psychologisch gesehen – ein großartiges Hilfsmittel, um den Seelen zu helfen. Wir haben außerdem das brüderliche Gespräch mit dem Leiter, das spontan und natürlich entstanden ist und wie eine Quelle fließt. Das Wasser ist einfach da und kann nicht anders als hervorsprudeln, denn es gehört zu unserem Leben.

Wie ist diese Gewohnheit in den ersten Jahren entstanden? Außer mir gab es keine Priester im Werk. Ich wollte nicht, dass eure Brüder bei mir beichteten. Denn wenn ich ihre Beichte hörte, waren mir Hände und Füße gebunden. Ich konnte ihnen nicht mehr den kleinsten Hinweis geben außer in der nächsten Beichte. Deshalb habe ich sie hinausgeschickt: Beichtet bei wem ihr wollt, sagte ich ihnen. Das bekam ihnen nicht gut. Denn wenn sie sich anklagten, beispielsweise die Gewissenserforschung vernachlässigt oder einen anderen kleinen Fehler begangen zu haben, bekamen sie von einigen Priestern die barsche und spöttische Antwort: Aber das ist doch keine Sünde! Und wenn es gute Priester oder Ordensleute mit gutem Geist, aber mit dem ihrigen waren, dann fragten sie: Haben Sie nicht vielleicht eine Berufung zu uns?

Eure Brüder zogen es vor, mir ihre Angelegenheiten mit Einfachheit und ganz offen zu schildern, außerhalb der Beichte. Letztlich ist das ja auch nichts anderes, als was Freunde oder Freundinnen einander bei einem Treffen, beim Kaffee oder beim Tanz erzählen! Sie erzählen das einfach so, mit allen Details und übertreiben sogar dabei.

Mit mindestens derselben Einfachheit müsst ihr in dieser brüderlichen Unterhaltung sprechen. Das Werk ist eine Mutter, die ihren Kindern völlige Freiheit lässt. Deshalb haben wir Kinder das Bedürfnis, loyal zu sein. Wenn einer das bisher nicht getan haben sollte, dann rate ich ihm, das Herz zu öffnen und das Ganze herauszulassen – die Kröte, die wir alle mit uns herumgetragen haben, vielleicht schon bevor wir zum Opus Dei kamen. Ich rate das allen meinen Kindern: Spuckt sie aus, diese dicke und hässliche Kröte. Und ihr werdet feststellen, welcher Friede, welche Ruhe, welches Glück und welche Freude. Der Herr wird euch für den Rest eures Lebens viel mehr Gnade geben, um eurer Berufung, der Kirche und dem Papst, den wir so sehr lieben, wer immer er auch ist, treu zu sein. Wer aber versuchen würde, eine Erbärmlichkeit, sei sie groß oder klein, zu verbergen, der wäre ein Infektionsherd für sich selbst und für die anderen Seelen. Fehler, die man verbirgt, bilden eine Pfütze, und genauso bildet das Gute, das man nicht offenlegt, eine Pfütze. Sogar ein Becken klaren Wassers wird zum Tümpel, wenn das Wasser nicht fließt. Öffnet das Herz in Klarheit, Kürze und ohne Komplikationen.

Persönliche Heiligkeit: darauf kommt es an, meine Töchter und Söhne, sie ist das einzig Notwendige.6 Die Weisheit besteht darin, Gott zu kennen und zu lieben. Und damit ihr nie eine Überraschung erlebt, will ich euch mit dem heiligen Paulus daran erinnern, dass wir diesen Schatz in irdenen Gefäßen tragen: »habemus autem thesaurum istum in vasis fictilibus«7. Das Gefäß ist so schwach, dass es leicht zerbricht, »ut sublimitas sit virtutis Dei et non ex nobis«8, damit man erkennt, dass diese ganze Schönheit und diese Macht von Gott sind und nicht von uns. In der Heiligen Schrift heißt es auch: »Das Herz des Toren gleicht einem zerbrochenen Krug: es fasst keine Weisheit.«9 Damit lehrt uns der Heilige Geist, dass wir nicht wie Kinder oder wie Toren sein dürfen. Wir sollen stark sein: Kinder Gottes. Wir werden bei unserer Arbeit und im Beruf ständig in der Gegenwart Gottes leben, die uns dazu führt, auf die Vollkommenheit in den kleinen Dingen zu achten. Wir müssen dafür sorgen, dass das Gefäß heil bleibt, damit diese göttliche Essenz nicht verschüttet wird.

Das Gefäß zerbricht nicht, wenn wir alles, selbst unsere Leidenschaften, auf Gott ausrichten. In sich betrachtet, sind die Leidenschaften weder gut noch böse. Es hängt von jedem Einzelnen ab, ob er sie zähmt. Dann sind sie gut, selbst wenn es nur aus diesem negativen Grund wäre: »quia virtus in infirmitate perficitur«10. Denn wenn wir diese Krankheit im Bereich der Sitten spüren, dann aber siegen und wieder gesund werden, erlangen wir innigeren Umgang mit Gott, mehr Heiligkeit.

Mein Gott, es gibt viele Menschen, viele – auch solche, die eigentlich die Seelen davon überzeugen sollten, diesen inneren Weg einzuschlagen –, die uns anschauen, als wären wir verrückt oder komische Vögel. Denn sie glauben in keiner Weise, dass man zu diesem innigen Umgang mit dem Herrn gelangen kann. Es ist traurig, dass ich euch das sagen muss, aber es ist wahr.

Ihr wisst, dass man sehr wohl zu einer solchen Freundschaft gelangen kann und gelangen soll; dass sie für unsere Seele ein Bedürfnis darstellt. Wenn ihr diesen Umgang mit Gott nicht habt, werdet ihr nicht wirksam sein und den großen Dienst an der Kirche, an euren Geschwistern und an allen Seelen nicht leisten können, den der Herr und das Werk erwarten.

Nehmt das, was ich euch sage, mit in euer Gebet. Haltet im Licht, das euch der Heilige Geist gewährt, Einkehr in eurem Herzen, um alles auszumerzen, was das Gefäß zerbrechen und euch die Einheit des Lebens rauben könnte. Ihr müsst Menschen sein – und daran erinnere ich euch immer wieder –, die sich nicht wundern, wenn sie spüren, dass sie in sich ein wildes Tier beherbergen.

Ihr sollt rechtschaffene Menschen sein, weil ihr kämpft, weil ihr euch bemüht, diese beiden Brüder, die wir alle in uns tragen, miteinander zu versöhnen: den Verstand – mit der Gnade Gottes – und die Sinnlichkeit. Diese zwei Brüder sind seit unserer Geburt bei uns und werden uns unser ganzes Leben lang begleiten. Man muss erreichen, dass sie sich vertragen, auch wenn der eine sich dem anderen widersetzt, indem man sich darum bemüht, dass der höhere Bruder, der Verstand, den niedrigeren, die Sinne, mit sich reißt. Unsere Seele strebt kraft der Weisung des Glaubens und der Vernunft und mit Hilfe der Gnade nach den höheren Gaben, nach dem Paradies, nach der ewigen Glückseligkeit. Und dorthin müssen wir auch unseren kleinen Bruder, die Sinnlichkeit, führen, damit er im Himmel Gott genießt.

Diese Einheit des Lebens muss Frucht der Güte des Herrn sein, die er jedem einzelnen und dem Werk gegenüber hat, aber auch Ergebnis eures persönlichen Kampfes. Nie war es angemessener als jetzt, daran zu erinnern, dass der Friede eine Folge des Krieges ist: dieses wunderbaren Krieges gegen uns selbst, gegen unsere schlechten Neigungen. Dieser Krieg ist ein Krieg des Friedens, weil er den Frieden sucht.

Wir verlieren die Gelassenheit, sobald nicht der Verstand mit der Gnade Gottes unser Leben leitet, sondern die niedrigen Kräfte. Erschreckt nicht, wenn ihr merkt, dass ihr scheußlich seid und dazu geneigt, alle Ungeheuerlichkeiten zu begehen! Mit der Hilfe des Herrn werden wir sicher ans Ziel gelangen, mit jenem Frieden, der – ich wiederhole es – die Folge des Sieges ist. Dieser Triumph ist nicht der unsere, denn es ist Gott, der in uns siegt, wenn wir keine Schwierigkeiten bereiten, wenn wir die Anstrengung aufbringen, unsere Hand auszustrecken nach der Hand, die uns vom Himmel her gereicht wird.

Meine Kinder, Einheit des Lebens! Kampf! Dieses Gefäß, von dem ich vorher sprach, darf nicht zerbrechen. Das Herz muss ganz bleiben und Gott gehören. Halten wir uns nicht bei den Armseligkeiten unseres persönlichen Stolzes auf. Geben wir uns wirklich hin, gehen wir weiter wie einer, der zu einer Stadt unterwegs ist und nicht locker lässt, bis er Schritt für Schritt schließlich den ganzen Weg zurückgelegt hat. Die Hilfe Gottes, unseres Vaters, wird uns nicht fehlen.

Die größte Freude meines Lebens ist es zu wissen, dass ihr kämpft und loyal seid. Es macht mir nicht allzuviel aus, wenn ich erfahre, dass ihr weit vor der Hauptmauer gestürzt seid. Ich weiß schon, dass ihr aufstehen und mit mehr Eifer wieder beginnen werdet. Und wenn wir aufrichtig sind, gehen nicht einmal die verlorenen Schlachten verloren. Im Gegenteil, jede weitere Klammer an unserem Tongefäß ist wie eine Auszeichnung. Deshalb müssen wir die Demut haben, sie nicht zu verstecken: die mit Klammern reparierten Keramikgefäße sind in den Augen Gottes und in meinen Augen schöner als die neuen.

Wisst ihr, was ich für gewöhnlich mache? Das, was ein guter General macht: den Kampf an vorderster Front führen, weit entfernt von der Festung, an kleinen Fronten da und dort. Ich schätze es sehr, den Segen eines anderen Priesters zu empfangen, und bilde mit diesem Segen gewissermaßen eine Mauer, die mich beschützt.

Auch ich muss kämpfen. Ich versuche es dort zu tun, wo es mir guttut: weit weg, in Dingen, die an sich keine große Bedeutung haben, deren Unterlassung nicht einmal einen Fehler darstellt. Jeder muss seine persönlichen Gefechte an der Front führen, die ihm zukommt, aber mit heiliger Schlauheit.

Solange wir die Gewissheit des ganzen Glaubens Christi haben und kämpfen, wird uns der Herr in reichem Maß seine Gnade geben und uns weiter segnen: mit Leiden, die es immer geben wird, aber ihr dürft nicht übertreiben, denn normalerweise sind sie klein; mit einer Fülle von Berufungen auf der ganzen Welt und mit dem Aufblühen von apostolischen Werken und Initiativen, die viel Arbeit und viel Opfergeist verlangen. Und das Schönste an unserem Wirken ist das, was meine Töchter und Söhne – jeder für sich und spontan – an dem Platz tun, an dem sie sich befinden. Denn die Kinder Gottes im Opus Dei sind Licht und Feuer, und oftmals loderndes Feuer. Sie sind etwas, das brennt, sie sind Sauerteig, der alles ringsum durchsäuert.

Seien wir nicht stolz und arrogant, auch wenn der Kontrast zu anderen armen Leuten so deutlich ist. Danken wir dem Herrn für alles, wohl wissend, dass nichts von all dem unser ist. Gott gibt es uns, weil Er will, und Er sendet uns auch seine Gnade: heller Glanz, damit wir kämpfen. Wir wollen also trotz unserer persönlichen Armseligkeiten, Unvollkommenheiten und Irrtümer den Weg nicht verlassen, wollen nie das Gefäß zerbrechen, das der Heilige Geist in seinem Erbarmen mit Weisheit und Güte gefüllt hat.

Zum Schluss möchte ich, dass euch eine tiefe Verehrung des Heiligen Geistes fest eingeprägt bleibt: »der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht«11. Und mit dieser Verehrung die Überzeugung, dass wir – wenn wir fügsam sind – seine Werkzeuge sein werden. Nicht mit der Fügsamkeit einer leblosen Sache, sondern mit der Fügsamkeit der Vernunft und des Verstandes, der seinen kleinen Bruder, die Sinnlichkeit, zu unterwerfen weiß, um ihn in den Dienst Gottes zu stellen. So werden diese beiden Brüder dasselbe Erbe haben. Sie werden schon auf Erden Kinder Gottes sein und im Himmel die Liebe genießen. Unser Herz wird nie ein zerbrochenes Gefäß sein, und die göttliche Essenz der Weisheit wird uns unser ganzes Leben lang berauschen, denn auf das Licht »folgt die Nacht, doch über die Weisheit siegt keine Schlechtigkeit«12.

Meine Töchter und Söhne, ich möchte, dass ihr sehr glücklich seid, froh in der Hoffnung20. Denn wir wissen, dass der Herr sich schließlich seiner Kirche erbarmen wird. Aber wenn diese Situation länger anhält, werden wir oft auf dieses Heilmittel des Verzeihens zurückgreifen müssen, das ich euch gerade gegeben habe; ein Heilmittel, das nicht von mir stammt, denn Verzeihen ist etwas ganz und gar Übernatürliches, eine göttliche Gabe. Die Menschen kennen keine Milde. Wir verzeihen in dem Maße, als wir Anteil haben am Leben Gottes – durch das innere Leben, die Berufung, den göttlichen Ruf, dem wir im Rahmen des Möglichen zu entsprechen versuchen.

Was sollen wir angesichts der schrecklichen Dinge, die geschehen, tun? In Zorn geraten? Traurig werden? Man muss beten, Kinder. »Oportet semper orare et non deficere«21, man muss ohne Unterlass beten und darf nicht nachlassen. Auch wenn wir uns unmöglich benommen haben, müssen wir beten, damit uns der Herr seine Gnade gewährt und wir auf den rechten Weg zurückkehren. Was man nie tun darf, ist, den Kampf aufgeben oder unseren Platz verlassen, weil wir uns unmöglich benommen haben oder vielleicht unmöglich benehmen könnten. Ich möchte euch die Stärke vermitteln, die letzten Endes aus der Demut kommt, nämlich zu wissen, dass wir – ich werde es mit dem bildlichen Ausdruck von immer sagen – aus dem Lehm der Erde gemacht sind; oder, um es noch mehr zu unterstreichen, aus einem sehr zerbrechlichen Material, aus Töpferton.

Wenn ihr euch um diesen göttlichen und menschlichen Umgang mit der Dreifaltigkeit der Erde und der Dreifaltigkeit des Himmels bemüht, über den ich vorhin zu euch gesprochen habe, werdet ihr, auch wenn ihr einmal eine Dummheit begeht – und eine große noch dazu –, das Heilmittel anwenden können: mit Aufrichtigkeit, mit Loyalität. Vielleicht wird man dann warten müssen, bis der Schlamm trocknet, der noch an den Flügeln klebt, und wird man die Mittel anwenden müssen – den Schnabel, wie die Vögel –, bis die Federn wieder ganz sauber sind. Und sofort nehmen wir, mit einer Erfahrung, die uns entschlossener und demütiger macht, den Flug mit mehr Freude wieder auf.

Kämpfen wir also, Kinder meiner Seele! Seien wir zufrieden! »Servite Domino in laetitia!22, ermahne ich euch nochmals. Gebt diese Verrücktheit weiter, betet für alle Welt, fahrt fort mit dieser Aussaat des Friedens und der Freude, der gegenseitigen Liebe, denn wir wollen niemandem Böses. Ihr wisst, dass die Bereitschaft zum Verzeihen ein Teil des Geistes des Werkes ist. Und ich habe euch daran erinnert, dass wir, wenn wir verzeihen, auch beweisen, dass wir Gottes Geist haben, denn die Milde – ich wiederhole es – ist eine Äußerung der Gottheit. Wenn wir an der Gnade des Herrn Anteil haben, dann verzeihen wir allen und lieben wir alle. Aber wir haben auch eine Zunge, und wir müssen reden und schreiben, wenn das die Ehre Gottes und seiner Kirche sowie das Wohl der Seelen verlangt.

Iterum dico, gaudete! Noch einmal komme ich darauf zurück: Seid zufrieden und gelassen, auch wenn das Panorama, das die Welt und besonders die Kirche bietet, voller Schatten und voller Elend ist. Handelt mit lauterer Gesinnung und lauterer Tat. Erfüllt aufs Wort getreu die Anweisungen, die euch das Werk mütterlich gibt, das dabei nur an euer zeitliches und ewiges Glück denkt. Seid demütig und aufrichtig; beginnt mit neuem Schwung von vorne, wenn ihr einmal zu Fall kommt. Dann wird die Freude eine Frucht – die schönste Frucht – eures Lebens als Kinder Gottes sein, auch inmitten der größten Anfechtungen. Denn der innere Jubel, Frucht des Kreuzes, ist eine christliche Gabe und insbesondere eine Gabe für die Kinder Gottes im Opus Dei.

»Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes.«23

Die Welt ist sehr aufgewühlt und desgleichen die Kirche. Vielleicht sieht die Welt so aus, wie sie aussieht, weil so der Zustand der Kirche ist … Ich hätte gern, dass in der Mitte eures Herzens der Schrei des armen Blinden aus dem Evangelium1 ertönt, damit Er uns die Dinge der Welt mit Gewissheit und Klarheit sehen lässt. Dazu ist nicht mehr erforderlich, als dass ihr in den wenigen Dingen gehorcht, die man euch aufträgt, indem ihr den Hinweisen der Leiter Folge leistet.

Sucht die Gegenwart des Herrn und sagt ihm viele Male: Domine, ut videam! Herr, gib, dass ich sehe! Ut videamus!: dass wir die Dinge klar sehen inmitten dieser Art Rebellion. Sie ist gar keine; es ist etwas Satanisches … Lieben wir die Kirche jeden Tag mehr, lieben wir den Römischen Pontifex jeden Tag mehr – was für ein schöner Titel: Römischer Pontifex! –, und lieben wir jeden Tag mehr, was Jesus Christus uns in den Jahren seines Erdenwandels gelehrt hat.

Hegt eine große Zuneigung zur Heiligsten Dreifaltigkeit. Hegt eine beständige Zuneigung zur Mutter Gottes und wendet euch oft an sie. Nur dann werden wir auf dem rechten Weg bleiben. Trennt Josef nicht von Jesus und Maria, denn der Herr hat sie auf wunderbare Weise miteinander verbunden. Und dann soll jeder seine Pflicht erfüllen, seine Arbeit leisten, die Gebet ist. Wenn wir die Arbeit in der rechten Ordnung verrichten, dann nimmt sie uns nicht den Gedanken an Gott. Sie stärkt unseren Wunsch, alles für Ihn zu tun, für Ihn, mit Ihm und in Ihm zu leben.

Ich werde euch sagen, was ich immer sage, denn die Wahrheit kennt nur einen Weg: Gott ist in unseren Herzen. Er hat von unserer Seele im Stand der Gnade Besitz ergriffen. Dort können wir Ihn suchen; nicht nur im Tabernakel, wo wir wissen, dass Er sich in Wahrheit befindet. Wir wollen einen ausdrücklichen Akt des Glaubens verrichten: Er ist dort mit seinem Leib, mit seinem Blut, mit seiner Seele und mit seiner Gottheit: der Sohn Mariens, der in Nazareth gearbeitet hat, der in Bethlehem geboren wurde, der auf Kalvaria gestorben und der auferstanden ist; der auf die Erde gekommen ist und aus Liebe zu uns so viel gelitten hat. Sagt euch das nichts, meine Kinder? Liebe! Unser Leben muss ein Leben der Liebe sein. Unser Protest muss sein, dass wir lieben, dass wir mit einem Akt der Liebe auf alles antworten, was Lieblosigkeit, was Mangel an Liebe ist.

Der Herr treibt das Werk voran. So viele Berufungen in aller Welt! Ich erwarte dieses Jahr viele Berufungen in Italien, wie überall, aber das hängt zu einem Gutteil von euch und von mir ab, dass wir ein Leben des Glaubens leben, des ständigen Umgangs mit Jesus, Maria und Josef. Gerade habe ich darauf hingewiesen.

Meine Kinder, ihr habt den Eindruck, dass ich ernst bin, aber es ist nicht so; ich bin nur ein wenig müde.

Jeder soll sagen, für sich selbst und für die anderen: Domine, ut videam! Herr, gib, dass ich sehe, dass ich sehe mit den Augen meiner Seele, mit den Augen des Glaubens, mit den Augen des Gehorsams, mit der Reinheit meines Lebens. Dass ich mit meinem Verstand sehe, um den Herrn in allen Bereichen der Welt zu verteidigen, denn überall gibt es eine Revolte, um Christus hinauszuwerfen, sogar aus seinem eigenen Haus.

Der Teufel existiert und arbeitet unentwegt. Der Teufel strengt sich besonders an, um die Kirche zu zerstören und unsere Seelen zu rauben, uns von unserem göttlichen Weg abzubringen, von diesem Weg, den die Christen, die wie Christen leben wollen, gehen. Ihr und ich, wir müssen alle Tage kämpfen, meine Kinder. Bis zum letzten Tag unseres Lebens müssen wir kämpfen. Wer das nicht tut, wird nicht nur in den Tiefen seiner Seele einen Schrei vernehmen, der ihn daran erinnert, dass er ein Feigling ist – Domine, ut videam!, ut videamus!, ut videant!, ich bitte für alle, tut eurerseits das gleiche –, sondern er wird auch begreifen, dass er sich selbst und die anderen ins Unglück stoßen wird. Er hat die Pflicht, allen die Hilfe des guten Geistes zukommen zu lassen. Und wenn er schlechten Geist hat, wird er uns verdorbenes Blut schicken, Blut, das uns nicht zugeführt werden sollte.

Vater, haben Sie geweint? Ein bisschen, denn alle Menschen weinen hin und wieder. Ich bin nicht weinerlich, aber hin und wieder habe ich doch geweint. Schämt euch nicht, wenn ihr weint. Nur Tiere weinen nicht. Schämt euch nicht zu lieben. Wir müssen einander mit unserem ganzen Herzen lieben und dabei das Herz Christi und das liebenswerte Herz Mariens mitten unter uns haben. Dann gibt es keine Angst. Einander wirklich lieben, einander voll Zuneigung begegnen. Keiner darf allein gelassen werden!

Meine Kinder, liebt alle. Wir wollen niemandem etwas Übles. Aber was Wahrheit ist und gestern und vor zweitausend Jahren war, das bleibt auch jetzt Wahrheit! Was falsch war, kann sich nicht in Wahrheit verwandeln. Was ein Laster war, ist keine Tugend. Ich kann nicht das Gegenteil behaupten. Es ist weiterhin ein Laster!

Meine Kinder, trotz dieses Vorspiels muss ich euch sagen, dass ihr froh sein sollt. Der Vater ist sehr zufrieden, und er möchte, dass seine Töchter und Söhne auf der ganzen Welt sehr zufrieden sind. Nochmals: Wendet euch in eurem Herzen in ständigem Umgang an diese Dreifaltigkeit der Erde, an Jesus, Maria und Josef, damit wir bei den dreien sind; und wir werden alle Dinge der Welt, alle Täuschungen Satans überwinden können. So wird jeder von uns allen helfen, die zu dieser großen Familie des Opus Dei gehören. Es ist eine Familie, die arbeitet. Wer nicht arbeitet, der soll merken, dass er sich nicht richtig verhält … Diese Arbeit ist nicht nur menschlich – sie muss menschlich sein, denn wir sind Menschen –, sondern übernatürlich, weil uns nie die Gegenwart Gottes fehlt, der Umgang und das Gespräch mit Gott. Mit dem heiligen Paulus werden wir sagen, dass wir unseren Umgang im Himmel haben.

Der Vater ist also zufrieden, meine Kinder. Der Vater hat ein Herz, und er dankt Gott, unserem Herrn, dafür, dass Er es ihm gegeben hat. So kann ich euch lieben, und ich liebe euch – ihr sollt es wissen – mit ganzem Herzen. Sagen wir, alle zusammen, dieses Stoßgebet: Domine, ut videam!, dass jeder sehen möge. Ut videamus!, dass wir uns daran erinnern, dafür zu bitten, dass die anderen sehen mögen. Ut videant!, dass wir um dieses Licht für ausnahmslos alle Seelen bitten.

Fünfzig Jahre sind vergangen, und ich komme mir vor wie ein stammelndes Kind. Ich beginne von neuem, ich fange wieder von vorne an, jeden Tag. Und so bis zum Ende der Tage, die mir noch bleiben: immer wieder neu beginnen. Der Herr will es so, damit es bei keinem von uns Anlass für Stolz oder törichte Eitelkeit gibt. Wir müssen ständig auf Ihn schauen, an seinen Lippen hängen, die Ohren gespitzt, den Willen angespannt, in Bereitschaft, den göttlichen Eingebungen zu folgen.

Ein Blick zurück … Ein riesiges Panorama: so viele Leiden, so viele Freuden. Und jetzt sind es lauter Freuden, alles sind Freuden … Denn wir haben die Erfahrung, dass der Schmerz die Meißelschläge des Künstlers sind, der aus jedem, aus der gestaltlosen Masse, die wir sind, einen Gekreuzigten machen möchte, einen Christus, den alterChristus, der wir sein sollen.

Herr, danke für alles. Vielen Dank! Ich habe Dir gedankt, ich habe Dir laufend gedankt. Bevor ich den liturgischen Ruf wiederholte – gratias tibi, Deus, gratias tibi! –, habe ich es Dir mit dem Herzen gesagt. Und jetzt sind es viele Lippen, viele Herzen, die mit einer Stimme dasselbe wiederholen: gratias tibi, Deus, gratias tibi! Denn zu nichts anderem haben wir Grund als zu danken. Nichts darf uns betrüben; nichts Sorge bereiten; nichts auf der Welt die Ruhe rauben. In diesen Tagen sage ich allen, die aus Portugal kommen, dass sie ruhig bleiben sollen, und sie sind es.(a) Gib meinen Kindern Gelassenheit, die sie nicht verlieren, selbst wenn sie einen schweren Fehler begehen. Wenn sie merken, dass sie einen begangen haben, ist das schon eine Gnade, ein Licht des Himmels.

Gratias tibi, Deus, gratias tibi! Ein einziger Gesang der Danksagung soll das Leben eines jeden von uns sein, denn wie ist das Opus Dei Wirklichkeit geworden? Du hast es gemacht, Herr, mit vier armen Schluckern … »Stulta mundi, infirma mundi, et ea quae non sunt.«2 Die ganze Lehre des heiligen Paulus hat sich bewahrheitet. Du hast völlig unlogische, ungeeignete Mittel gesucht und hast das Werk über die ganze Welt ausgebreitet. Und nun sagt man Dir Dank überall in Europa, in Ländern Asiens und Afrikas, in ganz Amerika und in Ozeanien. Überall sagt man Dir Dank.

Anmerkungen
9

1 Kor 4, 13.

10

Jes 43, 1: Ich habe dich ausgelöst, ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir.

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Anmerkungen
10

Ps 111, 1.

11

Ebd.: Wohl dem Mann, der den Herrn fürchtet und ehrt und sich herzlich freut an seinen Geboten.

12

Ps 111., 3: Wohlstand und Reichtum füllen sein Haus.

13

Ebd.

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Anmerkungen
4

1 Petr 4, 12.

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Anmerkungen
5

Vgl. Sir 21, 17.

6

Lk 10, 42: Nur eines ist notwendig.

7

Vgl. Lk 10, 17.

8

Vgl. Mt 11, 4-6.

9

Joh 11, 39: Er riecht aber schon, denn es ist bereits der vierte Tag.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
10

1 Kor 12, 31.

Verzeichnis der Schriftstellen
Anmerkungen
7

Jes 43, 1.

8

1 Sam 3, 6.

9

2 Kor 6, 8-10.

10

Augustinus, Soliloquia 1,1,3.

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Anmerkungen
11

2 Tim 2, 3.

12

Eph 6, 12-13.

13

Johannes Chrysostomus, In Matthaeum homiliae 59,5.

14

Vgl. 1 Kor 12, 26-27.

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Anmerkungen
15

Ps 90, 1-4.

16

Ps 90, 14.

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Anmerkungen
1

1 Kor 6, 20.

2

Ijob 7, 1: Ist nicht Kriegsdienst des Menschen Leben auf der Erde?

3

Ps 31, 3-4.

4

Spr 8, 31.

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Anmerkungen
5

Hebr 13, 8.

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Anmerkungen
6

Vgl. Lk 10, 42.

7

2 Kor 4, 7.

8

Ebd.

9

Sir 21, 17.

10

2 Kor 12, 9.

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Anmerkungen
11

Jes 11, 2-3.

12

Weish 7,30.

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Anmerkungen
20

Vgl. Röm 12, 12.

21

Lk 18, 1.

22

Ps 99, 2.

23

Röm 15, 13.

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Anmerkungen
1

Vgl. Lk 18, 41.

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Anmerkungen
(a)

(a) In jenen Tagen befand sich Portugal aufgrund der Gefahr einer marxistischen Revolution in einer kritischen Situation.

2

Vgl. 1 Kor 1, 27-28: das Törichte in der Welt hat Gott erwählt … und das Schwache in der Welt … und das, was nichts ist …

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